Die russischen Streitkräfte feuern täglich bis zu tausend Raketen auf die Ostukraine ab. Zusätzlich liegen Städte und Dörfer unter fast pausenlosem Artilleriebeschuss. Die Drohnenaufnahme der ukrainischen Nationalgarde zeigt eine Strasse bei Sewerodonesk. 80 Prozent der Stadt werden von den Russen kontrolliert.
«Wahnsinn»
Die russischen Truppen in der ostukrainischen Stadt Sewerodonesk haben die Chemiefabrik «Azot» unter Feuer genommen und damit eine Umweltkatastrophe riskiert. Präsident Wolodimir Selenskyj bezeichnete diese Angriffe als «Wahnsinn».
Viele Zivilisten hatten in dem Werk Zuflucht vor russischen Raketen- und Artillerie-Angriffen gesucht. Die ukrainischen Streitkräfte kontrollieren nur noch etwa 20 Prozent von Sewerodonesk. Serhiy Haidai, der Chef der Militärverwaltung von Luhansk, sagte, die Russen würden «langsame aber stetige Fortschritte» machen.
Fast pausenlos bombardiert
In der Stadt finden nach Angaben des britischen Geheimdienstes Strassenkämpfe statt. Russland mache «stetige Fortschritte». Allerdings war dies «nicht ohne Kosten». Die russischen Streitkräfte hätten erneut schwere Verluste erlitten. Neben Sewerodonesk wird auch die Zwillingsstadt Lyssytschansk seit Wochen fast pausenlos bombardiert. Nach Angaben ukrainischer Militärkreise feuern die Russen pro Tag im Donbass bis zu tausend Raketen ab.
«Sie kontrollieren nicht die ganze Stadt»
Inzwischen hat die ukrainische Armee mehrere Gegenangriffe in Sewerodonesk durchgeführt, doch die russischen Streitkräfte kontrollieren noch immer «den grössten Teil der Stadt», sagt Serhiy Haidai, der Leiter der Militärverwaltung von Luhansk.
Haidai erklärte, dass 10’000 russische Soldaten um die Einnahme der Stadt kämpften. Am Mittwochabend hätten sie kaum Fortschritte gemacht, obwohl die Russen behaupten, sie würden die ganze Stadt kontrollieren. «Sie kontrollieren nicht die ganze Stadt, die Kämpfe gehen weiter», sagte Haidai.
«Angriffe aus allen Richtungen»
Die Russen versuchen «unsere Verteidigungslinie aus allen Richtungen zu durchbrechen», sagte Regionalchef Serhij Haidai am Donnerstag dem ukrainischen Fernsehsender 1+1. «Aber sie hatten dort über Nacht keinen Erfolg. Sie kontrollieren den grössten Teil der Stadt – aber nicht die gesamte Stadt.»
«Die Kämpfe gehen weiter, und gestern haben unsere Jungs Gegenangriffe durchgeführt, den Feind in einigen Strassen zurückgedrängt und mehrere Gefangene gemacht.»
Haidai sagte, dass die russischen Truppen – die auch versuchen, auf die Zwillingsstadt von Sewerodonezk, Lyssytschansk, vorzudringen – schwere Verluste an Personal und Waffen erleiden, aber Verstärkung von anderen Schlachtfeldern holen.
Das noch unter ukrainischer Kontrolle stehende Gebiet – man schätzt, dass es etwa 5% der Region Luhansk umfasst – bezeichnet er als «Festung».
Lyssytschansk «fest in ukrainischer Hand»
Das Washingtoner Institute for the Study of War (ISW) berichtet unterdessen, dass «die russischen Streitkräfte versuchen, von Süden und Westen her auf Lyssytschansk vorzurücken». Offenbar wollen sie vermeiden, von Sewerodonezk aus den Fluss Siverskij Donez überqueren zu müssen. Bisher hätten die Russen allerdings bei Lyssytschansk «nur begrenzte Erfolge» erzielt. Lokale ukrainische Beamte haben in den letzten Tagen wiederholt erklärt, dass Lyssytschansk fest in ukrainischer Hand sei.
Und jetzt die Provinz Donezk
Nach der Eroberung der fast ganzen Provinz (Oblast) Luhansk bereiten sich russische Verbände auf Kämpfe um Städte in der Nachbarprovinz Donezk vor. Die Städte Slowjansk, Bachmut und Kramatorsk werden täglich beschossen und sind offenbar die nächsten Ziele der Russen. Im Bild eine Frau vor ihrem eben zerstörten Haus in Slowjansk.
«Öl ins Feuer»
Mit der Lieferung von Hightech-Langstreckenraketen würden die USA den Krieg in der Ukraine verlängern, erklärt Russland. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, die USA würden mit den Lieferungen «absichtlich Öl ins Feuer giessen».
«Solche Lieferungen tragen nicht zur Bereitschaft der ukrainischen Führung bei, die Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen», fügte er hinzu.
Der russische Aussenminister Sergej Lawrow sagte, die Lieferung amerikanischer Langstreckenraketen erhöhe das Risiko, dass ein «Drittland» in den Konflikt hineingezogen werde.
Die Langstreckenraketen sollen den ukrainischen Truppen helfen, feindliche Kräfte aus grösserer Entfernung präziser zu treffen.
Sechs Buchstaben
Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksii Reznikov dankt Präsident Joe Biden und dem US-Militär für die Lieferung von HIMARS-Raketensystemen.
«Ich habe mich gefreut, im 11. Paket der Militärhilfe für die Ukraine die sechs Buchstaben zu sehen, auf die das ganze Land gewartet hat: HIMARS», sagte Reznikov am Donnerstag in einem Twitter-Post. «Unsere Zusammenarbeit ist stärker als je zuvor! Thank you.»
Biden hatte am Mittwoch angekündigt, der Ukraine moderne, in den USA hergestellten HIMARS-Raketensysteme (High Mobility Artillery Rocket Systems) zukommen zu lassen.
Täglich bis 100 getötete ukrainische Soldaten
Die Ukraine verliert jeden Tag 60 bis 100 Soldaten, sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj in einem Interview mit Newsmax. Zudem würden täglich etwa 500 Soldaten verwundet.
«200’000 ukrainische Kinder deportiert»
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj wirft Russland vor, bisher mehr als 200’000 ukrainische Kinder nach Russland deportiert zu haben. Er sprach von einer «konsequent kriminellen Politik der Deportation unseres Volkes». Auch Erwachsene würden deportiert.
Die Deportierten würden in abgelegenen russischen Gebieten angesiedelt. «Das Ziel dieser kriminellen Politik ist nicht nur der Diebstahl von Menschen, sondern auch, dass die Abgeschobenen die Ukraine vergessen und nicht mehr zurückkehren können.»
Selenskyj sagte, bisher seien mindestens 243 Kinder während des Krieges gestorben, 446 wurden verletzt und weitere 139 werden vermisst.
Raketen auf Lwiw
Am Mittwochabend haben russische Raketen die Bahnanlagen bei Lwiw (Lemberg) im Westen der Ukraine erheblich beschädigt. Fünf Menschen wurden verletzt. Russland will offenbar verhindern, dass Waffen, die aus Polen kommen, mit der Eisenbahn in den Osten geliefert werden.
US-Cyberangriffe
Die USA haben «offensive» Cyber-Angriffe zur Unterstützung der Ukraine durchgeführt. Dies erklärt US-General Paul Nakasone. Bisher war bekannt, dass die USA, Grossbritannien und andere westliche Staaten sich gegen russische Cyberangriffe mit defensiven Aktionen gewehrt hatten. Zum ersten Mal sprach nun ein US-General von «offensiven» Operationen. «Wir haben eine Reihe von Operationen über das gesamte Spektrum durchgeführt: offensive, defensive und Informationsoperationen», sagte Nakasone.
Merkel spricht von «Recht auf Selbstverteidigung»
Die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer ersten öffentlichen Rede in diesem Jahr ihr Schweigen zum Einmarsch Russlands in der Ukraine gebrochen. Sie unterstütze die deutsche Regierung, die EU, die USA und die Nato in ihren Bemühungen, «diesen barbarischen Krieg zu beenden».
«Meine Solidarität gilt der Ukraine, die von Russland angegriffen und überfallen wurde, und der Unterstützung ihres Rechts auf Selbstverteidigung.» Merkel wurde dafür kritisiert, dass sie während ihrer 16-jährigen Amtszeit versucht hat, sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu arrangieren.
(Wird laufend aktualisiert)
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