Der ukrainische Präsident will den nächstjährigen Eurovision Song Contest in der Ukraine austragen. Die ukrainische Band Kalush Orchestra hatte am Samstagabend in Turin den Contest nicht ganz unerwartet gewonnen. «Im nächsten Jahr empfängt die Ukraine den ECS» schrieb er auf Twitter. Die ukrainische Band appellierte am Schluss ihres Auftritts an die Welt: «Bitte, helft der Ukraine, helft Mariupol, helft Asowstal gerade jetzt.»
«Unser Mut beeindruckt die Welt, unsere Musik erobert Europa! Im nächsten Jahr empfängt die Ukraine den Eurovision! Zum dritten Mal in unserer Geschichte», erklärt Selenskyj. Der ukrainische Kulturminister Olexandr Tkatschenko schrieb auf Telegram, die Regierung fange an, darüber nachzudenken, wo man den Eurovision Song Contest veranstalten könnte. Ein ukrainischer Beamter fügte bei: «Nächstes Jahr in Kiew oder Mariupol oder Charkiw.»
Die Ukrainer gewannen mit 631 Punkten deutlich vor dem britischen Sänger Sam Ryder, der mit 466 Punkten auf dem zweiten Platz landete. Es ist üblich, dass die Gewinnernation den nächstjährigen Wettbewerb veranstaltet.
Der britische Premierminister Boris Johnson würdigte die Symbolik des ukrainischen Sieges beim Eurovision Song Contest. «Es ist nicht nur ein klares Zeichen für ihr Talent, sondern auch für die unerschütterliche Unterstützung ihres Kampfes für die Freiheit», sagte Johnson und gratulierte dem Briten Sam Rider für den zweiten Platz.
«Historischer Tag» für Finnland
«Ein neues Zeitalter beginnt», erklärten der finnische Präsident Sauli Niinistö und die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin am Sonntag in Helsinki. Das Land werde in den nächsten Tagen offiziell einen Antrag auf eine Nato-Mitgliedschaft stellen. Das finnische Parlament muss dem Schritt noch zustimmen, eine Mehrheit gilt als sicher.
Auch das bisher bündnisfreie Schweden will der Nato beitreten.
Die schwedische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson sagt, die Entscheidung ihres Landes, sich um die Nato-Mitgliedschaft zu bewerben, sei «nicht gegen Russland gerichtet», sondern das Beste für Schweden.
Zuvor hatte sie erklärt, dass die Entscheidung, dem Bündnis beizutreten, Schweden zu mehr Sicherheit verhelfen werde.
Andersson bestätigt, dass ihre Partei hofft, Schwedens Beitrittsantrag so weit wie möglich mit dem Finnlands zu synchronisieren.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Absicht Finnlands, der Nato beizutreten, als Fehler bezeichnet.
Sauli Niinistö hatte gestern mit Wladimir Putin telefonier. Putin habe Finnland vor einem Nato-Beitritt gewarnt. Es wäre ein Fehler, wenn Finnland dem Militärbündnis beiträte, sagte der Kreml-Chef.
Niinistö sagte am Sonntag, es sei wichtig, sich daran zu erinnern, dass sich durch die Nato-Mitgliedschaft die geografische Lage nicht ändern würde und Finnland weiterhin eine breite Land- und Seegrenze zu Russland hätte. Er hoffe und bezweifle nicht, dass Russland bereit ist, seine «täglichen Verpflichtungen» im Interesse beider Länder fortzusetzen. Als Beispiel führt er das Nato-Mitglied Norwegen an, das ebenfalls eine Grenze zu Russland hat. Beide Länder halten ihre Arbeitsbeziehungen aufrecht.
«Ein Drittel der Kampftruppen verloren»
Die russische Offensive zur Eroberung von Gebieten in der Ostukraine hat nach Angaben des britischen Militärgeheimdienstes «an Schwung verloren». Russland habe im letzten Monat «hohe Verluste» erlitten und «wahrscheinlich ein Drittel der im Februar eingesetzten Bodenkampftruppen verloren».
«Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist es unwahrscheinlich, dass Russland seinen Vorstoss in den kommenden 30 Tagen dramatisch beschleunigen kann», erklärt das britische Verteidigungsministerium.
Der Sprecher des Pentagon, John Kirby, sagte, es sei nicht Sache Russlands zu entscheiden, ob Schweden und Finnland der Nato beitreten. Kirby reagierete damit auf Putins Warnung, wonach ein Beitritt der beiden Staaten ein Fehler sei.
Die Türkei als Vermittlerin
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj hatte am Freitag gesagt, «einflussreiche Vermittler» seien eingesetzt worden, um die im Stahlwerk Mariupol verschanzten verwundeten Kämpfer evakuieren zu können. Jetzt wurde bekannt, dass es sich dabei um türkische Diplomaten handelt. Die Lage im Asowstal-Werk wird immer bedrohlicher. Den verbliebenen Kämpfern gehen die Lebensmittel und das Wasser aus. Die Ehefrauen einiger der Gefangenen forderten den chinesischen Präsidenten Xi Jinping zum Eingreifen auf. Sie hoffen, dass sein Einfluss Putin umstimmen könnte.
Auch am Samstag bombardierten russische Truppen das Stahlwerk.
Die türkischen Bemühungen werden erschwert, da die Kämpfe in der Region Mariupol andauern. Zudem hätten weder die Ukraine noch die Russen ihre Zustimmung zu dem türkischen Evakuierungsplan gegeben, erklärte der türkische Präsidentensprecher am Samstag.
Ibrahim Kalin sagte, die Türkei habe mit der Ukraine und Russland gesprochen und versucht, eine Einigung zu finden, obwohl beide Seiten immer wieder ihre Positionen änderten.
«Es hängt wirklich davon ab, wie die Russen die Kriegssituation vor Ort und die Gespräche sehen», sagte er. «Die Schlacht vor Ort beeinflusst die Verhandlungen. Die Positionen ändern sich von einem Tag auf den anderen. Alles ist sehr fliessend.»
Der bisher grösste Flüchtlingskonvoi
Ein Konvoi mit Flüchtlingen aus der Stadt Mariupol (nicht aus dem Stahlwerk) sind in der südukrainischen Stadt Saporischschja eingetroffen. Es war die grösste Evakuierung seit dem Einmarsch der Russen am 24. Februar. Die Flüchtlinge verliessen Mariupol auf eigene Faust und schlugen sich zunächst nach Berdjansk durch. Von dort aus konnten sie mit Autos und Lieferwagen ins 200 Kilometer entfernte Saporischschja in Sicherheit gebracht werden. Ein Berater des Bürgermeisters von Mariupol sagte, dass der Konvoi zwischen 500 und 1000 Autos umfasste.
Vor einem langen Krieg
Nachdem die ukrainischen Streitkräfte bei Charkiw die Russen zurückgedrängt hatten, sind ukrainische Verbände bei Isjum in die Offensive gegangen. Das russische Ziel, die ukrainischen Soldaten einzukreisen, ist nach Angaben von Militäranalysten «in weite Ferne» gerückt. Sie erklären jedoch, der Krieg sei jetzt in eine neue Phase getreten und könne lange andauern.
Selenskyj beschrieb am Samstagabend die Lage im ostukrainischen Donbass als «sehr schwierig». Die Russen würden dort versuchen, «wenigstens einen gewissen Sieg» zu erringen. Die Ukraine werde die Besatzer zwingen, «Schritt um Schritt unser Land zu verlassen».
Nach Berichten des ukrainischen Generalstabs greifen die russischen Truppen im Donbass auf breiter Front an, vor allem in der Region Donezk. Im Gebiet Siewerodonezk formierten sich die russischen Truppen um.
Mitch McConnell bei Selenskyj
Senator Mitch McConnell aus Kentucky, der republikanische Minderheitsführer im Senat, ist in Kiew mit Präsident Selenskyj zusammengetroffen. Er befindet sich in Begleitung von drei weiteren republikanischen Senatoren. Selenskyj sagte, er habe die USA aufgefordert, Russland als «terroristischen Staat» zu bezeichnen. Bei dem Treffen seien «verschiedene Bereiche der Unterstützung für unseren Staat, einschliesslich der Verteidigung und der Finanzen», erörtert worden.
Verkürzte Ausgangssperre in Kiew
Die Ausgangssperre in der ukrainischen Hauptstadt Kiew beginnt jetzt eine Stunde später als bisher. Die öffentlichen Verkehrsmittel in der Stadt werden ab heute Sonntag länger fahren. Dies gab Witali Klitschko, der Bürgermeister der Stadt bekannt. Obwohl neue russische Angriffe auf Kiew nicht ausgeschlossen werden, haben viele Bewohner und Bewohnerinnen der Stadt ihre Schutzräume verlassen und versuchen zu ihrem früheren Lebensrhythmus zurückzukehren. Klitschko warnte jedoch, dass sich die Situation rasch wieder ändern könnte.
(Wird laufend aktualisiert)
Journal 21