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Will der Kreml bis zu einer Million Soldaten mobilisieren?

26. September 2022
Reinhard Meier
Reinhard Meier
Rekruten, Russland
Russische Rekruten steigen in der südrussischen Stadt Krasnodar in einen Bus ein. Aufnahme vom Sonntag (Foto: Keystone/AP Photo, File)

Die russische Führung hatte in der vergangenen Woche die Mobilisierung von rund 300’000 Reservisten für den Ukraine-Krieg angekündigt. Die im April vom Kreml verbotene unabhängige Zeitung «Nowaya Gazeta», die jetzt von geflohenen Mitarbeitern neu in Riga unter dem Titel «Nowaya Gazeta Europa» herausgegeben wird, meldet jedoch, dass gemäss Putins Mobiliserungsdekret bis zu einer Million Menschen neu für das Militär eingezogen werden können. Dies gehe aus dem geheim gehaltenen Artikel 7 dieses Dekrets hervor. Diese Darstellung soll vom Kreml-Sprecher bestritten worden sein. 

Russlands Mobiliserungsreserve umfasst nach Angaben der «Nowaya Gazeta» knapp 25 Millionen Wehrdienstpflichtige. Der russische Verteidigungsminister Schoigu hatte in der vergangenen Woche erklärt, man plane «1 Prozent, vielleicht 1,1 Prozent dieser gesamten Reserve einzuziehen. Das entspräche ungefähr der offiziell genannten Zahl von «bis zu 300’000» Reservisten.

Höhere Einberufungszahlen in den entfernteren Provinzen

Inzwischen hat sich nach Recherchen der «Nowaya Gazeta» und der ebenfalls von Riga aus betriebenen russischen Internetzeitung «Meduza» herausgestellt, dass diese Angaben nicht mit dem Wortlaut des amtlichen Mobilisierungsdekrets übereinstimmen. Nach diesen Angaben soll der Kreml die Möglichkeit haben, bis zu einer Million Menschen an die Front zu schicken und für die Zeit der Mobilisierung sollen keine Fristen gesetzt sein.

Vor allem aber sind gemäss den Angaben von «Nowaya Gazeta» die Zahl der Mobilisierungen in verschiedenen Regionen des Landes sehr ungleich verteilt. Der grösste Anteil an Wehrpflichtigen im Alter von 18 bis 50 Jahren soll auf die Stadt Sewastopol in der 2014 von Russland annektierten Krim entfallen. Laut dem lokalen Gouverneur können dort 4 Prozent seiner Reservisten einbezogen werden. Diese Rekrutierungs-Zahlen sind nach den erwähnten Quellen viel höher als diejenigen für Moskau und St. Petersburg, den beiden bevölkerungsreichsten Städten in Russland. Offenbar liegt dem Putin-Regime daran, in diesen urbanen Zentren die Zahl der Einberufungen niedrig zu halten, um so in der Öffentlichkeit nicht zusätzliche Kritik und Proteste auszulösen.

Junge Männer in Burjatien flüchten in die Mongolei

Schon vor Putins Entscheid für eine sogenannte Teilmobilisierung der Reservisten hatte es Indizien dafür gegeben, dass aus der sibirischen Region Burjatien um den Baikalsee überproportional viele Soldaten an den Kampffronten in der Ukraine eingesetzt wurden. «Nowaya Gazeta» berichtet nun, dass Männer in dieser Region schon Einberufungsbefehle bekommen hätten, bevor Putin die zusätzliche Mobilisierung ankündigte.

Im Bericht der Internetzeitung heisst es: «Burjatische Männer geben ihre Arbeit auf und fliehen in grossen Scharen in die Mongolei, wobei sie ihre Familien in Russland zurücklassen. In den sozialen Medien werden veschiedene Videos geteilt, in denen Männern geraten wird, in ihren Häusern zu bleiben, ihre Türen verschlossen zu halten oder sich in der Taiga zu verstecken.»

Hier der Link zum Bericht in englischer Übersetzung mit Bildern in der Nowaya Gazeta Europa.

 

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