
Der demnächst 90-jährige Dalai Lama, spirituelles Oberhaupt der Tibeter, gab am 2. Juli in einer aufgezeichneten Videobotschaft am Sitz seiner Exilregierung im indischen Dharamsala bekannt, dass er getreu dem Ritual des tibetischen Buddhismus seinen Nachfolger suchen lasse. Aus Peking kam postwendend geharnischter Widerspruch: China beansprucht das Recht, den Dalai Lama zu bestimmen.
Ob es auch in Zukunft einen Dalai Lama geben werde, war lange unklar. Selbst der jetzige Inhaber des Titels schürte Zweifel. Doch die hat das geistliche Oberhaupt Tibets jetzt ausgeräumt – zum Ärger Chinas. «Ich bekräftige, dass die Institution des Dalai Lama fortbesteht», sagte er in seinem Exil in Dharamsala im Norden Indiens. Zugleich betonte er, allein die Tibeter hätten das Recht, über die Wiedergeburt des Dalai Lama zu bestimmen.
Damit forderte er direkt China heraus, das Tibet kontrolliert. Aus Peking kamen nach der Ankündigung des Dalai Lama umgehend Kritik und Widerspruch. Eine Sprecherin des Pekinger Aussenministeriums bekräftigte, nur die chinesische Regierung habe das Recht, über die Reinkarnation des Dalai Lama zu entscheiden. Die Auswahl müsse in China erfolgen.
Peking sieht das tibetische Hochland als Teil des eigenen Territoriums und betrachtet den aktuellen Dalai Lama bis heute als Separatisten. Der seit Langem schwelende Konflikt um die Nachfolgeregelung für den Dalai Lama könnte dazu führen, dass zukünftig zwei Dalai Lamas sich die Rolle als geistliches Oberhaupt der Tibeter streitig machen. Der tibetische Buddhismus würde durch ein solches Schisma in eine existenzielle Krise geraten.