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Kommentar 21

Welche Botschaft Trumps gilt für die Ukraine?

4. Juli 2025
Reinhard Meier
Reinhard Meier
Patriot-Abwehrsysteme, Soldaten
Deutsche und ukrainische Soldaten vor Patriot-Luftabwehrsystemen bei einem Besuch von Präsident Selenskyj in Deutschland im Juni 2024. Deutschland hat mehrere dieser Abwehrsysteme an die Ukraine geliefert und stellt weitere in Aussicht. Die Regierung Trump hat einen vorläufigen Stopp solcher Lieferungen angekündigt. (Foto: Keystone/EPA, Jens Büttner)

Die Trump-Regierung will zumindest einen Teil der bereits bewilligten Waffenlieferungen an die Ukraine stoppen. Gleichzeitig betont das Aussenministerium, dass die USA an ihrer Unterstützung der Ukraine festhalten. Trump hat erneut mit Putin über den Ukraine-Krieg telefoniert, ohne Fortschritt bei der Waffenstillstandsfrage. 

Im Kreml hatte man diese Woche wieder einmal Gelegenheit, über die Ukraine-Politik der Trump-Regierung zufrieden die Hände zu reiben. Zur Nachricht aus Washington, dass das US-Verteidigungsministerium entschieden habe, wesentliche Teile der bereits beschlossenen Waffenlieferungen an die Ukraine zur Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg zu stoppen, erklärte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag scheinheilig: Je weniger Waffen der Ukraine zur Verfügung gestellt werden, «desto näher rückt das Ende der (russischen) militärischen Spezialoperation». Gemeint ist natürlich: Ohne westliche Waffenlieferungen müsste die Ukraine kapitulieren und der Kreml könnte dem Nachbarland seinen Diktatfrieden aufzwingen. 

Fragwürdige Erklärungen

Ob diese simple Rechnung so schnell aufgehen würde, ist keineswegs gewiss. Vieles spricht dafür, dass die Ukrainer, die inzwischen über eine starke Armee und eine wachsende eigene Waffenproduktion verfügen, sich auch ohne ausländische Hilfe mit aller Kraft und allen Mitteln eines zähen Partisanenkrieges gegen eine neue Unterwerfung unter die Moskauer Knute zur Wehr setzen würden. 

Dennoch ist die Nachricht, dass die laufende Waffenhilfe aus Amerika zumindest teilweise ausgesetzt werden soll, ein harter Schlag für die Ukraine. Trump selber und sein Verteidigungsminister Hegseth begründen die Entscheidung damit, dass die Waffen- und Munitionsbestände für die eigenen Streitkräfte wegen der Militärhilfe an andere Länder wie Israel oder die Ukraine knapp geworden seien. Besonders gravierend für die Ukraine erscheint der Umstand, dass von dem angekündigten Lieferstopp auch die modernen Luftabwehrsysteme Patriot und die dafür benötigten Geschosse betroffen sein sollen. Die russischen Angreifer haben in den letzten Wochen ihre nächtlichen Raketen- und Drohnen-Attacken gegen ukrainische Städte und Industrieanlagen gnadenlos ausgedehnt. Zusätzliche Abwehrkapazitäten werden dringend benötigt. 

Ohnehin werfen die unpräzisen Ankündigungen Washingtons zu einem vorläufigen Lieferstopp und deren vage Begründungen ein dubioses Licht auf die Entschlossenheit der Trump-Regierung, dieses Land in seinem Kampf gegen den russischen Aggressor militärisch und politisch wirksam zu unterstützen. Wenn es sich nur um eine temporäre Einstellung der Militärhilfe handelt, hätte man das ja der ukrainischen Regierung diskret mitteilen können, ohne damit die schwer geprüfte dortige Öffentlichkeit zu verschrecken und die russische Propaganda und ihre Mitläufer zum Applaus zu inspirieren. 

Das US-Aussenministerium beschwichtigt

Zudem ist das Argument, dass Amerikas eigene Waffenbestände durch die Auslandslieferungen beunruhigend ausgedünnt würden, ohne genauere Angaben wenig überzeugend. Die USA leisten sich kaum bestritten die stärksten Streitkräfte der Welt und geben mit weitem Abstand am meisten Geld dafür aus. Dass die Waffenlieferungen an die Ukraine dieses gewaltige militärische Potenzial ernsthaft beeinträchtigen könnten, erscheint höchst fraglich. Noch vor kurzem hatte Trump bei einem Treffen am Rande des Nato-Gipfels in Den Haag dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj erklärt, er werde sich darum bemühen, der Ukraine zusätzliche Patriot-Luftabwehrsysteme zu schicken. Jetzt soll laut Trump Amerika ausgerechnet von diesen Systemen zu wenig für seine eigene Sicherheit zur Verfügung haben. Dass die USA mit der Unterstützung der Ukraine gegen den expansiven Aggressor Putin auch die eigene Sicherheit und diejenige seiner europäischen Bündnispartner verteidigt, scheint Trump noch nicht richtig begriffen zu haben. 

Das Bild von der Richtung der amerikanischen Ukraine-Politik wird auch durch jene Stellungnahme nicht übersichtlicher, die das US-Aussenministerium nach der Bekanntgabe über die Zurückhaltung von bewilligten Waffenhilfen veröffentlichte. In einem Bericht der «Kyiv Post» aus Washington heisst es, im dortigen Aussenministerium werde betont, das grundsätzliche Engagement für die Ukraine werde selbstverständlich fortgesetzt. Und die noch von Präsident Biden freigegebenen und die vom Kongress bereits bewilligten Finanzmittel für die Waffenhilfe an die Ukraine würden immer noch zur Verfügung stehen. Möglicherweise hat diese Botschaft auch der amerikanische Botschaftsvertreter in Kiew übermittelt, als er wegen der Nachrichten über gestoppte Waffenlieferung ins dortige Aussenministerium zitiert wurde. Doch für die ukrainische Bevölkerung und die Kämpfer an der Front sind solche diplomatische Beschwichtigungen wohl ein schwacher Trost. 

Trump «not happy» nach Telefon mit Putin 

Inzwischen hat Trump am Donnerstag in Sachen Ukraine und anderer weltpolitischer Brennpunkte erneut mit Putin telefoniert. Es ist, soweit bekannt, das sechste direkte Gespräch zwischen den beiden Machthabern und soll rund eine Stunde gedauert haben. Laut der «New York Times» hat Trump später dazu offen erklärt, es habe bei diesem Kontakt keinerlei Fortschritte für einen Waffenstillstand in der Ukraine gegeben. Und er sei «not happy», dass dieser Krieg unverändert weiterlaufe. Trump hat offenbar gegenüber Putin auch keine neuen Druckmassnahmen angedroht, falls Moskau sich weiter weigert, auf das amerikanisch-ukrainische Angebot für eine temporäre und bedingungslose Waffenruhe einzugehen. Putin soll einmal mehr als Voraussetzung eine Einigung zur Lösung der sogenannten «Grundursachen» für diesen Krieg gefordert haben. Diese Einigung läuft auf eine praktische Kapitulation Kiews gegenüber allen russischen Forderungen hinaus, inklusive umfangreiche Gebietsabtretungen, weitgehende Entwaffnung der ukrainischen Armee, Verzicht auf weitere ausländische Waffenlieferungen und definitive Absage an eine Nato-Mitgliedschaft. 

Welche Perspektiven Trump für akzeptable Entwicklungen in der Ukraine bei seiner angekündigten Fortsetzung der Gespräche mit Putin vor diesem Hintergrund noch erkennen kann, bleibt sein Geheimnis. Das Risiko für ihn ist jedenfalls nicht kleiner geworden, dass er in der Geschichte dereinst als ein politischer Hauptverantwortlicher für den Untergang einer unabhängigen Ukraine und für einen entsprechenden Triumph des Diktators Putin dastehen wird. Trump hat nach dem jüngsten Kontakt auch ein Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten angekündigt. Man fragt sich, welchen Ton er diesmal gegenüber Selenskyj anschlagen wird, nachdem er diesen bei früheren Gelegenheiten schon mit bösartigen Vorwürfen und gönnerischem Wohlwollen eingedeckt hatte.

Echter Friede und falscher Friede

Der frühere Sicherheitsberater von Präsident Biden, Jake Sullivan, hat diese Woche die widersprüchlichen Signale der Trump-Regierung gegenüber der Ukraine in einem Kommentar für die «New York Times» als «zynisches Spiel» kritisiert. Die Ankündigung einer temporären Unterbrechung der US-Waffenhilfe werde Russland nur ermutigen, den Angriffskrieg gegen das Nachbarland fortzusetzen und eine akzeptable Friedenslösung verhindern. Auch Sullivan argumentiert, die Behauptung, der Hauptgrund für den Lieferunterbruch gehe auf Bedenken wegen der Waffenvorräte der US-Armee zurück, sei nicht glaubwürdig. Denn die meisten Lieferungen an die Ukraine erfolgten nicht aus solchen Vorräten, sondern aus direkten Bestellungen bei US-Rüstungsunternehmen, wodurch zusätzliche Arbeitsplätze und Steuereinnahmen generiert würden. 

Um Putin zu einem Waffenstillstand zu treiben, brauche es mehr Waffenhilfe für die Ukraine, nicht weniger, schreibt der frühere US-Sicherheitsberater. Unter anderem sollte Washington den europäischen Verbündeten vorschlagen, Patriot-Raketen und andere Luftabwehrsysteme in den USA einzukaufen, um diese an die Ukraine weiterzuliefern. Er schlägt weiter vor, die USA sollten die EU-Staaten dazu ermutigen, die rund 300 Milliarden Dollar aus russischen Devisenreserven und Privatvermögen, die in diesen Ländern wegen des Überfalls auf die Ukraine eingefroren wurden, zu beschlagnahmen und für die Waffenhilfe und den Ausbau der ukrainischen Verteidigungsindustrie zu investieren. Sollte es zu einer derartigen Verwendung der in Europa beschlagnahmten russischen Gelder kommen, würde das mit Sicherheit auch für die Schweiz schwierige Entscheidungen aufwerfen.

In Wirklichkeit gehe es, schreibt Bidens früherer Sicherheitsberater, um die Alternative zwischen einem echten Frieden, der durch eine vom Westen gestärkte Ukraine bei ernsthaften Verhandlungen erreicht werde, oder einem falschen Frieden, der durch die pauschale Anerkennung von Putins Forderungen zustande käme. 

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