Während die Kämpfe um das Stahlwerk Asowstal in Mariupol wochenlang die Schlagzeilen dominierten, beginnt sich jetzt in der ostukrainischen Stadt Sewerodonezk ein Drama abzuspielen. Die Stadt, die etwa 100’000 Einwohner zählt, ist von russischen Streitkräften umzingelt und wird täglich mit Artillerie und Raketen beschossen. Laut ukrainischen Quellen haben die ukrainischen Truppen schwere Verluste erlitten.
Wird laufend aktualisiert
- Russische Angriffe auf Sewerodonezk
- Schwere ukrainische Verluste
- 100 tote Ukrainer pro Tag
- Lebenslange Haft für Vadim Shishimarin
- Putin zu Gesprächen bereit?
«Verbrannte Erde»
Allein am Sonntag wurden über 120 ukrainische Soldaten getötet oder gefangen genommen. Die Russen haben begonnen, zahlreiche russische Soldaten, die bisher in Mariupol im Einsatz waren, in Sewerodonezk (Sjewjerodonezk) in Stellung zu bringen.
Serhiy Haidai, der Gouverneur der Region, erklärte, die Russen würden eine «Taktik der verbrannten Erde» verfolgen und «die Stadt absichtlich zerstören».
Verstärkt würden die russischen Truppen durch Verbände, die aus Charkiw abgezogen wurden. Auch die pro-russischen Milizen der «Volksrepubliken» Luhansk und Donezk seien jetzt rund um Sewerodonezk im Einsatz. Selbst Truppen, die kürzlich in Sibirien mobilisiert wurden, kämpfen jetzt im Osten der Ukraine.
Offenbar versuchen die Russen, die Brücken über den Fluss Siverskij Donez zu zerstören und so die Stadt von der Aussenwelt abzuschneiden. Laut der ukrainischen Ombudsfrau für Menschenrechte, Ljudmila Denisowa, droht Sewerodonezk das gleiche Schicksal wie Mariupol: Die Stadt wird umzingelt, von der Aussenwelt abgeschnitten und pausenlos bombardiert.
100 Tote ukrainische Soldaten pro Tag?
Die ukrainischen Behörden publizieren regelmässig Zahlen über getötete russische Soldaten. Über ukrainische Opfer erfuhr man bisher wenig. Jetzt erklärte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj, dass im Osten, wo zur Zeit die heftigsten Kämpfe stattfinden, an der Front täglich zwischen 50 und 100 Menschen sterben.
Lebenslange Haft
Ein Gericht in der Ukraine hat einen russischen Panzerkommandanten wegen der Tötung eines Zivilisten im ersten Kriegsverbrecherprozess seit der Invasion zu lebenslanger Haft verurteilt. Der gefangene Soldat Vadim Shishimarin wurde für die Tötung des 62-jährigen Oleksandr Shelipov am 28. Februar in dem nordöstlichen Dorf Chupakhivka verurteilt.
Er gab zu, Shelipov erschossen zu haben, sagte aber, er habe auf Befehl gehandelt und bat die Witwe des Mannes um Vergebung.
Viele andere mutmassliche Kriegsverbrechen werden von der Ukraine untersucht. Moskau hat stets bestritten, dass seine Truppen Zivilisten ins Visier genommen haben, obwohl es eine Fülle von Beweisen für das Gegenteil gibt. Die Ukraine behauptet, dass mehr als 11'000 Verbrechen begangen worden sein könnten.
Kämpfe auch bei Isjum
Russische Truppen drängen auch von Isjum nach Süden vor. Ein Kommandant der ukrainischen Truppen sagte, er sei zuversichtlich, dass die ukrainischen Verbände standhalten könnten. «Aber wir brauchen mehr schwere Waffen.»
Flucht aus dem Osten
Da die Kämpfe im ganzen Donbass zunehmen, flüchten immer mehr Menschen Richtung Westen.
Verluste wie in Afghanistan
Die russische Armee hat im Krieg in der Ukraine in den ersten drei Monaten so viele Verluste erlitten wie im ganzen neunjährigen Krieg in Afghanistan. Dies meldet am Montag der britische Militärgeheimdienst. Die Sowjetunion hatte im Afghanistan-Konflikt mindestens 15’000 Soldaten verloren.
Das britische Verteidigungsministerium geht davon aus, dass die russischen Verluste, wenn sie weiter ansteigen, in der russischen Öffentlichkeit stärker wahrgenommen werden und «die öffentliche Unzufriedenheit mit dem Krieg wachsen könnte».
Putin zu Gesprächen bereit?
Der russische Präsident könnte zu Gesprächen über den Krieg in der Ukraine bereits sein, doch die Initiative müsste von Kiew ausgehen. Dies erklärte Wladimir Medinski, ein Berater von Putin, im russischen Staatsfernsehen. Selbst ein Treffen zwischen Putin und Selenskyj sei nicht ausgeschlossen. Die ukrainische Regierung hat bisher nicht auf diese Äusserung reagiert.
Minenräumung in Mariupol
Russische Truppen haben damit begonnen, das Stahlwerk Asowstal in Mariupol von Minen zu räumen. Die Minen werden gesprengt und die Trümmer mit Bulldozern weggeräumt. Sowohl die Russen als auch die Ukrainer haben Hunderte Minen gelegt und Sprengfallen installiert.
Der ukrainische Aussenminister in Davos
Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba nimmt am WEF in Davos teil. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selensky wird sich per Video an die versammelten Politiker und Wirtschaftsvertreter wenden. «Die wichtigste Bitte an die ganze Welt lautet: Hört nicht auf, die Ukraine zu unterstützen», sagte die ukrainische Abgeordnete Ivanna Klympush-Tsintsadze, die ebenfalls nach Davos reiste. Russische Vertreter wurden vom WEF ausgeschlossen.