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Kolumne

Zeig mir, was du isst …

9. Januar 2017
Verena Stauffacher
... und ich sage dir, wer du bist! In Zeiten, in denen Individualität grossgeschrieben wird, ist es Zeit, meinen Speiseplan zu überdenken.

Das Leben ist kompliziert geworden. Ich meine jetzt nicht wegen der Billettautomaten, deren Bedienung eine Kombination von IT- und Geographiestudium voraussetzt.

Allesesser-Verhalten nicht im Trend

Ich rede auch nicht von den Telefonhotlines, bei denen mir eine Konservenstimme erklärt, welche Taste ich für welches Anliegen drücken muss, wonach ich in einer Warteschlaufe von Endlosmusik umsäuselt und schliesslich von jemandem (der womöglich in Indien sitzt) darüber aufgeklärt werde, dass ich die falsche Taste gedrückt habe und den Rundlauf deshalb nochmals von vorne beginnen muss.

Und schon gar nicht denke ich an Flüchtlingsströme, Wirtschaftsverknüpfungen, politische Wirrungen und andere globale Riesenprobleme, die niemand mehr durchschaut oder einzuordnen weiss. Ich rede schlicht vom Essen.

Dabei geht es doch um eine eigentlich simple Tatsache: Essen müssen wir alle. Bloss was?  Wenn ich all den Empfehlungen, Bedenken und Studien glauben will, die mich auf Schritt und Tritt zu verfolgen scheinen, ist mein bisheriges Allesesser-Verhalten des Teufels und ich werde keine hundert Jahre alt (was allerdings auch nicht mein Ziel ist). Zudem liege ich nicht im Trend und verpasse die Gelegenheit, mich wenigstens durch meine Essgewohnheiten von der gewöhnlichen Masse abzuheben, ein Muss in Zeiten, in denen Individualität nicht nur in Bezug auf die Rechtschreibung grossgeschrieben wird. Zeit also, meinen Speiseplan zu überdenken.

Veganes Futter für Hunde und Katzen – ethisch korrekt?

Folge ich den Vegetariern, die das Verspeisen von Tieren für unethisch halten? Den Veganern, die gleich alles Tierische aus ihrem und sogar dem Speisezettel ihrer Haustiere verbannen, weil Hühner oder Kühe ausgebeutet und manipuliert werden, wenn man ihnen Eier oder Milch wegnimmt? Auf Würste, Salami & Co. (für mich ur-tierische Produkte) müsste ich nicht einmal verzichten, weil eine pflanzliche Masse oder veganer Käse in charakteristischer Wurstform zum Kauf angeboten wird.

Allerdings frage ich mich: Wieso steht denn Wurst und Käse drauf, wenn doch weder das eine noch das andere drin sein darf? Und ist es überhaupt ethisch korrekt, Hunden und Katzen, von Natur aus Fleischfresser, veganes Tierfutter vorzusetzen? Werden die dann nicht auch manipuliert?

Was glutenfreie Produkte bei nicht Intoleranten bewirken

Vielleicht schliesse ich mich besser der Gluten-und-Lactose-frei-Fraktion an. Obwohl: Ich leide weder unter einer Gluten- noch einer Lactoseintoleranz. Wie übrigens ganz viele andere auch, die vor den von Getreideklebereiweiss- und Milchzucker-befreiten Produkten in den Regalen der Grossverteiler stehen. Will ich mich also von der Lebensmittelindustrie und dem Handel manipulieren lassen, die sich das Leiden wirklich Betroffener zunutze machen, dem aus Amerika importierten „Megatrend“ (O-Ton Detailhandel) folgen und aus dem Nischenangebot flugs überteuerte Lifestyle-Produkte in Massen kreieren?

Will ich nicht. Schon gar nicht, weil glutenfreie Produkte bei nicht Intoleranten angeblich den Blutzucker hochschnellen lassen. Das hat vermehrten Hunger und das Risiko zur Folge, dass man eher zu viel zu sich nimmt und dementsprechend an Gewicht zulegt.

Wie das Gehirn unterversorgt wird

Dann also vielleicht doch besser auf einen anderen Hype, auf die Low-Carb-proteinreich-Schiene aufspringen? Keine Kohlehydrate und viele Proteine lassen die Pfunde purzeln, so das Credo. Dumm nur, dass erhöhte Proteinmengen (laut einer Studie …) das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall steigen lassen und zudem das Gehirn unterversorgt ist, weil es die nötige Energie vor allem aus Kohlehydraten bezieht.

In meine Überlegungen einzubeziehen ist schliesslich der ökologische Aspekt. Bio ist obligatorisch, alles wird gestrichen, was per Flugzeug herbeigeschafft werden muss. Die trendigen, weil gesunden Avocados sowieso, denn für deren Anbau werden zudem auch noch illegal Wälder abgeholzt.

Das Auge isst mit

Den Apfel lässt man sich am besten direkt vom Hochstammbaum des nächsten Bauern in den Schoss purzeln (eine Herausforderung, wenn man mitten in der Stadt lebt). Und den im ungespritzten Naturprodukt wohnenden Wurm entlässt man auf dem Blatt eines nahen Baumes in die Freiheit.

Wie um alles in der Welt soll ich alledem gerecht werden? Doch vielleicht ist es ja weniger kompliziert, als ich meine: Wieso stelle ich nicht einfach das Essen ein und vertiefe mich in die schönen Bilder in meinen Kochbüchern? Denn das Auge isst ja bekanntlich mit.

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