Die US-Drohkulisse vor der Küste Venezuelas wird international geflissentlich ignoriert. Dabei ist es offensichtlich, dass Trump einen Regime Change erzwingen will. Mit seiner offensiven Strategie bringt er sich in Zugzwang. Das bedeutet Krieg.
Donald Trump steuert auf einen Krieg der USA gegen Venezuela zu. Einen Flugzeugträger und weitere Kriegschiffe mit total 15’000 Soldaten liess er in die Karibik verlegen. Eine Seeblockade hat er schon befohlen, drei mit Öl beladene Tankschiffe wurden bereits gekapert und durch Angriffe auf kleine, angeblich mit Drogen beladene Boote sind bisher mehr als hundert Menschen umgebracht worden.
Jetzt spricht Trump auch schon von baldigen militärischen Aktionen auf venezolanischem Territorium – und die sogenannte zivilisierte Weltgemeinschaft schaut untätig zu. Keiner Regierung kommt es in den Sinn, eine Sitzung des Uno-Sicherheitsrats zu fordern, keine wagt es, den US-Präsidenten wenigstens zu bitten, seinen Furor für einen Augenblick zu bremsen und der Diplomatie eine Chance zu geben.
Fadenscheinige Rechtfertigungen
Man kann einwenden, der Präsident Venezuelas, Nicolas Maduro, halte sich unrechtmässig an der Macht, habe die letzten Wahlen (2024) manipuliert, tyrannisiere einen Teil seiner 28 Millionen Untertanen und ruiniere durch Dilettantismus die Wirtschaft seines Landes. Donald Trump beschuldigt den Diktator Venezuelas ausserdem, er sei der Chef eines Drogenkartells und daher verantwortlich für den in den USA weit verbreiteten Missbrauch von Drogen. Aus diesem Grund sei eine militärische Aktion vonseiten der USA ein Akt der Selbstverteidigung.
Das wirkt ziemlich fadenscheinig. Die meisten in den USA konsumierten Drogen stammen aus anderen Ländern (Mexiko oder Kolumbien werden da meistens an erster Stelle genannt); aus Venezuela stammen, so die Recherchen von allen auf das Thema spezialisierten Instituten, maximal sieben Prozent. Und das Völkerrecht, auf das sich auch die Vereinigten Staaten verpflichtet haben, verbietet die Intervention durch einen anderen Staat, wenn dieser selbst nicht attackiert worden ist.
Also, wenn nicht Drogen, was bleibt dann noch an Argumenten? Klar: Erdöl. Donald Trump erklärte ja auch schon offen, die USA hätten ein Recht auf die Erdölquellen und die für die Extraktion dienenden Anlagen. Venezuela habe all das von den Vereinigten Staaten «gestohlen».
Pragmatische Ölgeschäfte trotz Hochspannung
Venezuela hat weltweit die umfangreichsten Ölreserven. Viele Anlagen wurden von US-Konzernen installiert. In den siebziger Jahren (also noch in der Ära des damals von den USA hochgelobten Präsidenten Carlos Andrés Pérez) wurde die venezolanische Erdölindustrie nationalisiert, allerdings auf eine Weise, die es US-Konzernen weiterhin erlaubte, sich am «schwarzen Gold» aus Venezuela zu bereichern.
Das änderte sich unter den Präsidenten Chavez und Maduro nur graduell. Der US-amerikanische Chevron-Konzern konnte weiterhin aktiv bleiben, ja er erhielt sogar noch im November dieses Jahrs eine neue Konzession und ist selbst jetzt, in einer Zeit der Hochspannung zwischen Caracas und Washington, in Venezuela tätig. Chevron-Tankschiffe verkehren weiterhin unbehelligt zwischen der venezolanischen Küste und Raffinerien in den USA. Mit anderen Worten: auch in dieser Krisenzeit werden bilateral Geschäfte gemacht, und daran stört sich in Washington offenkundig niemand.
Deshalb die Frage: Wenn es dem US-Präsidenten nicht um Drogen oder Erdöl geht, was bleibt dann noch als Argument für einen Krieg? Die Antwort ist einfach: Trump wünscht sich einen Regimewechsel in Caracas, eine Neuordnung, für die er sich dann ein weiteres Mal als globaler Friedensstifter lobpreisen könnte (acht Mal hat er ja, nach eigener Einschätzung, schon weltweit Konflikte beendet …). Er hofft darauf, dass Nicolas Maduro sich durch die Drohungen aus Washington, den militärischen Aufmarsch in der Karibik und die wirtschaftliche Einschnürung dazu gezwungen sieht, sein Amt aufzugeben und irgendwohin ins Exil zu gehen. Eine künftige neue Heimat hat ihm allerdings nur der Diktator von Belarus im kalten Nordosten Europas angeboten.
Geradewegs auf den «Point of no return» zu
Was aber, wenn das nicht passiert, wenn Maduro durchhält und sich innerhalb Venezuelas auch keine Aufstände ereignen? Dann gerät Trump unter den von ihm selbst geschaffenen Zugzwang: Er, der nie eine Niederlage eingesteht, kann ja nicht seinen Flugzeugträger und die ganze schon aufgefahrene Kriegsflotte mit rund 15’000 Mann einfach so wieder abziehen – dann «muss» er in einen Krieg ziehen, den er selbst eigentlich nicht wollte.
Dieser «Point of no return» rückt von Tag zu Tag näher. Die ganze Welt weiss und sieht das – und hüllt sich weitgehend in Schweigen. Keine europäische Regierung protestiert offen gegen das Vorgehen Donald Trumps. Frankreich, Grossbritannien und die Niederlande ermahnten die USA zwar zur Einhaltung des Völkerrechts, aber das war’s dann auch schon. Die Europäische Union wagt kein Statement. Der schweizerische Bundesrat hat zur Zurückhaltung aufgerufen, viel mehr ist nicht zu erwarten. Denn, wer weiss, was Trump tun würde, müsste er sich offene Kritik anhören! Vielleicht wieder Zölle erhöhen. Und aus Lateinamerika kommen zwiespältige Stimmen: Der rechtsgerichtete Präsident Argentiniens, Javier Milei, ist voll des Lobes für Trump, nur Brasiliens Präsident Lula da Silva und die Präsidentin Mexikos wagten sich mit offener Kritik vor. Wohl im Wissen, dass das alles nicht genügen wird, um einen Donald Trump auch nur im Geringsten zu beeinflussen.