Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter berät sich am gestrigen schweizerischen Nationalfeiertag auf dem Rütli mit ihrem Pressesprecher Pascal Hollenstein. Die Feier stand unter dem Motto Einheit und Vielfalt. Von Einheit oder Harmonie mit der Trump-Regierung im fernen Amerika kann allerdings in diesen Tagen nicht die Rede sein. Am Tag vor ihrem Auftritt auf dem Rütli hatte die Bundespräsidentin noch mit Trump telefoniert und dabei die Hiobsbotschaft bekommen, dass er die Schweizer Exporte in die USA mit Zolltarifen von 39 Prozent belasten will. Das ist mehr als zweieinhalb mal so viel wie die gegenüber den EU-Staaten veranschlagten Strafzölle. Keller-Sutter sagte dazu am Rande der Rütli-Feier, man müsse jetzt «aufstehen, Lösungen finden, arbeiten im Bundesrat».
Trump soll beim Telefongespräch mit der Bundespräsidentin ins Feld geführt haben, die USA würden im Handelsaustausch mit der Schweiz jährlich fast 40 Milliarden Dollar verlieren. Er erweckte offenbar den Eindruck, dass diese Beträge den USA gestohlen würden. Eine absurde Argumentation – als ob der laufende Handelsaustausch nicht durch rechtlich abgesicherte, beidseitig vereinbare Verträge abgewickelt würde.
Die Perplexität in der Schweiz über Trumps Zollhammer ist umso grösser, als man hierzulande weitherum angenommen hatte, die helvetische «Schwesterrepublik» zu den USA werde dank intensiven bilateralen Konsultationen im Vorfeld der Entscheidung eher günstigere Zollbedingungen aushandeln, als es den EU-Mitgliedern gelungen ist. Doch der wie immer unberechenbare Trump hat nun genau in die gegenteilige Richtung entschieden. Von «Verlässlichkeit als neue Währung», von der Bundespräsidentin Keller-Sutter in ihrer Rütli-Rede gesprochen hat, scheint er nicht das Geringste zu halten.
Wie es konkret weitergeht in der vertrackten Zollfrage mit den USA ist noch nicht eindeutig klar. Der Bundesrat wird versuchen, das Gespräch mit Washington umgehend weiterzuführen – in der vagen Hoffnung, dass eine für die Schweiz mildere Lösung, die sich zuvor auf unteren Verhandlungsebenen abgezeichnet zu haben schien, doch noch vereinbart werden könne.