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Ukraine Tag 40

Nach dem Massaker

4. April 2022 , wird laufend aktualisiert
Butscha
Butscha nach dem Massaker (Foto: Keystone/AP/Vadim Ghirda)

Frauen warten in Butscha, einer Kleinstadt im Norden von Kiew, auf die Verteilung von Nahrungsmitteln. Strom und Gas gibt es seit Kriegsbeginn nicht mehr. Unterdessen veröffentlichen die internationalen Nachrichtenagenturen immer grausamere Bilder von Leichen, die verstreut in Strassen und Hinterhöfen liegen. Die meisten seien von den Russen hingerichtet worden. Einigen wurden die Hände hinter dem Rücken gefesselt.

Wird laufend aktualisiert

  • Selenskyj besucht Bucha
  • Evakuierung aus Mariupol erneut gescheitert
  • «Sehr klare Anzeichen von Kriegsverbrechen»
  • Über 400 getötete Zivilisten
  • Immer mehr erschütternde Bilder
  • Massengrab in Bucha
  • Weltweite Empörung
  • Russland spricht von «Inszenierung»
  • Uno-Sicherheitsrat am Dienstag zu Bucha
  • Neue Flüchtlingswelle
  • Russischer Truppenrückzug aus Sumy
  • Wieder Raketen auf Odessa


Selenskyj in Bucha

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj besuchte am Montag die Kleinstadt Bucha, wo in den letzten Tagen Hunderte Zivilisten getötet wurden. Noch immer sind Rettungskräfte dabei, Leichen von Strassen und Hinterhöfen zu bergen. Selenskyj sprach mit Einheimischen und besichtigte Trümmer und ausgebrannte russische Panzer. Bucha hat 35’000 Einwohner und liegt 25 Kilometer nordwestlich von Kiew bei Irpin.

Selenskyj in Butscha
Präsident Selenskyj besucht Butscha. (Foto: Keystone/AP/Efrem Lukatsky)

Abschied von Reuters-Fotografen

Maksym Levin
Angehörige und Freunde nehmen in der Michailowski-Kathedrale in Kiew Abschied vom bekannten ukrainischen Reuters-Fotografen und Video-Journalisten Maksym Levin. Der 41-Jährige war am 13. März zum letzten Mal beim Einsatz in der Nähe von Irpin gesehen worden. Seine Leiche wurden am 1. April mit zwei Kopfschüssen gefunden. Er hinterlässt eine Frau und vier Kinder. (Foto: Keystone/EPA/Sergey Dolzhenko)

Die EU entsendet Ermittler

Die Europäische Union wird Ermittler in die Ukraine entsenden. Sie sollen dem ukrainischen Generalstaatsanwalt helfen, «Kriegsverbrechen» zu dokumentieren. Dies twittert EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auch die europäische Polizeiorganisation Europol und die Strafjustizagentur Eurojust sollen eingeschaltet werden.

Ausschluss aus dem Menschenrechtsrat?

Die USA und ihre Verbündeten wollen Russland aus dem Uno-Menschenrechtsrat ausschliessen. «Die Bilder aus Bucha und die Verwüstungen in der Ukraine verlangen von uns, dass wir unseren Worten Taten folgen lassen», sagt die amerikanische Uno-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield.

«Wir werden zerstört und ausgelöscht»

In der Region Kiew wurden die Leichen von 410 Zivilisten geborgen, erklärte die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Venediktova. «Wir werden zerstört und ausgelöscht, und dies geschieht im Europa des 21. Jahrhunderts», sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Zelenskyj in einem Interview in der CBS-Sendung «Face the Nation». Einige der aufgefundenen Getöteten wurden erschossen, als sie mit dem Fahrrad durch die Strassen fuhren. Fotos des Associated Press-Fotografen Vadim Ghirda zeigen Tote mit zusammengebundenen Händen.

Noch ist die genaue Zahl der getöteten Zivilisten nicht bekannt. An viele Orte können die Helfer nicht vordringen, da zuerst Minen weggeräumt werden müssen.

Massengrab

Satellitenbilder zeigen einen 14 Meter langen Graben auf dem Gelände einer Kirche in Bucha. Es wird vermutet, dass es sich dabei um ein Massengrab handelt. Dort sollen zahlreiche, von russischen Kräften erschossene Menschen begraben sein, weil auf den drei Friedhöfen der Stadt kein Platz mehr war.

Bucha Satellitenbild
(Satellitenbild Maxar Technologies)

Nach schweren Kämpfen hatte sich Russland komplett aus der Region nördlich der Hauptstadt Kiew zurückgezogen. Als die Bewohner aus ihren Kellner und Schutzräumen wieder ins Freie traten, entdeckten sie ein Bild des Grauens. Überall Leichen, Trümmer und ausgebrannte Panzer.

Russland dementiert

Das russische Verteidigungsministerium wies alle Vorwürfe zurück. «Kein einziger Zivilist» sei von den Russen getötet worden, hiess es. Bilder und Videoaufnahmen aus dem Gebiet seien «von der ukrainischen Regierung inszeniert» worden, um Russland die Schuld für ein Massaker zu geben. Der russische Chefermittler Alexander Bastrykin sprach von «Provokation» der Ukraine, die «absichtlich falsche Informationen» über die russischen Streitkräfte in Bucha verbreite.

Immer mehr Beweise

Internationale Medien wie die New York Times oder Associated Press, deren Journalisten vor Ort sind, erklären jedoch, es gebe immer mehr Beweise für ein russisches Massaker. Führende Politiker aus aller Welt machen Moskau dafür verantwortlich. Putin und die russische Armee müssten zur Verantwortung gezogen werden.

Der amerikanische Aussenminister Antony J. Blinken sagte in einem CNN-Interview, die Tötungen dürften nicht ungestraft bleiben. Der britische Premierminister Boris Johnson verurteilte «die verabscheuungswürdigen Angriffe Russlands gegen unschuldige Zivilisten in Irpin und Bucha».

Der israelische Aussenminister Jair Lapid sagte, es sei «unmöglich, angesichts der schrecklichen Bilder aus der Stadt Bucha gleichgültig zu bleiben». «Die absichtliche Schädigung der Zivilbevölkerung ist ein Kriegsverbrechen, das ich auf das Schärfste verurteile», sagte Lapid.

Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht erklärte, dass die EU angesichts der Gräueltaten von Bucha ein Verbot russischer Gasimporte in Erwägung ziehen sollte, was eine deutliche Änderung der Position ihres Landes darstellen würde. Charles Michel, der Präsident des Europäischen Rates, erklärte, dass weitere Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland «auf dem Weg sind».

Kriegsverbrechen

Die Menschenrechtsgruppe «Human Rights Watch» erklärte, sie habe «offensichtliche Kriegsverbrechen» gegen ukrainische Zivilisten durch russische Streitkräfte dokumentiert. Die Organisation beruft sich auf Zeugenaussagen und spricht von Tötungen im Schnellverfahren, Vergewaltigungen und anderen Gewaltakten.

Die Organisation berichtet von einem Zeugen, der erzählt, dass die Russen im März fünf Männer zwangen, am Strassenrand niederzuknien. Ihnen wurde das Hemd über den Kopf gezogen, dann wurden sie erschossen.

Fälle von Kriegsverbrechen können vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gebracht werden. Doch es wäre «wahrscheinlich schwierig», die Gräueltaten vor Gericht zu beweisen, sagte David Scheffer, ein Experte für internationales Recht. «Die Umstände sind unbekannt. Wer sie hingerichtet hat. Wer ihre Hände gefesselt hat. Dies würde eine sehr schwierige und detaillierte Untersuchung erfordern.»

«Sehr klare Anzeichen von Kriegsverbrechen»

Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte am Montag, die Bilder von toten Zivilisten in Kiewer Vororten seien «unerträglich». Er sei dafür, neue Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Dem Radiosender France Inter sagte er, die Bilder zeigten «sehr klare Anzeichen von Kriegsverbrechen».

Obduktionen

Leichen von Zivilisten, die in der Region Kiew auf Strassen und in Hinterhöfen lagen, werden obduziert. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft wurden bereits 140 der 410 geborgenen Leichen untersucht. Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft haben Ermittlungen zu den Verbrechen in Bucha aufgenommen.

Uno-Sicherheitsratssitzung

Der Uno-Sicherheitsrat will sich am Dienstag auf Antrag Russlands mit den Ereignissen in Bucha befassen. Bei der Sitzung soll die «Provokation» des «Regimes in Kiew» und die «Verbreitung falscher Nachrichten» zur Sprache kommen. Dass man den Russen die Geschehnisse von Bucha in die Schuhe schiebe, sei das «nächste Verbrechen des Regimes in Kiew», sagte Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Aussenministeriums. Ziel sei es, die ukrainisch-russischen Friedensverhandlungen «zu stören». Ursprünglich war die Sitzung auf Montagabend angesetzt worden, wurde dann aber auf Dienstag verschoben.

Neue Flüchtlingswelle

Allein in den letzten drei Tagen sind erneut 38’650 Menschen aus der Ukraine geflüchtet. Dies meldet das UNHCR, das Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge. Seit dem russischen Überfall haben insgesamt 4’215 Millionen Menschen das Land verlassen. Hinzu kommen etwa 6,5 Millionen «Binnenflüchtlinge», also Menschen, die ihr Haus oder ihre Wohnung verlassen haben und irgendwo in der Ukraine selbst Zuflucht suchen.

Mariupol – Hauptziel der Russen

Der britische Militärgeheimdienst erklärt, die südukrainische Hafenstadt Mariupol sei jetzt wahrscheinlich das Hauptziel der russischen Angriffe. Die Stadt werde zur Zeit intensiv und wahllos angegriffen. Die ukrainischen Streitkräfte leisteten Widerstand und behielten die Kontrolle über Teil der Stadt. In Mariupol harren vermutlich noch etwa 170’000 Menschen aus.

Massenevakuierung aus Mariupol erneut gescheitert

Wegen der schweren Kämpfe in und um Matriupol musste das IKRK, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, am Montag einen neuen Versuch brechen, in die belagerte Stadt zu gelangen. Jason Straziuso, Sprecher des IKRK teilt mit, dass die Evakuierung aus Sicherheitsgründen nicht möglich gewesen sei. In den vergangenen Tagen wurden Evakuierungsversuche über die geplanten Fluchtkorridore abgebrochen, da die vereinbarten Feuerpausen nicht eingehalten wurden.

In der eingekesselten Stadt warten noch immer Zehntausende darauf, evakuiert zu werden. Das Rote Kreuz hatte am Freitag mitgeteilt, es hoffe, Tausende von Menschen mit einem Evakuierungskonvoi von etwa 54 Bussen und einer unbekannten Zahl von Privatfahrzeugen aus Mariupol herauszubringen.

Die Organisation teilte auch mit, dass sie zwei mit Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten gefüllte Lastwagen zurücklassen musste, nachdem sie von den Russen keine Genehmigung für die Lieferung der Hilfsgüter erhalten hatte.

In den letzten Tagen war es etwa 300 Menschen aus Mariupol auf eigene Faust gelungen, mit Privatautos die Stadt zu verlassen. Laut unbestätigten Berichten, wurden einige von ihnen beschossen. Der bekannte litauische Dokumentarfilmer Mantas Kvedaravicius wurde am Sonntag beim Versuch, die belagerte Stadt zu verlassen, getötet.

Russischer Truppenrückzug aus Sumy

Die russischen Streitkräfte haben begonnen, sich aus der nordostukrainischen Region Sumy zurückziehen. Dies sagte Dmytro Schywyzkyj, der Chef der Gebietsverwaltung der Region Sumy. Sumy, eine 270’000 Einwohner zählende Stadt nahe der russischen Grenze, war in den vergangenen Wochen immer wieder beschossen worden. Wie die Behörden mitteilen, wurden jetzt in der Region viele zerstörte russische Panzer gesehen.

Erneut Raketen auf Odessa, Mykolajiw und Cherson

Die südukrainischen Städte Odessa, Mykolajiw und Cherson sind in der Nacht zum Montag erneut mit Raketen beschossen worden. Dies melden ukrainische Medien und beziehen sich auf die Regionalverwaltungen. Details sind noch nicht bekannt.

(Wird laufend aktualisiert)

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