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USA

Trumps Waterloo

7. Januar 2021
Heiner Hug
Der demokratische Kandidat Rev. Raphael Warnock nach der Stimmabgabe am Dienstag in Marietta (Georgia) (Foto: Keystone/EPA/Erik S. Lesser)
Der demokratische Kandidat Rev. Raphael Warnock nach der Stimmabgabe am Dienstag in Marietta (Georgia) (Foto: Keystone/EPA/Erik S. Lesser)
Der Noch-Präsident kassiert Ohrfeige um Ohrfeige. Jetzt verliert seine Partei auch die beiden Senatssitze in Georgia an die Demokraten. Das hat entscheidenden Einfluss auf die amerikanische Politik der nächsten Jahre.

Die Senatswahlen im amerikanischen Bundesstaat Georgia enden mit einer Sensation. Die beiden demokratischen Kandidaten entreissen den Republikanern die beiden Senatssitze.

Der Demokrat Raphael Warnock gewann gegen die bisherige republikanische Senatorin Kelly Loeffler. Joe Biden hat Warnock zu seinem Sieg gratuliert.

Obwohl längst noch nicht alle Stimmen ausgezählt waren, erklärte Kelly Loeffler um 02.00 Uhr früh (MEZ) an einer Wahlveranstaltung in Atlanta: „Wir haben die Wahl gewonnen.“ Inzwischen hat sie ihre Niederlage noch nicht eingestanden. Loeffler hatte ihren Gegenspieler Raphael Warnock als „radikalen Marxisten“ bezeichnet.

Ossoff gewinnt „sehr wahrscheinlich“

Auch das Rennen um den zweiten Senatssitz gewinnen die Demokraten. Der 33-jährige Demokrat Jon Ossoff war gegen den bisherigen republikanischen Senator David Perdue angetreten. Ausgezählt sind 98 Prozent der Stimmen. Ossoff liegt mit 35'615 Stimmen vor Perdue.

Nachzählung?

Liegt ein Kandidat weniger als 0,5 Prozent hinter dem anderen, kann er eine Nachzählung verlangen. Ossoff hat einen Vorsprung von 0,4 Prozent der Stimmen. Perdue könnte also eine Nachzählung verlangen. Doch es wäre äussert unwahrscheinlich, dass das Resultat kippen würde.

Joe Biden hatte die Präsidentschaftswahl in Georgia mit einem Vorsprung von rund 12'000 Stimmen gewonnen. Drei Nachzählungen hatten in etwa das gleiche Resultat ergeben.

Trump (t)wittert Wahlbetrug

Gabriel Sterling, einer für die Wahlen verantwortlicher republikanischer Regierungsbeamter von Georgia, erklärte am Mittwoch früh gegenüber CNN, wenn die Republikaner einen oder zwei Sitze verlieren, „dann fällt die Schuld direkt auf die Schultern von Donald Trump“.

Trump hat bereits von Wahlbetrug getwittert.

Die Wahlen hatten nationale, wenn nicht internationale Bedeutung. Es ging darum, ob es den Republikanern gelingt, den Senat zu halten und damit Biden das Leben schwer zu machen. Die Republikaner hätten nur einen der zwei Sitze gewinnen müssen, um den Senat weiterhin zu dominieren. Damit hätten sie Bidens Politik blockieren können – und es ihm erschweren, seine Regierung zu besetzen und seine politische Agenda durchzusetzen.

„Ich habe die Wahl gewonnen“

Am Montag hatten der Noch-Präsident und der neue Präsident an Abschlusskundgebungen in Georgia ihre Anhänger aufgefordert, in die Wahllokale zu strömen.

Trump trat an der Seite der beiden republikanischen Kandidaten David Perdue und Kelly Loeffler auf. In seiner anderthalbstündigen Tirade gegen die „gestohlenen Wahlen“ erwähnte er sie allerdings kaum und stellte vor allem sich in den Mittelpunkt. CNN kommentiert: „Der Präsident spuckte vor einer wütenden Menge Lügen, Verschwörungstheorien und unsinnig falsche Behauptungen von Wahlbetrug aus.“

„Es ist unmöglich, dass wir Georgia verloren haben“, sagte Trump zu Beginn seiner Rede. „Ich habe zwei Wahlen gehabt. I’ve won both of them. Es ist erstaunlich.“

Eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage der Nachrichtenagentur Associated Press zeigt, dass in Greorgia 56 Prozent der Wählerinnen und Wähler Trumps Argument, am 3. November sei es zu Wahlbetrug gekommen, nicht billigen. 

Kelly Loeffler überschüttete Trump mit Komplimenten und erklärte, sie werde am Mittwoch im Kongress gegen Biden stimmen. Der amerikanische Kongress wird am Mittwoch die Wahl Bidens „zertifizieren“. Dutzende republikanische Abgeordnete und Senatoren erklärten, sie würden gegen Biden stimmen.

Kelly Loeffler schmeichelt Trump. Gewinnt man damit Komplimente? (Foto: Keystone)
Das Jahr beginnt schlecht für Donald Trump. Kelly Loeffler, eine «hundertprozentige Anhängerin» von Trump und ihr republikanischer Kollege David Perdue verlieren die heiss umstrittenen Senatswahlen im Südstaat Georgia. (Foto: Keystone/AP/Brynn Anderson)

Die Wahlen wurden überschattet durch das am Wochenende bekannt gewordene Telefongespräch, das Trump mit Brad Raffensperger, dem Innenminister von Georgia, geführt hatte. Darin verlangte der Präsident, dass 11’780 Pro-Trump-Stimmen „gefunden“ werden müssten, um das Endergebnis zu seinen Gunsten zu drehen. Trump drohte Raffensperger mit Konsequenzen, falls er dem Präsidenten nicht entgegenkomme.

Starke demokratische Mobilisierung

Den Demokraten ist es gelungen, mehr Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren als im ersten Wahlgang am 3. November. Trumps Lügen und Unterstellungen haben offenbar einige Tausend Republikaner davon abgehalten, an den Wahlen teilzunehmen.

Die Stichwahl in Georgia war nötig geworden, weil bei der Senatswahl am 3. November keiner der Kandidaten das in Georgia nötige absolute Mehr erreicht hat.

Der republikanische Amtsinhaber David Perdue verpasste allerdings im ersten Wahlgang die 50-Prozent-Hürde nur äusserst knapp. Er kam auf 49,7 Prozent. Sein Herausforderer ist der Demokrat Jon Ossoff, der 88’000 Stimmen hinter Perdue lag.

Beim zweiten Rennen versuchte die Republikanerin Kelly Loeffler ihren Sitz im Senat zu verteidigen. Sie wurde vom demokratischen Baptistenpfarrer Raphael Warnock bedrängt. Warnock kam im ersten Wahlgang auf 32,9 Prozent der Stimmen und Loeffler auf 25,9 Prozent.

Vermutlich haben Trumps verzweifelte, irrlichternde Auftritte der letzten Tage und Wochen den beiden republikanischen Kandidaten geschadet. 

Die New York Times schrieb am Dienstag: „Mr. Trump hat sich seinen Weg an die Macht gebahnt, indem er das republikanische Establishment tyrannisiert hat – und die Parteiführer machen sich nun Sorgen, dass er sie mit sich herunterziehen könnte.“

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