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Ukraine Tag 110

«Russifizierung»

13. Juni 2022
Entminung
Russische Spezialisten sprengen Seeminen am Strand Peschnaya in Mariupol (Foto: Keystone/AP)

Russland richtet sich ein, in der Ost- und Südukraine zu bleiben. Die von Russland besetzten südukrainischen Gebiete werden entmint. Im Bild: Die Sprengung einer Mine bei Mariupol. Häuser werden repariert, die Wasser- und Stromversorgung wird wieder hergestellt, Märkte werden geöffnet. Die Russen sind dabei, Eisenbahnlinien und Strassen in Stand zu setzen. In der Region Cherson und Melitopol werden russische Pässe abgegeben.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärte, dass die ukrainischen Seehäfen Mariupol und Berdjansk wieder normal funktionieren und bereit seien, Getreide zu verschiffen. Laut Schoigu ist die Entminung des Seehafens von Mariupol abgeschlossen. Der Hafen funktioniere normal und habe die ersten Frachtschiffe empfangen. Schoigu sagte, die Strassen würden geräumt, und die ersten sozialen Einrichtungen hätten ihre Arbeit wieder aufgenommen.

«Es besteht kein Zweifel», sagen westliche Militärexperten: «Russland will in der Süd- und Ostukraine bleiben.»

Mariupol
Der Hafen von Mariupol am Sonntag. Das Bild entstand während einer von der russsischen Armee organisierten Führung. (Foto: Keystone/EPA/Sergei Ilnitsky)

Vor dem Fall von Sewerodonezk?

Der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Haidai, schliesst nicht aus, dass die strategisch wichtige ostukrainische Stadt Sewerodonezk «heute oder morgen» definitiv von den Russen erobert wird. Der Fall der Stadt am Donez-Fluss wäre ein schwerer psychologischer Schlag für die Ukraine.

Noch werde «buchstäblich um jeden Meter gekämpft», sagte Präsident Wolodimir Selenskyj. Seit Tagen liefern sich beide Seiten blutige Strassenkämpfe und Artillerie-Duelle. Doch die Schlacht hat deutlich gemacht, dass die Ukraine dringend mehr Waffen benötigt, da die aus der Sowjetära stammende Munition zur Neige geht. Nach ukrainischen Angaben werden die ukrainischen Truppen immer mehr zurückgedrängt.

Sewerodonezk hat eine symbolische Bedeutung für die Ukraine. Nachdem die Stadt Luhansk und ein Grossteil der gleichnamigen Provinz 2014 von den von Moskau unterstützten Rebellen eingenommen worden waren, wurde Sewerodonezk de facto zur Provinzhauptstadt, so wie Mariupol für die Provinz Donezk.

Schon am Freitag hatte Haidai bekanntgegeben, dass die ukrainischen Truppen aus dem Zentrum der Stadt an die Randgebiete vertrieben wurden.

Russland will Sewerodonezk abriegeln

Russische Streitkräfte haben eine zweite Brücke zwischen den Zwillingsstädten Sewerodonezk und Lyssytschansk zerstört. Eine erste war schon früher bombardiert worden. Der letzte noch vorhandene Übergang über den Donez-Fluss wird zur Zeit ebenfalls bombardiert, erklärt Serhij Haidai, der Gouverneur der Region Luhansk. Russland sei entschlossen, sagte er, Sewerodonezk vollständig abzuriegeln.

«Die Stadt ist bereits nicht mehr zugänglich, und im Moment beschiessen die Russen aktiv die letzte, dritte Brücke. Soweit ich weiss, wollen sie Sewerodonezk vollständig abschneiden, um die Evakuierung von Menschen oder den Transport von Verstärkung unmöglich zu machen», sagte er.

«Höchstwahrscheinlich werden sie heute oder morgen alle ihre Reserven einsetzen, um zu versuchen, die Stadt zu erobern.»

Donbass
(Karte: Journal21.ch/stepmap.de)

Und anschliessend: Donezk

Russland hat seine langsamen, aber stetigen Vorstösse im Donbass fortgesetzt. Das britische Verteidigungsministerium sprach von «schleichendem Vormarsch». Die russische Armee verlässt sich dabei auf seine Artillerie. Zivile Gebiete werden oft flächendeckend bombardiert, bevor die Russen einmarschieren. Sewerodonezk und die benachbarte Stadt Lyssytschansk sind die einzigen Städte in der Region Luhansk, die noch nicht vom russischen Militär eingenommen wurden. Die Kämpfe an dieser Ostfront gehören zu den heftigsten des bisherigen Krieges.

Nach der Eroberung von Sewerodonezk und Lyssytschansk würden den Russen die Möglichkeit haben, mit voller Kraft die Nachbarprovinz Donezk anzugreifen.

«Kanonenfutter»

Russland schicke «schlecht ausgebildete Wehrpflichtige» und Reservisten in die Schlachten um den Donbass, sagte Präsident Selenskyj. Bereits in diesem Monat könnten auf russischer Seite mehr als 40’000 Soldaten ums Leben gekommen sein, sagte er. «In keinem anderen Krieg seit vielen Jahrzehnten haben die Russen so viele Soldaten verloren.» Er warf den russischen Generälen vor, ihre Leute als «Kanonenfutter» zu betrachten.

Russland setzt verbotene Streumunition ein

Gemäss einer Untersuchung von Amnesty International haben russischen Streitkräfte in der Region Charkiw wiederholt Streubomben des Typs 9N210/9N235 sowie so genannte «Streumunition» eingesetzt. Dabei handelt es sich um Raketen, die kleinere Minen «streuen».

Mark Hizney von Human Rights Watch hat mehrere Einschlagstellen in Wohnvierteln in Charkiw untersucht. «Diese Einschläge stammen von Streumunition, es ist eine klassische Signatur», sagte Mark Hizney, ein leitender Forscher in der Waffenabteilung von Human Rights Watch.

 

2’600 russische Marschflugkörper

Seit Beginn des russischen Überfalls hat die russische Armee 2’600 Marschflugkörper (Cruise missiles) auf die Ukraine abgeschossen. Präsident Selenskyj sagt, dass viele von der ukrainischen Armee im Flug abgeschossen wurden, viele jedoch aber kamen durch.

Selenskyj forderte erneut moderne Raketensysteme, zum Beispiel israelischen «Iron Dome» und amerikanische «Patriot-Batterien». Zusätzlich bräuchte die Ukraine dringend mehr Artillerie-Systeme, da die Kämpfe im Donbass unvermindert weitergehen.

Brite in Sewerodonezk getötet

Der Brite Jordan Gatley, ein ehemaliger Soldat der britischen Armee, ist bei Kämpfen in der ostukrainischen Stadt Sewerodonezk getötet worden.

Mykhailo Podolyak, ein Berater von Präsident Selenskyj würdigte Gatley mit den Worten: «Er war ein wahrer Held. Wir werden uns immer an seinen Beitrag zum Schutz der Ukraine und der freien Welt erinnern.»

(Wird laufend aktualisiert(

Journal 21

 

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