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Nahost

Vergeltung für Vergeltung

2. Oktober 2024
Raketen auf Israel
Mindestens 180 Raketen feuert Iran auf Israel ab. Der Angriff erfolgt kurz nach Beginn der israelischen Bodenoffensive in Libanon. In ganz Israel ertönen Sirenen des Luftalarms. Pentagon-Sprecher Pat Ryder erklärt, Israel habe die meisten Raketen erfolgreich abgefangen. Die iranische Revolutionsgarde (IRGC) gibt hingegen bekannt, dass ihre Streitkräfte zum ersten Mal Fattah-Überschallraketen eingesetzt haben. Iran behauptet, 90 Prozent der Trägerraketen hätten ihre Ziele getroffen. Nach israelischen Angaben haben die iranischen Raketen wenig Schaden angerichtet. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schwört Vergeltung. (Foto: X)

Die am Dienstagabend auf Israel abgeschossenen 180 ballistischen iranischen Raketen haben nach israelischen Angaben wenig Schaden angerichtet. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Vergeltung geschworen. Am zweiten Tag der israelischen Bodenoffensive in Libanon sind acht israelische Soldaten getötet und fünf verwundet worden.

Die meisten iranischen Raketen wurde mit Hilfe der USA und ihrer Verbündeten abgefangen. Der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin bestätigte, dass die US-Streitkräfte mehrere iranische Raketen abgeschossen hätten. Einige Geschosse waren in der Nähe des Hauptquartiers des israelischen Geheimdienstes Mossad eingeschlagen. Angegriffen wurde auch der israelischen Luftwaffenstützpunkt Nevatim in der Negev-Wüste. Das israelische Militär veröffentlichte ein Video von einem Schulgebäude in Gedera, einer Stadt in Zentralisrael, das getroffen wurde. Berichte über Verletzte in Israel gibt es nicht. Ein Palästinenser wurde im besetzten Westjordanland durch herabfallende Granatsplitter getötet.

Gedera
Die Schule in Gedera nach dem iranischen Angriff (Keystone/EPA/Abir Sultan)

Es war der bisher grösste iranische Angriff auf Israel. Er dauerte eine Stunde lang. Fotos und Videos von den Trümmern des Raketenbeschusses lassen vermuten, dass Iran einige seiner modernsten Waffen eingesetzt hat. Die New York Times zitiert Experten, die erklären, es habe sich möglichweise um Fattah-Raketen gehandelt, die Iran bisher noch nicht eingesetzt hat.

Arad
Die Trümmer einer ballistischen iranischen Rakete, die nahe der Stadt Arad in Südisrael niederging. Es war der bisher grösste iranische Angriff auf Israel. Er dauerte eine Stunde lang. Fotos und Videos von den Trümmern des Raketenbeschusses lassen vermuten, dass Iran einige seiner modernsten Waffen eingesetzt hat. Die New York Times zitiert Experten, die erklären, es habe sich möglichweise um Fattah-Raketen gehandelt, die Iran bisher noch nicht eingesetzt hat. Hunderttausende Israeli hatten in Bunkern Schutz gesucht. Da um Mitternacht kein weiterer iranischer Beschuss erwartet wurde, verliessen die meisten Menschen ihre Schutzräume wieder. (Foto: Keystone/AP/Ohad Zwigenberg)

Hunderttausende Israeli hatten in Bunkern Schutz gesucht. Da um Mitternacht kein weiterer iranischer Beschuss erwartet wurde, verliessen die meisten Menschen ihre Schutzräume wieder.

An die Adresse Irans gerichtet sagte US-Präsident Joe Biden: «Machen Sie keinen Fehler, die USA stehen voll und ganz hinter Israel.» Das Pentagon teilte am Montag mit, dass es «mehrere Tausend» zusätzliche US-Soldaten in die Region schickt, zusätzlich zu den 40’000 Soldaten, die bereits vor Ort sind.

Iran erklärt, der Angriff sei eine Vergeltung für die Tötungen von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah und des politischen Führers der Hamas, Ismail Haniyeh. Der Angriff habe sich auf militärische Ziele beschränkt. Mohammad Bagheri, Irans oberster Militäroffizier, sagte im staatlichen Fernsehen, die Raketen hätten drei Militärbasen und das Hauptquartier des israelischen Geheimdienstes Mossad getroffen. Sollte Israel zurückschlagen, werde Iran weitere Angriffe starten, erklärte Bagheri.

Iran nicht an einem Krieg interessiert?

Nach dem iranischen Angriff auf Israel äusserte sich am Mittwoch erstmals der iranische Regierungssprecher. Fatemeh Mohajerani erklärte gegenüber Journalisten, Iran sei «absolut nicht» an einem grösseren Krieg interessiert. «Das sollten sie wissen», sagte er. Israel sei für die regionale Eskalation verantwortlich. Teheran sei zur Selbstverteidigung gezwungen.  

Ajatollah Ali Khamenei, der iranische Revolutionsführer, nahm am Mittwoch an einer Zeremonie teil und sagte: «Alle Probleme in der Region sind auf Einmischung der USA und ihrer Verbündeten zurückzuführen.» Der Angriff am Dienstagabend sei «Vergeltung für verschiedene Attentate Israels und die Verbrechen in Palästina und in Libanon». 

Ali Khamenei
Ali Khamenei am Mittwoch (Keystone/EPA/Iranisches Präsidentenbüro)

«Heftiger israelischer Vergeltungsschlag» erwartet

Laut amerikanischen Experten hat die jüngste Entwicklung die Gefahr eines direkten Krieges zwischen zwei der mächtigsten Armeen im Nahen Osten stark erhöht. Netanjahu bezeichnet den iranischen Angriff als «grossen Fehler». Iran werde dafür «bezahlen». Und: «Das Regime in Iran versteht nicht, dass wir entschlossen sind, uns zu verteidigen und Vergeltung an unseren Feinden zu üben», erklärte Netanjahu am späten Dienstagabend.

Nach Angaben der israelischen Armee sind mehrere Luftwaffenstützpunkte bei dem iranischen Angriff beschädigt worden. Konteradmiral Daniel Hagari, der israelische Militärsprecher, sagte jedoch, der iranische Angriff habe «keine Auswirkungen» auf die Einsatzfähigkeit der israelischen Luftwaffe gehabt. Israel werde bei Angriffen «weiterhin im Nahen Osten mit aller Macht zuschlagen». In der Region steigt die Angst vor einem grossen Krieg.

Die linksliberale israelische Zeitung Haaretz schreibt: «Mit der jüngsten Eskalation rückt Israels Krieg mit der Hamas und sogar mit der Hisbollah auf den zweiten Platz hinter dem israelisch-iranischen Konflikt. Die USA, weniger als fünf Wochen vor den Präsidentschaftswahlen, werden wahrscheinlich gegen ihren Willen in die Konfrontation hineingezogen.» Haaretz erklärt, Israel sei jetzt «in einen regionalen Krieg verwickelt». Es werde ein «heftiger israelischer Vergeltungsschlag» auf den iranischen Beschuss erwartet.

Acht Israelische Soldaten gefallen

Am Mittwoch früh setzte Israel die am Vortag begonnene Bodenoffensive im Süden von Libanon fort. Dabei hat die Hisbollah nach eigenen Angaben israelische Truppen, die in der Nähe der Stadt Odaisseh in Südlibanon eingedrungen waren, angegriffen und zurückgeschlagen, ihnen Verluste zugefügt und sie zum Rückzug gezwungen. Dies berichtet der katarische Sender Al-Jazeera. 

Das israelische Militär bestätigte am Mittwoch den Tod des ersten Soldaten während der Kämpfe in Libanon. Ein 22-jähriger Truppenkommandant der Kommandobrigade der israelischen Streitkräfte sei «während der Kämpfe gefallen», hiess es in einer Erklärung der israelischen Armee. Kurz darauf wurde der Tod sieben weiterer israelischer Soldaten bekanntgeben. 

Getötete israelische Soldaten
Die acht am Mittwoch in Südlibanon getöteten israelischen Soldaten (Bilder: Israelische Sicherheitskräfte IDF)

Fünf israelische Soldaten wurden zum Teil schwer verwundet und ins Beilinson-Krankenhaus in Zentralisrael überführt.

Mehr als 150 «terroristische Infrastrukturen» zerstört

Am frühen Mittwoch hatte das israelische Militär die Bewohner des Südlibanon aufgefordert, ihre Häuser und Dörfer zu verlassen und sich nördlich des Awali-Flusses (Nahr al-Awali) niederzulassen. Dieser befindet sich 45 Kilometer von der israelisch-libanesischen Grenze entfernt. 

Gemäss einer Erklärung der israelischen Armee haben die israelischen Verbände «Gefechte aus nächster Nähe» geführt. Mehr als 150 «terroristische Infrastrukturen» seien zerstört und «Terroristen» seien «eliminiert» worden.

Mohamed Afif, der Sprecher der Hisbollah, sagte Reportern in Beirut, dass die von Iran unterstützte Gruppe in Aadeyseh mit israelischen Truppen zusammengestossen sei. In einer separaten Erklärung hiess es, dass es in dem südlibanesischen Dorf Maroun Al-Ras zu Zusammenstössen mit israelischen Soldaten gekommen sei.

Die libanesische Armee erklärte am Mittwoch, israelische Soldaten hätten die libanesisch-israelische Grenze überquert und seien 400 Meter auf libanesisches Gebiet vorgedrungen. Anschliessend hätten sich die Israeli zurückgezogen. «Eine feindliche israelische Streitkraft durchbrach die Blaue Linie, um etwa 400 Meter auf libanesisches Gebiet in den Gebieten von Khirbet Yaroun und Aadeyseh und zog sich dann nach kurzer Zeit zurück», teilte die Armee mit. Die Blaue Linie ist die von der Uno gezogene Demarkationslinie zwischen Libanon und Israel. 

Die Blaue Linie ist eine Anspielung auf das Grenzgebiet, das Israel und den Libanon voneinander trennt.

Zusätzliche israelische Division in Südlibanon

Inzwischen hat das israelische Militär bekanntgegeben, dass es eine zusätzliche Division in den Südlibanon entsende. Ein Division besteht normalerweise aus 10’000 Soldaten. Trotz dieser enormen Aufstockung betonte die Armee erneut, die Operation in Südlibanon sei «begrenzt, lokal und gezielt». Im bergigen und hügeligen Südlibanon vermuten die Israeli Zehntausende Raketenstellungen der Hisbollah. 

Israelische Panzer
Israelische Panzer an der Grenze zu Libanon (Keystone/AP/Baz Ratner)

Im vergangenen Monat verlegte das israelische Militär die 98. Elitedivision aus dem Gazastreifen in den Norden Israels. Jetzt erklärt das Militär, die 36. israelische Division und weitere Kräfte würden sich an den Operationen gegen die von Iran unterstützte Hisbollah beteiligen. Der Division gehören Soldaten der Golani-Brigade, der 188. gepanzerten Brigade und der sechsten Infanteriebrigade an, so ein Armeesprecher. Sie werden von der israelischen Luftwaffe und der 282. Artilleriebrigade begleitet, hiess es weiter.

Leuchtraketen
Mittwochmorgen: Ein israelischer Apache-Helikopter schiesst nahe der israelisch-libanesischen Grenze Leuchtraketen ab. (Foto: Keystone/AP/Baz Ratner)

Angriffe auf Beirut

Israel hat auch am Mittwoch Angriffe auf Stellungen in der libanesischen Hauptstadt Beiriut geflogen. Dabei wurden nach Angaben der saudischen Nachrichtenagentur Al-Arabiya vier Wohntürme zerstört. Gemäss Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums waren am Dienstag 55 Menschen getötet und 156 verwundet worden. 

Beirut
Das Bild stammt vom Mittwochmorgen. Es zeigt Trümmer und Rauch nach einem israelischen Angriff in der Beiruter Vorstadt Dahieh (Dahiyeh). (Foto: Keystone/AP/Hassan Ammar)
Beirut
Während die Landoffensive im Süden Libanons intensiviert wird, bombardieren israelische Kampfjets fast täglich die libanesische Hauptstadt. (Keystone/EPA/Wael Hamzeh)
Beirut
Dahieh (Dahiyeh) (Foto: Keystone/AP/Hassan Ammar)

Schiesserei in Tel Aviv

Zwei Palästinenser eröffneten nach israelischen Angaben am Dienstagabend in Tel Aviv das Feuer auf eine Strassenbahn. Dabei starben mindestens sechs Menschen. Kurz zuvor hatten die israelischen Behörden die Bevölkerung aufgerufen, in Luftschutzbunkern Schutz zu suchen.

(Journal 21 mit Associated Press, BBC, Haaretz, CNN, New York Times, Washington Post, Al-Jazeera)

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