«Russland wird gezwungen sein, Vergeltungsmassnahmen zu ergreifen, sowohl militärisch-technischer als auch anderer Art, um die Bedrohungen für seine nationale Sicherheit zu neutralisieren.» Mit diesen Worten reagiert Moskau auf die Absicht Finnlands und Schwedens, der Nato beizutreten. Im Bild der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu während der Militärparade am vergangenen Montag in Moskau.
In einer Erklärung des russischen Aussenministeriums heisst es, eine Nato-Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens würde die bilateralen Beziehungen sowie die Sicherheit und Stabilität in Nordeuropa ernsthaft beeinträchtigen.
Zuvor hatten der finnische Präsident und die finnische Ministerpräsidentin das Land aufgefordert, «unverzüglich» einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Nato zu stellen.
Moskau hat bisher nicht erklärt, welche Schritte Russland zu unternehmen gedenkt.
Finnland hat eine über 1’300 km lange gemeinsame Grenze mit Russland. Am Donnerstag hatte das finnische Parlament über die Nato-Mitgliedschaft beraten. Am Sonntag soll der Antrag offiziell bekannt gegeben werden. Am gleichen Tag will auch Schweden einen Antrag auf eine Nato-Mitgliedschaft stellen.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, er erwarte, dass der Prozess der Aufnahme Schwedens und Finnlands «ziemlich schnell» vonstatten gehen werde.
Das Weisse Haus erklärte, die USA würden einen Nato-Beitritt beider Länder unterstützen, falls sie sich bewerben.
Ein finnischer Nato-Beitritt wäre ein «radikaler Wandel in der Aussenpolitik des Landes», heisst es in einer Stellungnahme des russischen Aussenministeriums. «Helsinki muss sich der Verantwortung und der Konsequenzen eines solchen Schrittes bewusst sein», erklärte das Ministerium.
Der mögliche Beitritt Finnlands zur Nato würde den bilateralen russisch-finnischen Beziehungen, die die Stabilität und Sicherheit in der nordeuropäischen Region aufrechterhalten, schweren Schaden zufügen, so das Ministerium.
Ein Sprecher des Aussenministeriums sagte, Russland werde die Situation im Zusammenhang mit dem Beitritt Finnlands zur Nato analysieren und die notwendigen Massnahmen zur Gewährleistung seiner eigenen Sicherheit ausarbeiten.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte Reportern in seiner täglichen Telefonkonferenz: «Jeder möchte einen direkten Zusammenstoss zwischen Russland und der Nato vermeiden: sowohl Russland als auch die Nato und vor allem Washington.» Russland sei jedoch bereit, «die entschiedenste Antwort» denjenigen zu geben, die versuchen würden, sich in die «spezielle Militäroperation» des Landes in der Ukraine einzumischen. Russland bezeichnet den Krieg in der Ukraine offiziell als «spezielle Militäroperation».
«Westen provoziert globale Krise»
Der russische Präsident Wladimir Putin hat dem Westen vorgeworfen, durch die Verhängung von Sanktionen gegen Russland seine eigenen nationalen Interessen zu verletzen und «eine globale Krise zu provozieren». Er erklärte dass «die Rohstoffpreise in der Eurozone um mehr als 11% gestiegen sind».
Die Fortsetzung «der Sanktionsbesessenheit wird unweigerlich zu den komplexesten, nahezu unumkehrbaren Folgen für die Europäische Union führen», erklärte er. Die Eliten der westlichen Länder seien schuld an den Auswirkungen auf die ärmeren Länder, da sie «bereit sind, den Rest der Welt zu opfern, um ihre globale Vorherrschaft zu erhalten».
«Normalisierung mit Putin nicht möglich»
Der britische Premierminister Boris Johnson kann sich eine Normalisierung der Beziehungen zu Wladimir Putin nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine nicht vorstellen.
Auf die Frage im LBC-Radio, ob der russische Präsident wieder auf der Weltbühne akzeptiert werden könnte, wenn er den Krieg bereuen würde, sagte Johnson: «Reue wird für Wladimir Putin jetzt sehr schwierig sein ... nichts ist unmöglich, nehme ich an, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie wir die Beziehungen zu Putin jetzt wieder normalisieren können.»
Johnson warnte auch vor einer Wiederholung des Jahres 2014, als die Staats- und Regierungschefs Russlands Annexion der Krim durch die Ukraine verurteilten, dann aber über einen «Weg nach vorn» für Putin verhandelten.
38 schwer Verwundete in Mariupol
Im Stahlwerk Asowstal in Mariupol befinden sich 38 schwer verwundete Kämpfer. Nach Angaben ukrainischer Beamter finden derzeit Gespräche über ihre Evakuierung statt. Berichte, wonach sie gegen mehrere hundert gefangene Russen ausgetauscht werden sollen, hat die ukrainische Vizeministerpräsidentin energisch zurückgewiesen.
Charkiw: Rückzug der Russen
Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums haben die russischen Truppen nördlich von Charkiw schwere Verluste erlitten und ziehen sich zurück. Sie würden jetzt höchstwahrscheinlich an den Fluss Sewerskij Donez in der Nähe der Stadt Isjum verlegt. Dort sollen sie die russischen Streitkräfte verstärken und die russischen Nachschubwege schützen.
Die Uno verlangt Untersuchung zu Kriegsverbrechen
Der Uno-Menschenrechtsrat, der zur Zeit in Genf tagt, hat eine Resolution verabschiedet, die eine Untersuchung der mutmasslichen Übergriffe der russischen Streitkräfte in der Ukraine verlangt. Es geht um Kriegsverbrechen wie Hinrichtungen von Zivilisten, Vergewaltigungen, Folter und Verschwindenlassen. 33 Staaten stimmten für eine solche Untersuchung, 12 enthielten sich, China und Eritrea stimmten dagegen. Russland war im vergangenen Monat vom Rat suspendiert worden.
In den von den russischen Streitkräften besetzten Gebieten nördlich von Kiew seien die Leichen von mehr als tausend Zivilisten geborgen worden, sagte Michelle Bachelet, die Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen, die per Video zugeschaltet war. Hunderte der Getöteten seien summarisch hingerichtet worden, andere von Scharfschützen erschossen.
«Die Zahlen werden weiter steigen», sagte Bachelet. Sie betonte: «Einzelne Vorfälle sind zwar auch der ukrainischen Seite anzulasten, die allermeisten aber den russischen Streitkräften und den mit ihnen verbündeten Einheiten.»
Die Uno «dämonisiert» Russland
Gennadi Gatilow , der russische Botschafter bei der Uno in Genf, hat die Resolution scharf kritisiert. «Anstatt die wahren Ursachen zu erörtern, die zu der Krise in diesem Land geführt haben, und nach Wegen zu suchen, sie zu lösen» würde der Westen Russland «dämonisieren».
Auch der chinesische Uno-Botschafter in Genf, Chen Xu, äusserte sich kritisch. Er beklagte die «Politisierung» des Rates und sagte, die Resolution könne «Öl ins Feuer» der Spannungen in der Ukraine giessen.
Russland bestreitet, in der Ukraine Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben.
Olaf Scholz unterstützt einen finnischen Nato-Beitritt
Der deutsche Bundeskanzler spricht sich für einen Beitritt Finnlands zur Nato aus. Auf Twitter schrieb er: «Ich begrüsse die Entscheidung Finnlands, sich für einen unverzüglichen Beitritt des Landes zur Nato auszusprechen. In einem Telefonat mit dem finnischen Präsidenten Niinströ habe ich Finnland die volle Unterstützung der Bundesrepublik zugesichert.»
Liz Truss: «Putin muss scheitern»
Die britische Aussenministerin Liz Truss erklärte, die Sanktionen gegen Moskau dürften erst dann aufgehoben werden, wenn sich Russland «vollständig» aus der Ukraine zurückgezogen hat und wenn ein Frieden vereinbart worden sei. Putin müsse eine Niederlage einstecken, die ihm jede weitere Aggression verunmöglicht, sagte sie. Am Montag hatte sie erklärt, Russland müsse aus «der gesamten Ukraine» vertrieben werden.
Mehr als sechs Millionen Flüchtlinge
Die Zahl der aus der Ukraine geflüchteten Menschen hat die Sechs-Millionen-Grenze überschritten. Wie das UNHCR, das Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge, mitteilt, haben bisher 6’029’705 Menschen das Land verlassen.
Allein Polen hat knapp 3,3 Millionen Flüchtlinge aufgenommen.
Die Internationale Organisation für Migration IOM meldet 7 Millionen ukrainische «Binnenflüchtlinge». Das sind Menschen, die ihre Häuser und Wohnungen verlassen haben, aber nicht ins Ausland geflohen sind, sondern in der Ukraine selbst irgendwo Zuflucht gesucht haben.
Das heisst: Über 13 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer – knapp ein Drittel der Bevölkerung – sind auf der Flucht: entweder gelangten sie ins Ausland, oder sie suchten im eigenen Land Zuflucht.
Die Ukraine wirft Russland vor, Menschen gegen ihren Willen auf russisches Gebiet gebracht zu haben.
Medwedew warnt vor Atomkrieg
Dmitri A. Medwedew, Russlands ehemaliger liberal gesinnter Präsident und jetzt ein führender Kreml-Hardliner, sagte, die westlichen Länder würden einen Stellvertreterkrieg gegen Moskau führen. Doch ein potenzieller direkter Konflikt zwischen Russland und der Nato «könnte sich zu einem ausgewachsenen Atomkrieg entwickeln».
Rand Paul blockiert
Der libertäre und republikanische Senator Rand Paul aus Kentucky verzögerte im Alleingang einen parteiübergreifenden Versuch, der Ukraine rasch 40 Milliarden Dollar an Hilfe zukommen zu lassen, die der Kongress im Schnellverfahren bereitstellen wollte.
«Mein Amtseid gilt der US-Verfassung, nicht einer fremden Nation», sagte er. «Wir können die Ukraine nicht retten, indem wir die US-Wirtschaft zugrunde richten.»
Der Senat brauchte die einstimmige Zustimmung, um auf verfahrenstechnische Hürden zu verzichten und das humanitäre und militärische Hilfspaket zu genehmigen, das das Repräsentantenhaus am Dienstag mit 368 zu 57 Stimmen verabschiedet hatte. Paul, der sich generell gegen US-Ausgaben für Auslandshilfe ausspricht, erhob Einspruch und stoppte damit die aussergewöhnlichen Bemühungen, das grösste Auslandshilfepaket seit mindestens zwei Jahrzehnten zügig durch den Kongress zu schleusen.
(Wird laufend aktualisiert)
Journal 21