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Ukraine Tag 85

Von einem Gefängnis ins andere

19. Mai 2022
Evakuierte
Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte Bilder, die zeigen, wie Asowstal-Kämpfer in einem Bus abtransportiert werden (Foto: Russisches Verteidigungsministerium)

Fast tausend ukrainische Kämpfer, die sich wochenlang im Stahlwerk Asowstal in Mariupol verschanzt hatten, sind in ein russisch kontrolliertes Gefängnis gebracht worden. Eine russische Regierungssprecherin erklärte, 959 ukrainische Soldaten hätten sich ergeben. Sie seien in eine «Gefangenenkolonie» in  Oleniwka bei Donezk gebracht worden. Was mit ihnen geschieht, ist unklar.

Um das Leben der im Asowstal ausharrenden Kämpfer zu schonen, hatte die Ukraine ihre Truppen in Mariupol zurückgezogen. Da das Wasser und die Lebensmittel ausgingen, hätten die Eingeschlossenen nicht mehr lange überlebt.

Die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Zakharova, sagte, dass sich seit Dienstag 959 ukrainische Soldaten ergeben hätten. 51 von ihnen würden wegen ihrer Verletzungen behandelt, die übrigen seien in eine ehemalige Gefangenenkolonie in der Stadt Oleniwka gebracht worden. Oleniwka liegt südwestlich von Donezk in der von pro-russischen Kräften dominierten Ostukraine.

Evakuierte
Abtransport von Evakuierten in die russisch dominierte Ostukraine (Foto: Keystone/AP)
IKRK
Delegierte des IKRK überwachen die Übergabe der Evakuierten. (Foto: Keystone/AP)

Die Ukraine hofft, dass die Evakuierten gegen gefangen genommene russische Soldaten ausgetauscht werden. Die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin sagte jedoch, sie wisse nicht, ob die Ukraine genügend russische Kriegsgefangene habe.

Am Mittwoch liess Russland durchblicken, dass die Evakuierten als «Kriegsverbrecher» betrachtet würden. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow weigerte sich zu sagen, ob sie als «Kriminelle» oder als «Kriegsgefangene» behandelt werden würden.

Genfer Konventionen

Laut den Genfer Konventionen müssen die ukrainischen Kämpfer, die sich ergeben haben, «menschlich behandelt und vor Gewalt, Einschüchterung, Beleidigungen und öffentlicher Neugier geschützt werden». Sie müssen mit Nahrung und Kleidung versorgt und medizinisch betreut werden. Delegierte des IKRK, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, haben das Recht, die Kriegsgefangenen zu besuchen und die Einhaltung der Konventionen zu überwachen.

Geregelt ist die Behandlung von Kriegsgefangenen in der dritten Genfer Konvention, die auch Russland ratifiziert hat.

Artikel 13 der dritten Genfer Konvention besagt

«Die Kriegsgefangenen sind jederzeit mit Menschlichkeit zu behandeln. Jede uner­laubte Handlung oder Unterlassung seitens des Gewahrsamsstaates, die den Tod oder eine schwere Gefährdung der Gesundheit eines in ihrem Gewahrsam befindli­chen Kriegsgefangenen zur Folge hat, ist verboten und als schwere Verletzung des vorliegenden Abkommens zu betrachten. Insbesondere dürfen an den Kriegsgefan­genen keine Körperverstümmelungen oder medizinische oder wissenschaftliche Ver­suche irgendwelcher Art vorgenommen werden, die nicht durch die ärztliche Behandlung des betreffenden Kriegsgefangenen gerechtfertigt sind und nicht in seinem Interesse liegen.

Die Kriegsgefangenen müssen ferner jederzeit geschützt werden, namentlich auch vor Gewalttätigkeit oder Einschüchterung, Beleidigungen und der öffentlichen Neu­gier.

Vergeltungsmassnahmen gegen Kriegsgefangene sind verboten.»

Artikel 14 der dritten Genfer Konvention besagt

«Die Kriegsgefangenen haben unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Ehre.

Frauen sind mit aller ihrem Geschlecht geschuldeten Rücksicht zu behandeln und müssen auf jeden Fall die gleich günstige Behandlung erfahren wie die Männer.

Die Kriegsgefangenen behalten ihre volle bürgerliche Rechtsfähigkeit, wie sie im Augenblick ihrer Gefangennahme bestand. Der Gewahrsamsstaat darf deren Aus­übung innerhalb oder ausserhalb seines Gebietes nur insofern einschränken, als es die Gefangenschaft erfordert.»

Artikel 15 der dritten Genfer Konvention besagt

«Der Gewahrsamsstaat ist verpflichtet, unentgeltlich für den Unterhalt der Kriegs­gefangenen aufzukommen und ihnen unentgeltlich die ärztliche Behandlung angedei­hen zu lassen, die ihr Gesundheitszustand erfordert.»

Ein Symbol fällt

Die fast drei Monate lange umkämpfte ukrainische Hafenstadt Mariupol befindet sich nun vollständig in russischen und pro-russischen Händen. Keine Stadt hatte so sehr gelitten wie Mariupol. Sie war zum Symbol des ukrainischen Widerstandes geworden.

Mariupol
Das russische Verteidigungsministerium führte am Mittwoch Journalisten durch die weitgehend zerstörte Stadt. (Foto: Keystone/AP)
Denis Pushilin
Zu den Besuchern der Stadt gehörte am Mittwoch Denis Pushilin, der Anführer der pro-russischen, sezessionistischen «Volksrepublik» Donezk. Pro-russische Kämpfer haben eine grossen Anteil an der Eroberung Mariupols. Sie waren von regulären russischen Truppen und von tschetschenischen Soldaten unterstützt worden. (Foto: Keystone/AP)

Denis Puschilin sagte, die weitgehend zerstörte Hafenstadt Mariupol, einschliesslich des Stahlkomplexes Asowstal, werde als «Ferienort» wieder aufgebaut. Der Stadtrat von Mariupol erklärte in einem eigenen Telegrampost, die Idee zeige, dass Russland jede Erinnerung an die «heldenhafte» Haltung der Ukraine im Asowstal-Komplex auslöschen wolle.

Kämpfe im Osten

Während Russland die vollständige Eroberung von Mariupol feiert, dringen die ukrainischen Kräfte rund um Charkiw vor. Nach eigenen Angaben wurden die Russen zurückgedrängt. Dutzende russischer Soldaten seien ums Leben gekommen.

Weiter südlich versuchen die russischen Truppen bei Luhansk und Donezk vorzudringen.

Bei Charkiw
Ein ukrainischer Soldat mit getöteten Russen beim Dorf Malaya Rohan bei Charkiw (Foto: Keystone/AP/Andrii Marienko)

Biden trifft Niinistö und Andersson

Der amerikanische Präsident Joe Biden trifft am Donnerstag in Washington mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö und der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson zusammen. Am Tag zuvor hatten Finnland und Schweden bei der Nato in Brüssel offiziell ein Beitrittsgesuch eingereicht. Die USA unterstützen die Bemühungen der beiden Länder, dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis beizutreten. Würden Finnland und Schweden aufgenommen, würde die Nato künftig 32 Mitgliedstaaten zählen und eine sehr lange Grenze zu Russland haben. Die Türkei lehnt die Anträge der beiden Länder ab und beschuldigt sie, antitürkischen Extremisten Unterschlupf zu gewähren.

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