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Ukraine Tag 55

«Die Schlacht um den Donbass» beginnt

19. April 2022
Panzer, Mariupol
Russische Panzer bewegen sich auf Mariupol zu (Foto: Keystone/AP/Alexei Alexandrov)

Hunderte russische Raketen prasselten am Montag auf die Ostukraine nieder. Damit hat die lange prophezeite russische Grossoffensive begonnen. «Jetzt können wir feststellen, dass die russischen Streitkräfte die Schlacht um den Donbass begonnen haben, auf die sie sich seit langem vorbereitet haben», sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj am Montagabend in einer Videoansprache.

Wird laufend aktualisiert

  • Die Schlacht um den Donbass hat begonnen
  • Moskau meldet 1'260 Angriffe
  • 70'000 russische Soldaten im Einsatz
  • Selenskyj: «Wir werden kämpfen»
  • Friedensgespräche ausgesetzt
  • 20'800 getötete Russen?
  • «Wir brauchen mehr Waffen»
  • Britischer General: «Moral der Russen wird nicht besser»
  • Sturm auf Mariupol?
  • Putin provoziert


Moskau meldet Angriff auf 1’260 Ziele

Angegriffen wurden Ziele an der gesamten fast 500 Kilometer langen Front, die sich von der Region Charkiw im Norden bis nach Mariupol im Süden erstreckt. Das russische Verteidigungsministerium erklärt, die Russen hätten «Hunderte Ziele» angegriffen.

Ukrainische Beamte hatten letzte Woche erklärt, die Schlacht um den Donbass werde «sehr lange und sehr, sehr blutig» werden.

Russland hat in der Nacht zum Dienstag nach eigenen Angaben 1’260 Ziele in der Ukraine mit Raketen und Artillerie beschossen. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, dass in der ostukrainischen Region Donezk ein ukrainisches Kampfflugzeug des Typs MiG-29 abgeschossen worden sei. Verifizieren lassen sich diese Angaben nicht. Nach unbestätigten ukrainischen Meldungen seien allein auf den Norden des Donbass innerhalb einer Stunde 300 Raketen abgeschossen worden.

Der russische Beschuss soll offenbar eine umfassende Bodenoffensive der Russen vorbereiten. Die russischen Streitkräfte haben in den letzten Tagen Tausende Soldaten und riesige Mengen militärisches Material im Osten des Landes zusammengezogen.

«Wir werden kämpfen»

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte: «Ein sehr grosser Teil der russischen Armee konzentriert sich jetzt auf diese Offensive» und fügte hinzu: «Egal wie viele Soldaten dort hingeworfen werden, wir werden kämpfen und uns verteidigen.»   

Auch die Ukraine hat in den letzten Tagen im Osten des Landes militärisches Material in Stellung gebracht, vor allem auch Panzerabwehrraketen und Flab-Geschosse. In Erwartung eines Grossangriffs haben westliche Staaten der Ukraine in den letzten Tagen zahlreiche schwere Waffen geliefert.

Im russischen Staatsfernsehen sprechen Kommentatoren von einem «Wendepunkt» in den Auseinandersetzungen.

70’000 russische Soldaten

Die Ukraine hat ihre erfahrensten Truppen im Osten stationiert. Viele der Soldaten haben im achtjährigen Krieg gegen die sezessionistischen Rebellen des Donbass Erfahrung gesammelt. Im Gegensatz zu den meisten russischen Soldaten kennen sie das Terrain und werden von einem Grossteil der Bevölkerung unterstützt.

Trotzdem sind sie in der Defensive. Vor allem zahlenmässig. Russland hat vermutlich mindestens 50’000 Soldaten in die Ostukraine entsandt, vielleicht sogar 70’​​​​​​​000. Sie verfügen über massive Artillerie- und Luftangriffskapazitäten. Laut ukrainischen Angaben verfügen die Russen über 76 taktische Bataillontruppen in der Ukraine. Ein Bataillon hat bis zu tausend Soldaten.

Die Ukraine hat laut Militärexperten nur eine Chance, wenn sie schnell schwere Waffen, schweres Gerät erhalten: Panzerabwehrraketen und Flab-Geschosse.

Die grosse Frage ­– laut Experten – ist, ob dieses schwere Gerät rechtszeitig den ukrainischen Truppen geliefert wird. Die Russen sind bereits dabei, Nachschubrouten, über die Waffen aus Polen und anderen westlichen Ländern kommen, zu bombardieren.

Russische Vorstösse zurückgeschlagen?

Die Ukraine gab an, sieben verschiedene russische Vorstösse zurückgeschlagen und dabei zehn Panzer und 18 gepanzerte Einheiten zerstört zu haben. Diese Angaben können nicht verifiziert werden.

Friedensgespräche ausgesetzt

Mykhailo Podolyak, ein wichtiges Mitglied des ukrainischen Verhandlungsteams mit Russland, sagte, die Friedensgespräche würden ausgesetzt. Angesichts der russischen Grossoffensive sei es sinnlos zu verhandeln. «Es ist schwer zu sagen, wann das nächste Mal direkte Friedensgespräche möglich sein werden», sagte Podolyak laut der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian.

 

«Ihre Moral wird definitiv nicht besser sein»

Der britische General Sir Richard Barrons, von April 2013 bis zu seiner Pensionierung im April 2016 Befehlshaber des Joint Forces Command, sagt in einem BBC-Interview, die Russen hätten «möglicherweise einige Lehren aus den ersten 54 Kriegstagen gezogen». Sie würden jetzt versuchen, eine Sache auf einmal zu machen und sich auf den Donbass konzentrieren.

Aber: Die Russen «hatten nicht genug Zeit, um ihren Ausbildungsstand wiederherzustellen, und viele der Verstärkungen, die aus anderen Teilen Russlands herbeigeschafft wurden, sind vielleicht nicht besser ausgebildet, und ihre Moral wird definitiv nicht besser sein als nach den Rückschlägen, die sie in den letzten 50 Tagen erlitten haben».

Es wird wärmer – nicht ideal für die Russen

General Richard Barrons sagte der BBC weiter, in der Donbass-Region gebe es mehr offenes Gelände als rund um Kiew. Die russischen Panzer hätten deshalb mehr Gelegenheit, die Strassen zu verlassen und schneller zu manövrieren.

Doch das angekündigte besser Wetter bedeute, dass es feuchter wird. «Dies ist nicht die ideale Zeit für Panzermanöver im Gelände – der Winter oder der Hochsommer wären besser gewesen, da der Boden härter ist», sagte Barrons dem BBC Radio 4.

Kramatorsk
In Erwartung eines russischen Grossangriffs fliehen Tausende Ukrainerinnen und Ukrainer aus dem Donbass Richtung Westen. In Kramatorsk besteigen vorwiegend ältere Leute einen Bus, der sie nach Dnipro bringen soll. (Foto: Keystone/AP/Andriy Andriyenko)

20’800 getötete russische Soldaten?

Der ukrainische Generalstab veröffentlichte am Dienstag neue Zahlen zu russischen Verlusten. Danach sind im Krieg bisher 20’800 russische Soldaten gefallen. Die russischen Streitkräfte hätten 169 Kampfflugzeuge, 150 Helikopter, 802 Panzer und 386 Artilleriebatterien verloren. Überprüfen lassen sich diese Zahlen nicht.

«Wir brauchen mehr Waffen»

Seit Wochen fordert der ukrainische Präsident Selenskyj vom Westen mehr Waffen. An einer Nato-Tagung in Brüssel verlangte der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba «Waffen, Waffen, Waffen». Wenn die Nato-Staaten die Ukraine nicht schnell unterstützten, könnte es angesichts des drohenden Angriffs Russlands in der Ostukraine zu spät sein.

«Ihr liefert uns Schutzausrüstungen und Erste-Hilfe-Kits, das ist ja schön», erklärt ein ukrainischer Beamter, «aber wir brauchen vor allem mehr Waffen, schwere Waffen.»

Oleksiy Goncharenko, ein ukrainischer Abgeordneter, sagt: «Verglichen mit dem afghanischen Militär, das Ausrüstungen, Waffen und Munition im Wert von 80 Milliarden Dollar erhalten hat, beläuft sich das letzte Paket der Vereinigten Staaten auf 800 Millionen Dollar.» Insgesamt haben die USA der Ukraine bisher Militärhilfe im Wert von 2,3 Milliarden Dollar geliefert oder zugesagt. 

«Die Welt sollte sich darüber im Klaren sein, dass wir mit Russland kämpfen, der grössten Armee in Kontinentaleuropa, mit einem Land, dessen Waffenbudget um ein Vielfaches höher ist als das der Ukraine, also brauchen wir mehr Waffen.»

Putin provoziert

Die russischen Soldaten, die nach westlichen Ermittlungen in der Kiewer Vorstadt Butscha ein Massaker angerichtet und schwere Kriegsverbrechen begangen haben, sind von Präsident Putin geehrt worden. Die 64. Motorschützenbrigade wurde am Montag in Moskau für «besondere Verdienste, Heldentum und Tapferkeit» mit einem Ehrentitel ausgezeichnet. Putin lobte die «versierten und entschlossenen Handlungen» der Soldaten im Zuge der «militärischen Spezial-Operation», wie Russland den Krieg nennt.

Bei ihrem Rückzug aus Butscha haben die Russen nach glaubwürdigen Angaben mehrere hundert Zivilisten erschossen. Die russischen Soldaten hätten «auf vorbildliche Weise Mut und hohen Professionalismus gezeigt», sagte Putin. «Ich bin überzeugt, dass ihr Soldaten und Offiziere Gardisten seid, weiter dem Eid die Treue halten werdet, der Heimat mit Ehre dient und verlässlich die Sicherheit und das friedliche Leben unserer Bürger schützt».

Sturm auf Mariupol angekündigt

Ein russisches Spezialkommando will offenbar das Gelände des umzingelten Stahlwerks «Asowstal» in Mariupol stürmen. Dies meldet die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti und bezieht sich auf eine Erklärung der russischen Separatisten, die das Werk belagern. Gleichzeitig hat Russland den verschanzten, knapp 300 ukrainischen Kämpfern ein neues Ultimatum gestellt. Wenn sie bis 16.00 Uhr das Gebiet verlassen, würde ihr Leben geschont. Am Sonntag hatte die Ukraine ein ähnliches Ultimatum verstreichen lassen. «Wir kapitulieren nicht, wir kämpfen bis zuletzt», hiess es von ukrainischer Seite. Letzte Woche hatten die Separatisten damit gedroht, im belagerten Stahlwerk chemische Waffen einzusetzen.

Am Nachmittag hat Russland erneut die eingeschlossenen Kämpfer aufgefordert zu kapitulieren.

Bunkerbrechende Bomben 

Beschossen wurde erneut auch die südukrainische Stadt Mariupol, in der die umzingelten ukrainischen Streitkräfte sich weigern, auf ein russisches Ultimatum einzugehen und zu kapitulieren.

Angegriffen wurde das Gelände des Stahlwerks «Asowstal» mit bunkerbrechenden Bomben und Raketen. Im Werk haben sich knapp 3’000 ukrainische Kämpfer und viele Zivilisten verschanzt. Das ukrainische Regiment «Asow» fordert nun einen «humanitären Korridor» für die Zivilisten. Nach westlichen Geheimdienstberichten scheint die Lage für die ukrainischen Verteidiger «fast aussichtslos».

Beschossen wurde auch erneut Charkiw, die zweitgrösste ukrainische Stadt, die an den Donbass grenzt. Die Hauptstadt Kiew sei weiterhin bedroht, sagte Bürgermeister Witali Klitschko. Er rate den geflohenen Ukrainern dringend, nicht in die Stadt zurückzukehren, sondern an einem sicheren Ort zu bleiben.

Bei einem Raketenangriff auf die westukrainische Stadt Lviv (Lemberg) sind am Montag sieben Menschen gestorben.

(Wird laufend aktualisiert)

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