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Zuwanderung

Unsere Regierung und das Volk

1. Juni 2025
Christoph Zollinger
Christoph Zollinger
Schmid, Dettling
25. Februar 2025: Nationalrat und Parteipräsident Marcel Dettling, SVP-SZ, rechts, und Nationalrat Pascal Schmid, SVP-TG, sprechen in Bern an einer Medienkonferenz zur Asylpolitik. (Keystone/Peter Schneider)

Das Unbehagen in der Bevölkerung wächst. Werden Migrationsprobleme mit kriminellen Ausländern von den zuständigen Behörden heruntergespielt? Oder dienen sie der SVP als willkommenes Propagandamaterial? Entspricht gar beides den Tatsachen?

Eines kann nicht wegdiskutiert werden: Bei den meisten Abstimmungen und Wahlen in letzter Zeit zählte die SVP zu den Siegern. Wer mit Politikerinnen und Politikern, Medienschaffenden, politisch interessierten Menschen diskutiert, hört überall die gleiche Begründung: Asylwesen, Migration, Ausländerkriminalität, Überbevölkerung, Wohnungsknappheit – all dies treibt immer mehr Frauen und Männer in diesem Land in die Reihen der SVP. Wer mit Menschen spricht, die die Mehrheit repräsentieren – nicht die oben genannten Gruppierungen –, hört überall: «Wir haben zu viele Asylanten! Für diese wird gesorgt, werden Unterkünfte bereitgestellt, sie verstopfen die Notfallaufnahmestellen unserer Spitäler und gefährden unsere Sicherheit.» Und, und, und …

Woher kommen sie?

80 Prozent der Zuwanderung kommt aus Europa. Hier ist primär die inländische Nachfrage nach Arbeitskräften der Motor. Die Personenfreizügigkeit ist also nicht das Problem. Dies ist im Hinblick auf die neuen Verträge mit der EU («Bilaterale III») wichtig. Dass es durchaus Lösungen zur Senkung dieser hohen Zuwanderung gibt, ist ein Thema für einen anderen Beitrag.

Der Sonderfall Schweiz

Die eingangs erwähnten und medial geschürten Eindrücke verdichten sich zum problematischen Bild, es gebe in der Schweiz vier Blöcke, alle gegeneinander, unfähig eine tragfähige Lösung zu finden: die Bundespolitik, die Volkspartei (SVP), alle übrigen politischen Parteien, und das Volk. Wenn dieses Bild nicht trügt, ist es höchste Zeit, dass jemand diesem unproduktiven, unmöglichen Zustand ein Ende bereitet. Jemand? Unsere Regierung.

Was heisst das? Offiziell bedeutet es: Die wichtigste Aufgabe des Bundesrats ist das Regieren. Er beurteilt laufend die Lage, legt die Ziele und Mittel des staatlichen Handelns fest, leitet die Umsetzung und vertritt den Bund nach innen und aussen (Erklärung zur Bundesverfassung).

Liegt es also am Bundesrat, «die wichtigste Aufgabe» zu definieren? Wenn in weiten Kreisen der Bevölkerung offener oder verborgener Unmut über die gegenwärtige Situation im Land herrscht – wäre das nicht eine wichtige Aufgabe? Wenn zudem klar ersichtlich ist, worauf sich diese Unzufriedenheit bezieht – müsste der Bundesrat nicht den Grund definieren und das staatliche Handeln festlegen?

Also: Artikel 121 der Bundesverfassung lautet: «Die Gesetzgebung über die Ein- und Ausreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern sowie über die Gewährung von Asyl ist Sache des Bundes.»

Alles klar? 

Die EU und die Asylanten

Das Asylproblem ist längst auch in unseren Nachbarländern, ja der ganzen EU, ein Brocken, der alle Landesregierungen beschäftigt. Als Beispiel diene Deutschland, dessen neue Koalitionsregierung aus konservativer Union und den Sozialdemokraten im April/Mai 2025 neue Regeln betreffend Einreise von Asylsuchenden beschloss. Davon ist auch die Schweiz betroffen. 

Nächstes Jahr soll zudem der neue EU-Migrationspakt in Kraft treten. Bekanntlich sollte dieser das Schengen-Dublin-System retten. Ob dies gelingen wird – es wäre zu hoffen. Bekanntlich gibt es innerhalb der EU zurzeit Länder, die sich um solche Regeln foutieren. Der geplante Migrationspakt umfasst Folgendes: Die EU-Aussengrenze wird stärker kontrolliert. Die Dublinregeln werden überarbeitet. Und schliesslich: EU-Staaten mit besonders hohem Asylanten-Andrang (Italien, Griechenland) müssten auf Entlastungshilfe der anderen EU-Staaten zählen können.

So sehr diese letzte Klausel im Prinzip einzuleuchten vermag – Solidarität in schwierigen Zeiten –, so unklar dürften ihre Folgen sein: Nicht undenkbar ist doch, dass gerade dadurch auf diese beiden Länder ein zusätzlich anschwellender Asylantenstrom zukommt.

Guter Rat ist teuer 

Unser Asylminister Beat Jans lässt verlauten, dass er bereit wäre, noch mehr Asylanten als bisher aufzunehmen (NZZ), um der EU «entgegenzukommen». Da mag man sich fragen, was damit gemeint ist. «Er» (Beat Jans) definiert die wichtigste Aufgabe und das entsprechende Handeln des Bundesrates? Und wie verhält es sich mit den Ausführungsbestimmungen in der Bundesverfassung: «Der Bundesrat entscheidet als Kollegium (im Einvernehmen)»? Sollte darüber nicht eher das Volk, der Souverän, zu entscheiden haben?

In seinem Buch «Schattenseiten der Migration» kritisiert der forensische Psychiater Frank Urbaniok die westlichen Demokratien für ihre Unfähigkeit, Migrationsprobleme zu lösen (Tages-Anzeiger). «Manche Ausländergruppen seien deutlich krimineller als Schweizer, sagt Frank Urbaniok. Das … müsse in der Asylpolitik endlich berücksichtigt werden» (NZZ am Sonntag). Auch diese Thematik trägt zur Verschärfung der Asylproblematik bei. Urbaniok wirft dem Staat Handlungsunfähigkeit vor, was die Gesellschaft gefährde. 

Dass dies Rechtsextremisten und -populisten in die Hände spielt und diese deshalb überall auf dem Vormarsch sind, mit dieser Feststellung hat Urbaniok wohl Recht. 

Fazit

Müsste sich unsere Regierung nicht fragen, wohin dieser Trend führt? Wenn sie sich von der problemverniedlichenden Seite zeigt («uns sind die Hände gebunden»), der EU in vorauseilender Gefälligkeit entgegenkommt, im Zweifelsfall pro Migration und in der Vollziehung abgewiesener Asylanten nicht konsequent ist, immer mehr Mittel für die Integrationspolitik aufwendet, wird dies je länger, je weniger von einer Mehrheit des Schweizer Volkes befürwortet. Dass diese geballte Unzufriedenheit der SVP-Politik und ihren Parolen immer mehr Applaus beschert – und damit das Gegenteil dessen ist, was einer ausgewogenen eidgenössischen Haltung entspricht –, muss das sein?

Warum tragen die übrigen politischen Parteien zu dieser ungemütlichen Entwicklung bei – auf ihren überholten oder klassenkämpferischen Parolen verharrend, die Stimmung im Volk ignorierend? 

Und das Volk? Warum sich nicht wieder vermehrt in die tagesaktuelle Politik einmischen? Weshalb zeigt die stärkste politische Kraft – Frauen und Männer ausserhalb politischer Parteien, zum Beispiel «Parteilose» – Desinteresse am helvetischen Entscheidungsfindungsprozess? Sich im Nachhinein über falsche politische Trends zu beklagen, ist unproduktiv und nicht zukunftskompatibel.

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