Direkt zum Inhalt
  • Politik
  • Kultur
  • Wirtschaft
  • Gesellschaft
  • Medien
  • Über uns
close
Ukraine Tag 41

«Kommt nach Butscha und seht diesen Horror!»

5. April 2022
Tanya Nedashkivs'ka
Die 57-jährige Tanya Nedashkivs’ka trauert um ihren Mann, der in Butscha erschossen wurde. (Foto: Keystone/AP/Rodrigo Abd)

Immer neue, grausame Bilder von den Ereignissen in der ukrainischen Kleinstadt Butscha tauchen auf. Die Leichen auf den Strassen seien weggeräumt worden, doch in den Hinterhöfen und Gärten finde man immer weitere Tote, sagte Präsident Selenskyj. Biden bezeichnet Putin als «Kriegsverbrecher», und der polnische Ministerpräsident nennt Russland «einen faschistisch-totalitären Staat».

Wird laufend aktualisiert

  • Boris Johnson spricht Russisch
  • Russland, wie Terroristen des «Islamischen Staats»
  • Neue EU-Sanktionen geplant
  • Immer neue, grausame Bilder
  • «Die Rache der Russen»
  • Biden bezeichnet Putin als «Kriegsverbrecher»
  • Polen nennt Russland einen «faschistisch-totalitären Staat»
  • Russland bezeichnet Bilder als «brutale Fälschung»
  • van der Leyen reist nach Kiew
  • Angriffe im Osten und Süden


Die Russen  – wie die Terroristen des «Islamischen Staats»

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj beschrieb am Dienstag in einer virtuellen Rede vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die schrecklichen Kriegsverbrechen von Butscha. Der Sicherheitsrat habe sich als machtlos erwiesen, den Krieg zu beenden, und müsse reformiert werden.

Die Gräueltaten Russlands in Butscha ähnelten denen der Terroristen des «Islamischen Staats», als diese Gebiete besetzten. Die russische Truppen hätten Zivilisten gefoltert und ermordet, Leichen verstümmelt und Frauen vor den Augen von Kindern vergewaltigt und getötet. Er zeigte ein Video mit zahlreichen zivilen Opfern von Gräueltaten, darunter auch einige, die offenbar gefesselt worden waren, bevor sie getötet wurden.

«Jetzt kann die Welt sehen, was Russland in Butscha getan hat», sagte Selenskyj. «Aber die Welt muss noch sehen, was sie in anderen besetzten Städten und Regionen unseres Landes getan haben».

Reformiert die Uno, rief er den Uno-Delegierten zu. «Schliesst Russland aus dem Sicherheitsrat aus.»

Selenskyj
Selenskyj vor dem Uno-Sicherheitsrat am Dienstag (Bild: Screenshot UN-TV, J21)

Boris Johnson spricht Russisch

Der britische Premierminister Boris Johnson wandte sich am Dienstag per Video an das russische Volk und sagte auf Russisch: «Ihr Präsident wird beschuldigt, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Aber ich kann nicht glauben, dass er in eurem Namen handelt». Das Massaker an Zivilisten in Butscha und anderen ukrainischen Städten sei ein «Schandfleck für die Ehre Russlands», sagte Johnson. Er forderte die Russen auf, nach unzensierten Nachrichten zu suchen und die Wahrheit mit ihren Mitbürgern zu teilen. «Die Geschichte wird sich daran erinnern, wer weggeschaut hat», sagte er.


«Mehr als glaubwürdig»

«Was wir in Butscha gesehen haben, ist nicht die wahllose Tat einer einzelnen Schurken-Einheit», sagte der amerikanische Aussenminister Antony Blinken. «Es ist eine bewusste Kampagne zu töten, zu foltern, zu vergewaltigen und Gräueltaten zu verüben.» Die Berichte aus Butscha seien «mehr als glaubwürdig. Die Welt kann die Beweise sehen.»
 

Die Russen werden beschuldigt, bei ihrem Abzug mindestens 400 Zivilisten willentlich erschossen zu haben. Russland erklärt, die Menschen seien von den Ukrainern selbst umgebracht worden, um die Russen anzuschwärzen. Satellitenaufnahmen beweisen das Gegenteil.

«Die Rache der Russen»

Butscha sei die «Rache der Russen für den ukrainischen Widerstand gewesen», sagte Anatoli Fedoruk, der Bürgermeister der Stadt in einem Interview mit der Mailänder Zeitung Corriere della sera. «Mein Leute wurden aus Spass oder aus Wut erschossen», sagte er. Die Russen hätten auf alles geschossen, auf Passanten, auf Leute auf Fahrrädern, auf Autos mit der Aufschrift «Kinder». «Weil Russland stecken bleibt, wurde ein Streifzug auf Zivilisten› organisiert». Die Stadt sei in ein Konzentrationslager verwandelt worden. Die Leute hätten weder Wasser noch Nahrung gehabt. «Wer sich hinauswagte, um Essen zu suchen, wurde erschossen.»

Neue EU-Sanktionen

Die EU will neue Sanktionen gegen Russland verabschieden. Vorgesehen ist unter anderem ein Verbot des Imports russischer Kohle im Wert von vier Milliarden Euro. Auch andere Industriezweige sollen übertroffen werden. Selbst ein baldiges Importverbot russischen Öls ist nicht ausgeschlossen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Dienstag, russischen Schiffen würde verboten, Häfen der EU anzulaufen. Ebenso dürften russische und belarussische Transportunternehmen nicht mehr in die EU fahren dürfen.

«Russland führt einen grausamen und rücksichtslosen Krieg nicht nur gegen die tapferen ukrainischen Truppen, sondern auch gegen die Zivilbevölkerung», sagte von der Leyen in einer im Fernsehen übertragenen Erklärung. «Es ist wichtig, an diesem entscheidenden Punkt den Druck auf Putin und die russische Regierung aufrechtzuerhalten.»

Die EU-Kommission wird auch vorschlagen, die VTB, Russlands zweitgrössten Kreditgeber, vom EU-Finanzmarkt auszuschliessen, eine Massnahme, die bereits gegen andere russische Finanzinstitute in früheren Sanktionsrunden verhängt wurde. Die Einfuhr von Meeresfrüchten und Alkohol soll verboten werden.

Russische Unternehmen sollen von der öffentlichen Auftragsvergabe in den EU-Mitgliedstaaten ausgeschlossen werden

Das vorgeschlagene Paket wird am Mittwoch von den EU-Botschaftern bei einem Treffen erörtert. Dabei soll ein schrittweiser Ausstieg aus der russischen Kohle beschlossen werden. Kohle wird in Russland hauptsächlich von privaten Unternehmen und nicht von staatlichen Einrichtungen abgebaut und gilt als weniger wirksame Massnahme gegen die russische Regierung. Ziel wäre es, die Sanktionen noch diese Woche zu verabschieden.

Von der Leyen sagte, dass weitere Sanktionen bevorstünden und dass Beamte an einem Verbot von russischem Öl arbeiteten, ein Schritt, der für die europäischen Länder härter und schmerzhafter wäre als ein Verbot von Kohle.
 

Tanya Nedashkivs'ka
Tanya Nedashkivs’ka am Grab ihres Mannes (Foto: Keystone/AP/Rodrigo Abd)
Ira Gavriluk
Ira Gavriluk hält ihre Katze in den Armen, während sie im Hof ihren toten Ehemann, ihren toten Bruder und einen anderen erschossenen Mann auffindet. Alle waren mit Kopfschüssen getötet worden. (Foto: Keystone/AP/Felipe Dana)
Ira
Ira Gavriluk wurde vom der internationalen Unternationalen Untersuchungskommission und von Experten des Uno-Menschenrechtsrates als Zeugin aufgeboten. (Foto: Keystone/AP/Rodrigo Abd)
Natalya
Natalya, deren Mann erschossen wurde, wird von einer Nachbarin getröstet. (Foto: Keystone/AP/Vadim Ghirda)
Massengrab
Viele der Toten werden in Säcke verpackt und in ein Massengrab verfrachtet. (Foto: Keystone/AP/Rodrigo Abd)
Knabe Mutter verloren
Der sechsjährige Vlad Tanyuk trauert um seine Mutter. Ira Tanyuk war an Unterernährung, Stress und Verzweiflung gestorben. (Foto: Keystone/AP/Rodrigo Abd)
Hund
Butscha danach (Foto: Keystone/AP/Efremn Lukatsky)
Hand
Fünf Tote liegen hier unter der Erde. (Foto: Keystone/AP/Rodrigo Abd)
Tote im Hinterhof
In einem Hinterhof werden mehrere Tote aufgefunden. (Foto: Keystone/AP/Vadim Ghirda)
Kreuze
Auf den Friedhöfen ist kein Platz mehr. (Foto: Keystone/EPA/EPA/Oleg Petrasyuk)
Selenskyj
Präsident Selenskyj am Montag in Butscha (Foto: Keystone/AP/Efrem Lukatsky)
Panzer
Die Russen lassen Tote, ausgebrannte Panzer und anderes Militärmaterial zurück. (Foto: Keystone/EPA/Efrem Lukatsky)

«Würden Sie mit Hitler, Stalin oder Pol Pot verhandeln?»

«Ich habe eine Bemerkung zu machen, bevor ich den Tag beginne», sagte Joe Biden vor Journalisten. «Sie werden sich erinnern, dass ich kritisiert wurde, weil ich Putin einen 'Kriegsverbrecher' genannt habe ... Sie haben gesehen, was in Butscha passiert ist: Putin IST ein 'Kriegsverbrecher'».

Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte sich von Bidens Ausdruck, Putin sei ein «Schlächter», distanziert. Jetzt sagt Macron: «Es gibt eindeutige Beweise für Kriegsverbrechen in Butscha.» Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiechi bestätigt die seit Beginn des Krieges geäusserten Meinungen: «Russland ist ein faschistisch-totalitärer Staat. Ich möchte Macron fragen: Würden Sie mit Hitler, mit Stalin, mit Pol Pot verhandeln?»

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnet Putin als «eingebunkerten Kriegstreiber».

Sitzung des Uno-Sicherheitsrates

Der Uno-Sicherheitsrat wird am Dienstagabend zusammentreten. Die USA, Frankreich und Grossbritannien erklärten, sie würden «Beweise für das russische Massaker» vorlegen. Da die Russen im Sicherheitsrat ein Vetorecht haben, wird es zu keiner Verurteilung kommen.

«Brutale Fälschung»

Russland hatte erklärt, russische Soldaten hätten «keinen einzigen Zivilisten» getötet. Der russische Uno-Botschafter, Wassili Nebensya, beschuldigte die Ukraine, die Leichen der toten Zivilisten in Butscha zu «inszenieren», und nannte die Bilder und Videos von ihnen eine «brutale Fälschung». «Westliche Führer haben sich bereits aufgereiht, um diese falsche Geschichte zu verbreiten.» Die russischen Streitkräfte seien am 31. März vollständig abgezogen. Das Massaker habe aber später stattgefunden. Satellitenaufnahmen, die unter anderem von der New York Times veröffentlicht wurden, beweisen das Gegenteil. Die Tötungen geschahen sehr wohl während der Präsenz der Russen, die später Richtung Norden abzogen.

Der Westschweizer Fernsehjournalist Sébastien Faure hat in Butscha gedreht. «Wir haben viele Leichen gesehen. Einige waren noch nicht entdeckt worden. Wir haben fünf Leichen mit verbundenen Händen hinter dem Rücken gefunden. Da waren wir ganz alleine unterwegs. Die Leichen wurden mittlerweile abgeholt. Gemäss den ukrainischen Behörden wurden alle fünf erschossen. Bis zu fünf Schüsse seien abgegeben worden und es habe auch Folterspuren gegeben.» «Wir haben gut ein Dutzend Leichen gesehen in den letzten Tagen. Und es ist sehr schwierig, sich vorzustellen, dass das alles gefälscht sein soll.»

Von der Leyen nach Kiew

Um ihre Soldiarität mit der Ukraine zu bekunden, reisen in den nächsten Tagen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell nach Kiew und treffen dort mit Präsident Selenskyj zusammen. Auch der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer hat einen Besuch in Kiew angekündigt.

Vorwürfe Selenskyjs

Der ukrainische Präsident macht dem Westen Vorwürfe, nicht schon vorher härter gegen Russland vorgegangen zu sein. «Mussten wirklich Hunderte unserer Bürger qualvoll sterben, damit einige europäische Politiker endlich verstehen, dass der russische Staat den stärksten Druck verdient?», sagte er in seiner täglichen Video-Botschaft. «Wir sind daran interessiert, dass Tausende von Journalisten nach Butscha kommen – so viele wie möglich –, damit die Welt sehen kann, was Russland getan hat.»

Selenskyj sagte, dass die Russen auch in anderen Städten, die von den Ukrainern zurückerobert wurden, Massaker angerichtet haben könnten, so in Brodjanka, nordwestlich von Kiew. «In vielen Dörfern der befreiten Bezirke der Regionen Kiew, Tschernihiw und Sumy haben die Besatzer Dinge getan, die die Einheimischen nicht einmal während der Nazi-Besatzung vor 80 Jahren erlebt hatten», sagte Selenskyj.

Terror auch in Nova Basan

Nach dem Abzug der russischen Streitkräfte kamen die Bewohner der Kleinstadt Nova Basan aus ihren Bauernhäusern und schilderten den russischen Terror. Sie seien misshandelt und bedroht, teils festgenommen worden. Sie hätten ihre Häuser einen Monat lang nicht verlassen dürfen und hätten keinen Kontakt zur Aussenwelt gehabt.

Die EU entsendet Ermittler

Die Europäische Union wird Ermittler in die Ukraine entsenden. Sie sollen dem ukrainischen Generalstaatsanwalt helfen, «Kriegsverbrechen» zu dokumentieren. Dies twittert EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auch die europäische Polizeiorganisation Europol und die Strafjustizagentur Eurojust sollen eingeschaltet werden.

Angriffe im Osten und Süden

Nachdem die Russen aus dem Norden der Ukraine vertrieben worden sind, konzentrieren sie ihre Angriffe jetzt auf den Osten und den Süden. Die Stadt Mikolajiw im Süden ist am Dienstag nach Angaben des Bürgermeisters mit Streumunition angegriffen worden. Wohngebäude, ein Spital und ein Waisenhaus seien das Ziel der Angriffe gewesen. Am Montag waren bei einem russischen Angriff zehn Menschen getötet worden.

Präsisent Selenskyj erwartet auch im Osten des Landes schreckliche Dinge. «Wir wissen, was sie im Donbass tun werden, sagte er. Wir wissen, was sie bei Charkiw tun werden. Das wird mehr sein.»

«Mutwillige und dreiste Angriffe»

Jake Sullivan, der nationale Sicherheitsberater von Joe Biden, sagte, dass Russland zwar seine Offensivoperationen auf die Ost- und Südukraine konzentriere, Moskau aber wahrscheinlich weiterhin den Rest des Landes angreifen werde, «um Terror zu verursachen».

«Die nächste Phase dieses Konflikts kann sich sehr wohl in die Länge ziehen», sagte er vor Reportern, und «wird wahrscheinlich weiterhin mutwillige und dreiste Angriffe auf zivile Ziele beinhalten».

(Wird laufend aktualisiert)

Journal 21

Letzte Artikel

Chile hat einen rechtsradikalen Präsidenten

Heiner Hug 15. Dezember 2025

Gesucht: Lieferkette für Vernunft

Markus Mohler 14. Dezember 2025

Das Jahr in Bildern

14. Dezember 2025

«... die edle Kochkunst bleibt bestehn»

Niklaus Oberholzer 14. Dezember 2025

Filmproduzent Arthur Cohn gestorben

Patrick Straumann 12. Dezember 2025

Im Bann des Generalstreiks

Thomas Fischer 11. Dezember 2025

Newsletter abonnieren

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Zurück zur Startseite
Journal 21 Logo

Journal 21
Journalistischer Mehrwert

  • Kontakt
  • Datenschutz
  • Impressum
  • Newsletter
To top

© Journal21, 2021. Alle Rechte vorbehalten. Erstellt mit PRIMER - powered by Drupal.