Lebensmittel gehörten zu Putins «Terror-Arsenal», erklärt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Uno-Generalsekretär Antonio Guterres sagte, 1,6 Milliarden Menschen könnten betroffen sein. Der Krieg «droht eine noch nie dagewesene Welle von Hunger und Elend auszulösen», so Guterres. Die WTO befürchtet eine «weltweite Katastrophe».
- Russland blockiert Schwarzmeer-Häfen
- Von der Leyen: «Putins Terror-Arsenal»
- «Kalte, gefühllose, kalkulierte Belagerung»
- Nahrungsmittel als Kriegswaffe
- WTO befürchtet «weltweite Katastrophe»
- «Leere Worte» von Lawrow
- Ukrainer aus Sewerodonezk zurückgedrängt
- Kämpfe um Sewerodonezk gehen weiter
- «Wir geben Sewerodonezk nicht auf»
- Sind Putins Tage gezählt?
- Hunderte Leichen in Mariupol entdeckt
- Ein Meringue-Törtchen namens Boris Johnson
Betroffen sind zunächst die Ärmsten
Es gebe «nur einen Weg, diesen aufziehenden Sturm zu stoppen», sagte Guterres. «Die russische Invasion in der Ukraine muss beendet werden.»
Russland blockiert die ukrainischen Schwarzmeer-Häfen und verhindert so die Auslieferung ukrainischen Getreides. Für einen grossen Teil der westlichen Welt ist das ukrainische Getreide überlebenswichtig.
Von der Leyen nennt die russische Blockade «eine kalte, gefühllose und kalkulierte Belagerung». Betroffen seien in erster Linie «die verwundbarsten Länder und Menschen der Welt».
Allein in diesem Jahr dürften etwa 275 Millionen Menschen zumindest einem hohen Risiko an Ernährungsunsicherheit ausgesetzt sein, sagte von der Leyen. Diese Zahlen könnten angesichts der herrschenden Inflation schnell weiter ausser Kontrolle geraten. «Diese Nahrungsmittelkrise wird durch Putins Angriffskrieg angeheizt.» Die Präsidentin der EU-Kommission warf Russland auch vor, Getreidelager in der Ukraine zu bombardieren.
Ähnlich äusserte sich EU-Ratschef Charles Michel: «Russland setzt Nahrungsmittel als Kriegswaffe ein, stiehlt Getreide, blockiert Häfen und verwandelt Ackerland in Schlachtfelder», sagte der Belgier vor dem EU-Parlament. Rund 20 Millionen Tonnen Getreide seien in der Ukraine blockiert. Ein ukrainischer Beamte bezeichnete die Russen als «Weizen-Terroristen».
Die Ukraine wirft Russland zudem vor, Getreide gestohlen und teilweise in befreundete Staaten exportiert zu haben.
«Eher Jahre als Monate»
Die Nahrungsmittelkrise, die sich seit dem Einmarsch in die Ukraine zuspitzt, könnte nach Ansicht der Generaldirektorin der Welthandelsorganisation WTO «eher Jahre als Monate dauern», wenn nicht entschieden gehandelt werde. Die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala sagte in einem BBC-Interview, sie befürchte, dass die durch den Krieg verursachte Getreideknappheit zu einer «weltweit katastrophalen Situation» führen werde.
Besonders betroffen sei Afrika, weil viele afrikanische Länder Lebensmittel oder Düngemittel aus der Schwarzmeerregion importieren. Die Lebensmittelpreise haben sich in afrikanischen Ländern bereits zum Teil fast verdoppelt, was die ärmste Bevölkerung weiter ins Elend stürzt.
«Kornkammer»
Die ukrainischen Schwarzerde-Böden gehören zum besten Ackerland der Welt. Die Böden sind locker, krümelig, humusreich, kalkhaltig und oft sehr tiefgründig. Die Ukraine liefert 42% des weltweit exportierten Sonnenblumenöls, 16% des Maises, 10% der Gerste und 9% des Weizens.
«Bestenfalls anderthalb Millionen Tonnen»
Die Ukraine hatte begonnen, Getreide mit Lastwagen via die westlichen Nachbarstaaten Moldawien, Rumänien und Polen zu exportieren.
Doch das genüge nicht, erklärte Nikolay Gorbachow, der Präsident des ukrainischen Getreideverbandes, in einem BBC-Interview. Die Ukraine exportiere über ihre Schwarzmeerhäfen etwa «sechs bis sieben Millionen Tonnen Getreide und Ölsaaten pro Monat». Über die «Westgrenze können wir nur eine, bestenfalls anderthalb Millionen Tonnen» ausliefern. Europa verfüge nicht über die Infrastruktur, um das Volumen der ukrainischen Getreideexporte zu bewältigen, fügte er hinzu.
Millionen Menschen könnten verhungern
Italien warnt, dass die Blockade der Schwarzmeer-Häfen durch russische Truppen verheerende Folgen für die ganze Welt haben könnten. «Die Blockierung von Getreideexporten bedeutet, Millionen von Kindern, Frauen und Männern als Geiseln zu nehmen und zum Tod zu verurteilen», sagte Italiens Aussenminister Luigi Di Maio nach einem Treffen, an dem auch andere Mittelmeerländer und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen teilnahmen.
«Leere Worte»
Der russische Aussenminister Sergej Lawrow zeigt sich zuversichtlich, dass das Getreide-Export-Probleme bald gelöst werden kann. Russische Streitkräfte blockieren nach ukrainischen Angaben die Schwarzmeer-Häfen und verhindern so den Export Millionen von Tonnen ukrainischen Getreides.
Lawrow hatte sich in Ankara mit dem türkischen Aussenminister Mevlüt Çavuşoğlu getroffen. Die Türkei versucht, eine Vereinbarung über die Schaffung von Seekorridoren zu vermitteln. Über diese soll das Getreide ausgeschifft werden. Die Gespräche waren ohne Lösung zu Ende gegangen.
Russland hat Behauptungen zurückgewiesen, seine Invasion habe eine weltweite Nahrungsmittelkrise ausgelöst. Lawrow sagte, das Problem könne gelöst werden – vorausgesetzt die Ukraine entmine ihre Häfen am Schwarzen Meer. Kiew stehe in der Pflicht, die Häfen zu entminen.
Die Ukraine befürchtet jedoch, dass dies das Land anfälliger für Angriffe vom Meer aus machen könnte. Eine Entminung dürfe nicht die Sicherheit der Ukraine beeinträchtigen.
Der Sprecher des ukrainischen Aussenministeriums, Oleg Nikolenko, erklärte: «Wir brauchen militärische Ausrüstung und Patrouillenboote, um die Küste, die Getreideschiffe und die Exportrouten zu schützen.
Er warnte: «Es kann nicht sein, dass Russland die Getreidekorridore nutzt, um die Südukraine anzugreifen.»
Lawrows Erklärung, wonach Moskau die Situation nicht ausnutzen werde, wenn Kiew Getreidelieferungen über das Schwarze Meer zulässt, bezeichnet die Ukraine als «leere Worte».
Türkisches Angebot
Nach unbestätigten Meldungen hat die Türkei angeboten, die «Getreide-Routen» mit Kriegsschiffen zu schützen. Russland ist offenbar nicht auf das Angebot eingegangen.
Ukrainer in Sewerodonezk zurückgedrängt
Nach schweren Kämpfen haben sich die ukrainischen Streitkräfte in der ostukrainischen Stadt Severodonezk in die Aussenbezirke, auf «stärker befestigten Stellungen» zurückgezogen. Serghij Haidai, der Gouverneur von Luhansk, sagte, die ukrainischen Spezialeinheiten hätten vor einigen Tagen eine Gegenoffensive gestartet und fast die Hälfte der Stadt geräumt. Es mache aber keinen Sinn, dort zu bleiben, wenn Russland das Gebiet mit Granaten und Luftangriffen dem Erdboden gleichmache.
«Unsere Verbände kontrollieren jetzt wieder nur die Aussenbezirke der Stadt», sagte er. «Aber die Kämpfe gehen weiter, unsere Streitkräfte verteidigen Sewerodonezk. Man kann nicht sagen, dass die Russen die Stadt vollständig kontrollieren.» Die Ukraine werde die wichtige Stadt nicht «aufgeben», sagte Haidai.
Er erklärte, dass etwa 15’000 Zivilisten in Sewerodonezk und der nahegelegenen Stadt Lyssytschansk verblieben seien.
«Gross russische Verluste»
Russland hat in den letzten Tagen in Sewerodonezk grosse Verluste erlitten, erklärt der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj. Die ukrainischen Verbände hätten den Russen «in einer sehr heftigen und sehr schwierigen Schlacht» grosse Verluste zufügt. «In vielerlei Hinsicht entscheidet sich dort das Schicksal des Donbass», sagte er.
Erneut 50 Leichen überführt
Russland hat der Ukraine erneut 50 Leichen ausgehändigt. Die Aktion erfolgte im Rahmen eins Tauschhandels mit Moskau. Wie viele tote Solden die Ukraine Russland übergeben hat, ist nicht bekannt.
Der Austausch fand in der Nähe der Frontlinie in der Region Saporischschja statt, heisst es in einer Regierungserklärung.
Siebenunddreissig Leichen, die jetzt Russland erhalten hat, gehörten zu den Verteidigern des Stahlwerks Azowstal in Mariupol. Anfang der Woche hatten die Ukraine und Russland je 160 Leichen ausgetauscht.
Sind Putins Tage gezählt?
Ein ehemaliger britischer Geheimdienstoffizier sieht den russischen Präsidenten Wladimir Putin «in drei bis sechs Monaten» nicht mehr an der Macht.
In der Sendung «World at One» von BBC Radio 4 sagte Christopher Steele, dass Putins Tage «gezählt» seien, sobald die westlichen Sanktionen gegen Russland – insbesondere im Energiebereich – ihre volle Wirkung entfalten würden. Steele sagte auch, es gebe «Anzeichen dafür, dass Putins Gesundheit schwächer wird».
Russische Erfolgsmeldungen
Die Ukraine erleidet nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums in der östlichen Donbass-Region «erhebliche Verluste an Arbeitskräften, Waffen und militärischer Ausrüstung». Während der dreitägigen Kämpfe um Swjatohirsk hätten die Ukrainer 300 Soldaten und sechs Panzer verloren. Swjatohirsk liegt nördlich von Kramatorsk. Die Ukraine beschuldigt die Russen, das Kloster der Stadt in Brand geschossen zu haben.
Bei Artillerieangriffen in der Region Saporischschja seien weitere 320 ukrainische «Nationalisten» getötet worden.
In der Region Mykolajiv seien zwei ukrainische Kampfflugzeuge und ein Helikopter abgeschossen worden.
Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht.
Die Ukraine bestätigt, dass russische Raketen Waffendepots, ein Einkaufszentrum und Fabriken in Charkiw getroffen haben.
Hunderte Leichen in Mariupol gefunden
Nach Angaben eines Beraters des Bürgermeisters der Stadt Mariupol werden in den Trümmern zerstörter Gebäude Hunderte von Leichen gefunden.
Petro Andrjuschtschenko spricht von einer «nicht enden wollenden Karawane des Todes». Die Leichen werden, ja nach Zustand, in Leichenhallen oder auf eine Deponie gebracht. Andrjuschtschenko rechnet damit, dass viele weitere Tote entdeckt würden, da noch nicht einmal die Hälfte der zerstörten Gebäude durchsucht worden seien.
Russland repariert Geleise
In den besetzten russischen Gebieten im Süden der Ukraine haben die Russen begonnen, Strassen und Eisenbahngeleise wieder instand zu setzen. So sollen auf der «Landbrücke» zwischen Russland und der Krim Waren- und Truppentransporte erleichtert werden.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärte, das russische Militär habe in Zusammenarbeit mit der Russischen Eisenbahn etwa 1000 Kilometer Gleis im Südosten der Ukraine repariert und die Voraussetzungen für einen «vollwertigen Verkehr» von Russland durch die ostukrainische Region Donbass in das besetzte Gebiet in Cherson und weiter auf die Krim geschaffen.
Eine Meringue-Törtchen namens Boris Johnson
Eine führende Bäckerei in Kiew hatte die Idee, dem britischen Premierminister Boris Johnson für seine Militärhilfe zu danken. Dafür kreierten die Bäckerinnen ein Blätterteig-Törtchen mit Meringue und Eiscème und nannten es «Boris-Schleckerei». Offenbar arbeitet die Bäckerei jetzt auch an einer Kreation, die Joe Biden gewidmet ist.
(Wird laufend aktualisiert)
Journal 21