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Ecuador

«Un poco extraño»

14. April 2025
Heiner Hug
Valbonesi, Noboa
Daniel Noboa und seine Frau Lavinia Valbonesi (Keystone/AP/Fernando Vergara)

Die Wahlkommission hat den bisherigen rechtsgerichteten Präsidenten Daniel Noboa zum klaren Sieger der gestrigen Präsidentschaftswahl erklärt. Die unterlegene linksgerichtete Luisa González akzeptiert das Ergebnis nicht und verlangt eine Neuauszählung. Tatsächlich irritiert die Höhe des angeblichen Sieges von Noboa.

Beim ersten Wahlgang am 7. Februar dieses Jahres erzielte Noboa 44,17 Prozent der Stimmen. Nur 0,17 Prozent mehr als Luisa González. Da niemand das absolute Mehr erreichte, war der gestrige zweite Wahlgang nötig. In der Zwischenzeit ist es der Linken gelungen, einen grossen Teil des wichtigen indigenen Wählerpotentials ins Boot zu holen. Leonidas Iza, der einflussreiche Präsident der Konföderation der Indigenen Völker von Ecuador, hatte González seine Unterstützung zugesagt. Aus diesem Grund sagten viele Beobachter, González würde es diesmal zum Sieg reichen.

Meinungsumfragen widersprachen sich zwar, sahen jedoch mehrheitlich einen Erfolg der linken Kandidatin voraus. 

Von 0,17 auf 11 Prozent!

Und jetzt plötzlich soll laut Angaben der Wahlbehörde Daniel Noboa 56 Prozent der Stimmen erhalten haben: Elf Prozent mehr als seine Herausfordererin. Vor vier Wochen ein Plus von 0,17 Prozent, jetzt elf Prozent? «Un poco extraño», sagte ein spanischer Kommentator. Ein bisschen seltsam.

Natürlich wirft die Linke dem Sieger vor, die ecuadorianische Oligarchie, zu der Noboa gehört, habe die Wahlen manipuliert. «Ecuador erlebt den groteskesten Wahlbetrug in seiner Geschichte», sagte González. Beweise dafür gibt es vorläufig keine. 

Luisa González
Luisa González am Wahlabend (Keystone/EPA/Jose Jacome)

Fünf Mal um die Präsidentschaft beworben

Noboa stammt aus einer der reichsten Familien des Landes. Sein Vater, Álvaro Noboa, war Besitzer von Bananenplantagen («Bonita Banana») und mehreren Handelsunternehmen. Laut der «New York Times» waren die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen scharf kritisiert worden. «Human Rights Watch» sprach von Kinderarbeit und einer Unterdrückung der Gewerkschaften. 

Noboa Senior hatte sich mit einem rechtspopulistischen Programm fünf Mal um die Präsidentschaft beworben – vergebens. Sein Sohn, der jetzt 37-Jährige, schaffte es. 

Den Teufel an die Wand gemalt

Daniel Noboa gelang es, mit dem Erbe seines Vaters zu brechen und sich ein modernes Image zuzulegen. Er will Steueranreize für Unternehmen schaffen, den Justizapparat stärken, die Cyberkriminalität bekämpfen und das Strafvollzugssystem verbessern. Noboa Junior, ein IT-Freak, spricht vor allem die Jungen an, denen er bessere Ausbildungsplätze verspricht. Unterstützt wurde Noboa nicht nur von der Wirtschaft, sondern teilweise auch von der Kirche und dem Militär. 

Mit harter Hand, und vor allem publikumswirksam, ging er ab und zu gegen die Drogenmafia vor. Seine Partei malte immer wieder den Teufel an die Wand und erklärte, Luisa González wolle Ecuador in ein neo-sozialistisches Land verwandeln. Allerdings ist ihr Programm eher sozialdemokratisch denn sozialistisch.

Fast gar nichts erreicht

So wunderlich das jetzige Resultat der Wahlen anmutet – es ist kaum anzunehmen, dass die Wahlbehörde eine Neuauszählung der Stimmen verfügt. Noboa muss jetzt also zeigen, dass er es besser macht als während seiner ersten Amtszeit. Denn erreicht hat er bisher von all seinen bombastischen Versprechen fast gar nichts.

Die Drogenkriminalität nimmt weiter zu. Ecuador ist einer der weltweit grössten Umschlagplätze für Rauschgift. Vor allem Kokain aus Kolumbien und Peru wird von hier aus in die USA, nach Europa und nach Asien verschifft. Zwar schickte Noboa das Militär auf die Strassen und in die Gefängnisse, konnte aber die Macht der Drogenmafia nicht brechen. 

Der Phönix lahmt

Zudem ist Ecuador eines der Länder mit der höchsten Mordrate. Auch Frauenmorde sind an der Tagesordnung. Noch nie wurden so viele Menschen getötet wie in diesem Januar und Februar. Dazu kommen Erpressungen, Raubüberfälle und Anschläge. Das einst ruhige Ecuador ist heute eines der unsichersten Länder der Welt. Natürlich war Noboa erst 17 Monate im Amt. In einer solch kurzen Zeit können keine Wunder erwartet worden. Doch dass trotz enthusiastischem Selbstlob alles in diesen 17 Monaten nur noch schlimmer wurde, muss ihm vorgehalten werden.

Auch die Wirtschaft stagniert. Noboa hatte versprochen, Ecuador werde unter ihm wie der «Phönix aus der Asche» steigen. Dieser Phönix wirkt zur Zeit ziemlich lahm und verzweifelt. Es gelang dem Präsidenten nicht, neue Investoren ins Land zu holen und die Arbeitslosigkeit zu senken. Ein Drittel der Bevölkerung ist arm, zum Teil sehr arm. In seinem letztjährigen ersten Amtsjahr erlebte Ecuador eine Rezession. Für dieses Jahr sieht das statistische Amt ein schwaches Wachstum von zwischen 1,0 und 1,3 Prozent voraus. Das bringt keinen Aufschwung.

Mit Hilfe seiner Frau

Was könnte den stolzen Sieg Noboas erklären? Er pflegt seit jeher enge Beziehungen zu Donald Trump. Hofften die Wählerinnen und Wähler deshalb, dass Ecuador mit Noboa eine Sonderbehandlung des amerikanischen Präsidenten erhielte? Anders als Noboa ging González auf Distanz zu Trump. Noboa und seine Frau sind eigentliche Bewunderer des US-Präsidenten und hatten ihn in Mar-a-Lago besucht. 

Im Gegensatz zur linken Kandidatin bearbeitet Noboa die sozialen Netzwerke intensiv und spricht vor allem die urbane Gesellschaft an. Seine Gattin, die 27-jährige Lavinia Valbonesi, eine umtriebige Geschäftsfrau und sehr aktive und teils rabiate Influencerin, hat sicher zum Sieg ihres Ehemannes beigetragen. 

Noboa steht vor schweren Zeiten

Zu den grössten Fehlern der linken Luisa González gehörte wohl, dass sie erklärte, sie wolle ihre Beziehungen zum venezolanischen Quasi-Diktator Nicolás Maduro normalisieren. Auch ihre enge Beziehungen zum teils verhassten früheren ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa haben ihr offenbar geschadet.

Der wiedergewählte Daniel Noboa geht schweren Zeiten entgegen. Jetzt muss er zeigen, was er kann. Nun genügen Social-Media-Kampagnen nicht mehr. Jetzt muss er endlich Resultate liefern. 

Bisher gibt es nicht die geringsten Anzeichen dafür, dass er ein Rezept zur Bekämpfung der Drogenkriminalität, zur Bekämpfung der Gewalt und zur Linderung der Armut hat.

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