Die Spitzenkandidatin Michelle O’Neill (rechts) und die Parteichefin Mary Lou McDonald von der katholisch-republikanischen Sinn-Fein-Partei holen in den nordirischen Regionalwahlen einen historischen Sieg. (Keystone/AP Photo, Peter Morrison)
Seit dem Brexit steht die britische Krisenprovinz Nordirland nach einer längeren Phase gespannter Ruhe vor einer neuen Zerreissprobe. Die dort lebenden antagonistischen Volksgruppen der katholischen Iren und der protestantischen Briten streben seit jeher auseinander: Die einen suchen die Vereinigung mit der Republik Irland, die anderen wollen die Zugehörigkeit zu Grossbritannien festigen.
Seit der Brexit die Provinz durch eine in der irischen See gezogene Zollgrenze vom Mutterland abtrennt, bekommt Nordirland den Austritt aus der EU im Alltag empfindlich zu spüren.
Erstmals in der gut hundertjährigen Geschichte des zum Vereinigten Königreich gehörenden Landesteils wurde jetzt mit Sinn Fein eine Partei stärkste Kraft in der Northern Ireland Assembly, die sich für die Loslösung von Grossbritannien und die Vereinigung mit der Republik Irland einsetzt. Sie errang 27 Mandate und überflügelte damit die protestantische-unionistische DUP, die 25 Mandate erreichte. Sinn-Fein-Spitzenkandidatin Michelle O’Neill (45) hat nun Anspruch auf das Amt der Regierungschefin.
Michelle O’Neill erklärte nach der Wahl, sie sei zur konstruktiven Zusammenarbeit mit allen demokratischen Kräften bereit. Ihre Partei hatte im Wahlkampf das explosive Thema der irischen Wiedervereinigung im Hintergrund gelassen und stattdessen vor allem mit sozial- und gesundheitspolitischen Postulaten um Stimmen geworben.
Zur Regierungsbildung dürfte es vorerst jedoch nicht kommen. Nach dem als Karfreitagsabkommen bekannten Friedensschluss von 1998 müssen sich die jeweils stärksten Parteien beider konfessioneller Lager auf eine Einheitsregierung einigen. Doch die unterlegene DUP will die Regierungsbildung boykottieren. Der Provinz Nordirland droht damit die politische Lähmung.