Mark Rutte schwärmte im Weissen Haus von einem «Durchbruch», als Präsident Trump US-Sicherheitsgarantien für die Ukraine zusagte. Doch Trump hat das schon wieder zurückgezogen. Nach diesem Muster laufen zurzeit die Bemühungen, Putins Krieg zu stoppen.
Das Stichwort Sicherheitsgarantien hat am Montag Teilnehmer und Kommentatoren des Washingtoner Treffens elektrisiert. Schon im Vorfeld am Sonntag hatte der US-Sonderbeauftragte Steve Witkoff gesagt, man habe von den Russen die Zustimmung für die Etablierung westlicher Garantien nach dem Modell von Nato-Artikel 5, der gemeinschaftlichen Beistandsverpflichtung.
Als Trump im Weissen Haus nicht nur die Notwendigkeit einer solchen Gewährleistung bejahte, sondern gleich noch andeutete, er sehe die USA dabei aktiv beteiligt, und zwar allenfalls auch mit amerikanischen Truppen in der Ukraine, da spürte man als Zuschauer der Liveübertragung, wie sich die Stimmung im Raum mit gespannter positiver Erwartung auflud.
Die zur Begleitung Selenskyjs angereisten europäischen Regierungschefs samt EU- und Nato-Spitze bemühten sich daraufhin, Trump in seiner Einsicht in die Notwendigkeit einer robusten amerikanischen Beteiligung an einer Friedenssicherung zu bestärken. Allerdings merkte man, sie trauen der Sache im Grunde nicht und versuchen deshalb, mit Schmeicheleien den befürchteten Rückfall des Gastgebers in sein übliches Desinteresse an Europa im Allgemeinen und an der Ukraine im Besonderen zu verhindern.
Es war, wie sich schon am Tag danach zeigte, vergeblich. Im Gespräch mit seinem Lieblingssender Fox News stellte Trump klar, amerikanische Truppen in der Ukraine werde es keinesfalls geben. Eine anderweitige Beteiligung der USA an Sicherheitsgarantien, die von den Europäern zu stemmen seien, schloss er zwar nicht völlig aus, aber sein Rückzieher versetzte der kleinen Euphorie, die Witkoff und er bei den Europäern ausgelöst hatten, dennoch einen Dämpfer. Witkoff hatte in Moskau etwas falsch verstanden und Trump hatte sich auf der Basis des Berichts seines Sonderbeauftragten gewohnt grosssprecherisch und wolkig geäussert – Diplomatie auf Amateurniveau (Trump und Witkoff sind gelernte Immobilienspekulanten).
Trumps Meinungen und Zusagen sind notorisch volatil. Vor Anchorage hatte er klar und deutlich einen Waffenstillstand gefordert. Beim Washingtoner Treffen versuchten die Europäer auf dieser Zusage aufzubauen. Doch da hatte Trump seine Position schon wieder gewechselt: Die meisten Friedensschlüsse würden ohne Waffenstillstände erlangt, behauptete er. Jedenfalls seien die sechs Kriege, die er, Trump, in den letzten sechs Monaten beigelegt habe, jeweils ohne Waffenstillstand beendigt worden.
Er wolle nun noch den letzten verbleibenden Krieg, den in der Ukraine, zu einem Ende bringen. Ganz abgesehen davon, dass Trump in seiner Aufzählung ein paar schreckliche Kriege (Sudan, Myanmar) vergisst, ist die von ihm beanspruchte Friedensstifterrolle in den Konflikten Indien/Pakistan, Israel/Iran, Ruanda/Demokratische Republik Kongo, Kambodscha/Thailand, Serbien/Kosovo und Armenien/Aserbaidschan teils überzogen, teils umstritten. Aber was soll’s, er will halt den Friedensnobelpreis.
Dass Trump nun keinen Waffenstillstand mehr fordern will, ist vermutlich weniger seiner eminenten friedenspolitischen Expertise als dem psychologisch raffinierten Einwirken Putins in Anchorage zuzuschreiben. Es hat sich schon länger gezeigt, dass Trump dem Kremlherrscher ganz einfach nicht gewachsen ist. Putin kann mit ihm machen, was er will. Die Begegnung der beiden war für Trump einmal mehr von himmelschreiender Peinlichkeit. Dies umso mehr, da er als TV-Entertainer eigentlich um die Wirkung solcher Bilder, wie er sie in Alaska wieder einmal abgegeben hat, wissen müsste.
Auch Trumps markige Androhung sehr schmerzhafter Sanktionen gegen Russland, falls die Waffen nicht schwiegen und Friedensverhandlungen weiter auf sich warten liessen, ist nach Anchorage geräuschlos vom Tisch. Stattdessen dringt der US-Präsident auf Gebietsabtretungen der Ukraine an den Angreifer. Mehr noch, er gibt Selenskyj die Schuld am Krieg, da dieser nicht zu Konzessionen bereit sei – eine Halsstarrigkeit, die ihm als dem Schwächeren in diesem Konflikt nun mal nicht zustehe. Beiläufig schafft es Trump sogar, Selenskyj dafür anzuprangern, den Krieg begonnen zu haben.
Trotz alldem haben Beobachter in Anchorage und Washington auch Positives gesehen: Keiner der Exponenten ist ausfällig geworden, die Atmosphäre war bemüht freundlich, es wurde kein diplomatisches Geschirr zerschlagen, der Konflikt nicht verschärft. Zudem bestand die Aussicht auf ein bilaterales Treffen Putins mit Selenskyj, in dessen Folge ein Dreiertreffen mit Beteiligung Trumps stattfinden würde. Das blieb allerdings höchst vage und wurde von den Russen bereits wieder abgeräumt. Und mehr als diese weichen und gar illusorischen Punkte steht nicht auf der Haben-Seite von Anchorage und Washington.
Erkauft ist der lediglich symbolische Erfolg mit Trumps Selbsterniedrigung in Anchorage und einer Wallfahrt von Europas Top-Leuten nach Washington zum Schutz des ukrainischen Präsidenten vor Trumps gefürchteten Launen. Was als hartes Resultat nach diesen vorschnell als «historisch» bezeichneten Meetings bleibt, sind drei zwar nicht neue, nun aber in brutaler Deutlichkeit zutage getretene Dimensionen des Ukraine-Problems.
Erstens: Putin weicht keinen Millimeter von seinen Maximalforderungen ab und wird das, wenn er nicht mit dem vollen Druck europäisch-amerikanischer Sanktionen gezwungen wird, auch weiterhin nicht tun. Alle seine Forderungen zielen darauf, die Entwicklung einer demokratischen, erfolgreichen, europäischen Ukraine in seiner Nachbarschaft zu verhindern – und zwar radikal: indem er sie als eigenständigen Staat auslöscht.
Zweitens: Trump ist nicht interessiert, den Westen als Wertegemeinschaft im Zeichen von Freiheit und Recht zu erhalten. Er versteht Politik als ein Dealmaking, bei dem er Vorteile für die USA und sich persönlich herausschlagen will. Von einer Politik der stabilen Allianzen hält er nichts. Sie behindert ihn bloss beim Anleiern von Deals, die dann jeweils zu nichts weiter verpflichten.
Drittens: Die angereisten Europäer haben ausgerechnet mit ihrem Bemühen um einen starken gemeinsamen Auftritt ihre skandalöse Schwäche demonstriert. Die EU ist schwach durch ihre Abhängigkeit von einstimmigen Beschlüssen (ein Orban reicht, um wirkungsvolle Sanktionen gegen Russland zu verhindern), und Gesamteuropa leidet unter seinem selbstverschuldeten Verlust von militärischen Machtressourcen, die einem Putin Respekt abfordern könnten.
Anchorage und Washington geben wenig Hoffnung für den Frieden in der Ukraine und die Widerstandskraft Europas. Um endlich Politik für eine stabile europäische Friedensordnung machen zu können, sollte man zuerst einmal die unangenehmen Wahrheiten akzeptieren.