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Schweiz - Europa

Weg von der europapolitischen Nabelschau (Teil 2)

7. September 2013
Daniel Woker
In der Aussensicht zeigt sich, warum und wie schweizerische Europapolitik geändert werden sollte.

«Auch unsere Freunde verstehen uns nicht mehr.» (Zitat aus dem internen Schlussbericht des schweizerischen Vertreters bei der EU, Jacques de Wattenwil, wie anlässlich seiner Ernennung zum Staatssekretär am 3.9.13 in schweizerischen Medien veröffentlicht.)

Die gegenwärtige Krise von EU und Eurozone geht primär auf noch ungenügende und verschleppte politische Strukturreformen in Süd- und Osteuropa zurück. Sie ist noch nicht überwunden, beginnt aber abzuklingen. Das Mittel, den erforderlichen Reformdruck aufrecht zu erhalten, wird aller Voraussicht nach mehr Europa, nicht weniger sein. In dieser schwierigen Phase fehlt der EU Zeit und Lust auf das Luxusproblem eines zögerlichen und konservativen Europäers, wie ihn die Schweiz in der Perspektive von aussen darstellt, speziell einzugehen.

Wenig Verständnis für die Position der Schweiz

Verständnis für den Schweizer Alleingang ist um so weniger zu erwarten, als die EU, neben ihrer traditionellen und andauernden – aktuell Kroatien, zukünftig Serbien – Friedensfunktion in Europa immer stärker durch eine zweite Kernaufgabe gefordert wird: der machtpolitische Erhalt Europas auf Augenhöhe mit anderen Weltmächten im globalen Konzert und Wettstreit des 21., voraussichtlich asiatischen Jahrhunderts. Auch davon ist die Schweiz direkt und zunehmend betroffen.

Hätten wir vor zehn Jahren noch die von der Schweiz damals ausgeschlagene Möglichkeit gehabt, mit den USA ein Freihandelsabkommen abzuschliessen, so ist dieser bilaterale Zug nun endgültig abgefahren. Von den künftigen transatlantischen Verhandlungen zum weltgrössten Wirtschaftszusammenschluss zwischen den USA – und damit auch NAFTA – einerseits und der EU andererseits bleiben wir ausgeschlossen. Ebenso von entsprechenden europäischen Verhandlungen mit den Schwergewichten in Asien, neben welchen der vermeintliche Glanz unseres bilateralen Abkommens mit China schnell verblassen wird.

EU-Mitgliedschaft der Schweiz sinnvoll

 Als Mitglied könnten wir hier im Innern der EU mit Rat und Tat teilnehmen. Dies wäre eine sinnvollere Tätigkeit als die Abnützungsschlachten um Holocaustgelder, Bankgeheimnis und ungenügende Unternehmensbesteuerung, ausgefochten zudem gegen unsere wirklichen Partner im Westen. Es sind Auseinandersetzungen, in welchen die Blüte der schweizerischen Handels- und Finanzdiplomatie und ihr Know-how in aussichtslosen Rückzugsgefechten – das Terrain wird später ohnehin aufgegeben – vergeudet wird.

Dieses Know-how könnte zudem, wäre die Schweiz EU-Mitglied, sinnvoller für eine vorurteilslose Prüfung des Beitritts auch zur Eurozone eingesetzt werden. Im Gegensatz zu den EU-Mitgliedern, welche dieser fernbleiben, wie etwa Grossbritannien und Schweden, ist der Euro bereits die zweite Währung der Schweiz auf fiskalischer (de facto fixierter Wechselkurs), kommerzieller (Vorteile der Einheitswährung für die Exportindustrie) und individueller (ausländische Touristen, schweizerische Einkauftouristen im benachbarten Ausland) Ebene. Dabei ist durchaus vorstellbar, dass sich nach der Verflüchtigung der von europhoben Nationalisten bei solchen Überlegungen geworfenen Nebelpetarden zeigen wird, dass die Vorteile einer Einführung des Euro überwiegen. Der traditionelle Nachteil des tieferen Zinsniveaus in der Schweiz wiegt jedenfalls nicht mehr schwer, sind doch die Zinsen im Euro-Raum im Moment und auf absehbare Zeit ebenfalls tief.

Ein europäisches Land wie jedes andere

Aus europäischer Sicht ist die Schweiz ein europäisches Land wie jedes andere. Alle anderen sind entweder Mitglied der EU oder wollen es werden (Balkan) oder sind doch auf dem Weg dazu (Norwegen, Island). Die Mitgliedschaft in der EU ist ein selbstverständliches Geburts- und Naturrecht jedes europäischen Landes, keine aussenpolitische Alternative unter anderen: Ich bin ein europäisches Land, also bin ich EU-Mitglied.

Die rechtsnationale Tendenz im UK mit der Forderung nach einem EU-Austritt wird von allen vernünftigen Briten sowie von seinen wichtigsten Bündnispartnern, speziell den USA, als gefährlicher Unsinn abgetan. Das rohstoffreiche, aber bevölkerungsarme Norwegen mit seinem Staatsfonds, der sich rasch der unvorstellbaren Summe von einer Trillion Euro nähert, könnte theoretisch ganz ohne EU leben, hat das aber praktisch überhaupt nicht im Sinn, im Gegenteil.

Die Schweiz in der Sackgasse

Wir in der Schweiz müssen so rasch als möglich begreifen, dass wir isolierte europäische Aussenseiter sind. Wir haben uns in eine Sackgasse verrannt, aus der nur ein Beitritt herausführt. Das hat auch Konsequenzen für die innenpolitische Diktion: Die sogenannten Euroturbos sind tatsächlich Eurorealisten, alle anderen sind entweder Euroschnecken oder rechtnationalistische Europhobiker. Eine einzige grosse schweizerische Partei, wenn auch nicht alle ihrer Protagonisten, spricht sich ausdrücklich für einen EU-Beitritt aus; allen anderen ist der Vorwurf – zumindest – europapolitischer Träumerei zu machen. Sie müssen die angeblichen Vorteile eines Alleingangs belegen.

Generell ist also die in der bisherigen schweizerischen Europapolitik fälschlicherweise geltende Beweislast umzukehren: Die Europhoben müssen die Vorteile ihrer Position beweisen, jene der Eurorealisten sind offensichtlich, sobald man sich von der innenpolitischen Nabelschau löst.

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