«Für eine Welt ohne Nazismus»: Unter diesem Slogan trat Wladimir Putin am Freitagnachmittag im Moskauer Olympia-Stadion auf. Dabei lobte er den «heldenhaften Einsatz» der russischen Armee in der Ukraine. Alle Pläne würden umgesetzt. Die am Fernsehen übertragene gross inszenierte Rede war plötzlich abgebrochen worden. Nach mehreren Minuten, während denen ein Schlagersänger sang, wurde die Ansprache in voller Länger gesendet. Dmitri Peskow, Putins Sprecher, sprach von einem technischen Server-Problem. Wie es dazu kommen konnte, ist unklar. Mehrmals in jüngster Zeit hatten Hacker das Staatsfernsehen gehackt.
Stockende Offensive
Während Putin die Heldentaten seiner Armee lobte, erklärten westliche Geheimdienste übereinstimmend, dass die russische Invasion zum Stillstand gekommen sei. Anstatt vorzurücken beschränken sich jetzt die Russen darauf, Städte und Dörfer zu umzingeln und zu bombardieren, was das menschliche Leid noch weiter vergrössert. Allein in Mariupol werden täglich bis zu 100 Bomben abgeworfen. Nach übereinstimmenden Berichten der Geheimdienste hat die russische Armee zehn Prozent ihrer Kampfkraft verloren.
Bibel-Zitat
Vor seiner Rede hatte Putin den Nationalen Sicherheitsrat getroffen. Putin sprach zum achten Jahrestag der Eroberung der Krim. Auf der Krim und im Donbass hätten sich Neo-Nazis und Nationalisten befunden, die sich immer wieder an der russischsprachigen Bevölkerung vergangen hätten, sagte er. Deshalb sei er gezwungen worden, diesen «Genozid» zu stoppen. Dazu bemühte er die Bibel: «Niemand hat grössere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.» (Johannes 15:13)
Bilder zeigen fahnenschwenkende Russinnen und Russen im offenbar vollbesetzten Moskauer Olympia-Stadion.
Wird laufend aktualisiert
- Putin rief Nationalen Sicherheitsrat ein
- Putin wandte sich in einer TV-Ansprache an das Volk
- Russische Offensive festgefahren
- 100 Bomben pro Tag auf Mariupol
- Behinderte Rettung im Theater von Mariupol
- Viele Tote in Tschernihiw
- Bomben auf Lwiw
«Immer neue unrealistische Vorschläge»
In einem Telefongespräch mit Kanzler Olaf Scholz warf Putin der Ukraine vor, nicht konstruktiv über eine Lösung des Konflikts zu verhandeln. Bei der am Montag begonnenen vierten Verhandlungsrunde zwischen einer ukrainischen und russischen Delegation würde «die ukrainische Seite den Prozess durch immer neue unrealistische Vorschläge» verzögern.
43’000 Menschen evakuiert?
Nach russischen Angaben konnten am Donnerstag 43’000 Menschen die seit Tagen belagerte und beschossene südukrainische Stadt Mariupol verlassen. Die Ukraine hat diese Angaben bisher nicht bestätigt.
«Niemand räumt die Trümmer weg»
Im beschossenen Theater von Mariupol sollen sich nach ukrainischen Angaben etwa 1300 Menschen befunden haben, also weit mehr, als zuvor angenommen. Über 100 von ihnen konnten gerettet werden. Eine weitere Bergung sei fast unmöglich, da die Gegend weiterhin beschossen und blockiert würde. Die Rettungsdienste seien durch die russische Blockade faktisch ausgeschaltet worden, erklärt der ukrainische Abgeordnete Serhij Taruta.
Die ukrainische Abgeordnete Olga Stefanyschyna spricht von 130 aus dem Theater geretteten Zivilisten. Es sei noch immer unklar, wie viele Verletzte und Tote es gebe. Die Stadt würde andauernd von russischen Truppen beschossen. Es gebe niemanden mehr, der die Eingeschlossenen retten könne. «Niemand räumt die Trümmer weg.»
100 Bomben pro Tag auf Mariupol
Nach Angaben des Stadtrats der südukrainischen Stadt Mariupol werden täglich 50 bis 100 Bomben auf die Stadt abgeworfen. Die Verwüstungen seien «gewaltig». 80 Prozent der Häuser und Wohnungen seien zerstört. Bisher seien 30’000 der fast 400’000 Einwohner der Stadt geflohen.
Angriffe auf Tschernihiw
Die nördlich von Kiew an der Grenze zu Russland und Belarus liegende Stadt Tschernihiw wurde auch in der Nacht zum Freitag mit Bomben und Artilleriegeschossen belegt. Hilfsorganisationen sprechen von einer «verzweifelten Lage». Viele Gebäude wurden zerstört. Man rechnet mit weit über hundert Toten.
Bomben auf Lwiw
In der an der Grenze zu Polen liegenden westukrainischen Stadt Lwiw (Lemberg) sind am Freitag früh drei Explosionen zu hören. Dies berichtet der Fernsehsender «Ukraine 24». Angegriffen wurde der Flughafen der Stadt, doch er ist nach Berichten der Stadtverwaltung nicht getroffen worden.
Der Mutmacher
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj richtete sich in der Nacht zum Freitag an die Bewohner der belagerten und schwer beschädigten Städte Mariupol, Charkiw und Tschernihiw. «Ihr werdet nicht im Stich gelassen», sagte er in einer Video-Botschaft. Von der Armee bis zur Kirche würden alle alles tun für die geprüften Menschen. «Ihr werdet frei sein.» Selenskyj dankte auch Präsident Biden für die erneute militärische Unterstützung. Deutschland hatte er am Donnerstag vorgeworfen, nicht genug für die Ukraine getan zu haben.
Putin «lässt nicht locker»
Der russische Präsident «lässt nicht locker und wird vielleicht sogar noch verzweifelter». Dies erklärt US-Aussenminister Antony Blinken. Er warnt Moskau erneut vor dem Einsatz chemischer Waffen.
«Elektrischer Schock»
Die russische Offensive hat nach Angaben des französischen Präsidenten Emmanuel Macron der Nato «einen elektrischen Schock, einen Weckruf» verpasst und das Bündnis neu belebt.
(Wird laufend aktualisiert)
Journal21