Eine vomr IKRK geplante grossangelegte Evakuierung von Menschen aus der seit Wochen eingekesselten und bombardierten südukrainsichen Stadt Mariupol ist am Freitag erneut gescheitert. Zwar haben 3000 Zivilisten die Stadt in Bussen verlassen können, nachdem Russland zugestimmt hatte, einen humanitären Korridor zu öffen. Doch ein Team des IKRK, das eine umfangreiche Evakuierung geplant hatte, musste umkehren. Die Gefahr bestand, dass die Rotkreuz-Helfer von pro-russischen oder russischen Kräften beschossen werden.
Wird laufend aktualisiert
- Evakuierung in Mariupol gescheitert
- Ukraine dementiert Angriff auf russisches Gebiet?
- Depardieu greift Putin an
- Neue Friedensverhandlungen
- «Selbstisolierung Putins»
- Ukrainische Erfolge bei Cherson
- Biden gibt Rohöl frei
Zehntausen Tote in Mariupol?
Einige Busse mit Flüchtlingen hätten die Stadt verlassen, sagt ein Berater des Bürgermeisters. Russland hatte nach wochenlangem Hin und Her zugestimmt, «humanitäre Korridore» zu errichten, um Nahrungsmittel, Wasser und Medikamente in die Stadt zu bringen. Andererseits sollten Zehntausende über diese Korridore die Stadt verlassen können.
Doch erneut scheiterte eine grossangelegte vom IKRK, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, geplante Evakuierung. Schon in den letzten Wochen wurden Hilfskonvois immer wieder von pro-russischen oder russischen Kräften beschossen. Das IKRK formuliert es diplomatisch: «DIe Bedingungen eine Weiterfahrt sind verunmöglich worden.»
«Es scheint einen Hoffnungsschimmer zu geben, dass wir nach Mariupol gehen können», hatte am Donnerstagabend eine IKRK-Sprecherin in Genf. erklärt Ziel wäre es gewesen, humanitäre Soforthilfe zu leisten. Doch dazu kommt es nicht. Man habe von den Russen keine Erlaubnis erhalten, Hilfsgüter mit dem Konvoi in die Stadt zu bringen und sei daher ohne Vorräte losgefahren, erklärte ein IKRK-Sprecher vor Ort.
Die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Iryna Vereshchuk, sagte am Donnerstag, dass ein Konvoi von 45 Bussen nach Mariupol aufgebrochen sei, um die eingeschlossenen Zivilisten zu erreichen. Mit Bussen sollen dann Tausende evakuiert werden. Man geht davon aus, dass bis zu 10’000 Zivilisten in Mariupol ums Leben gekommen sind. Die Stadt wird fast pausenlos bombardiert. Die Überlebenden sind in Kellern ohne Heizung oder Strom eingeschlossen. Es fehlt ihnen an Lebensmitteln, Wasser und anderen lebenswichtigen Dingen. Sollte die Evakuierung gelingen, so wird erwartet, dass die Menschen nach Saporischschja gebracht werden, einer Stadt, die unter ukrainischer Kontrolle steht.
Depardieu greift Putin an
Der französische Schauspieler Gérard Depardieu greift Purin scharf an und wirft ihm «verrückte, inakzeptable Entgleisungen» vor. Depardieu galt als Russland-Freund und besitzt seit Jahren einen russischen Pass. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärt, Depardieu verstehe «höchstwahrscheinlich nicht vollständig», was los sei. «Wir sind gerne bereit, ihn aufzuklären, damit er besser versteht».
Unklare Lage rund um Kiew und Tschernihiw
Hat Russland nun doch einige Truppeneinheiten aus dem Raum Kiew und Tschernihiw abgezogen. Die Informationen widersprechen. Die Gouverneure von Kiew und Tschernihiw erklärten am Nachmittag, russische Truppen hätten sich von der Stadt enfernt. Einheiten, die sich vorher nördlich von Kiew befunden hätten, seien in Richtung Belarus abgezogen worden.
Zuvor hatten amerikanische und britische Geheimdienste erklärt, die Russen hätten die militärische Präsenz rund um die Hauptstadt nicht wesentlich reduziert. «Wir müssen mit weiteren Offensivaktionen rechnen», sagt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Der britische Militärgeheimdienst rechnete mit einem Angriff auf Kiew in den nächsten Tagen. Russlands Gerede von einer Deeskalation sei nur «schöne Rhetorik», sagt ein Pentagon-Beamter.
«Deutlich erhöhte Lufteinsätze»
Kiew werde jetzt vor allem aus der Luft bedroht. In den vergangenen 24 Stunden sei die Zahl der Lufteinsätze deutlich erhöht worden, sagt ein hochrangiger Pentagon-Beamter. Neben Kiew werde auch Tschernihiw mit Bomben belegt.
Präsident Wolodimir Selenskyj sagte: «Russische Raketen treffen täglich unsere Städte und die zivile Infrastruktur. Für die russischen Truppen gibt es keine verbotenen Ziele. Sie greifen alles an, von Krankenhäusern bis zu Flughäfen, von Lebensmittelläden bis zu Wohngebieten.»
Ukraine dementiert Angrif auf russisches Gebiet
Nach Angaben eines russischen Generalgouverneurs haben zwei ukrainische Helikopter am frühen Freitagmorgen auf russisches Gebiet ein Treibstofflager nahe von Belgorod beschlossen. Sollte sich der ukrainische Angriff bestätigen, wäre es der erste auf russisches Gebiet. Das Öllager gehört dem russischen Konzern Rosneft. Videos von brennenden Öltanks scheinen den Angriff zu bestätigen. Belgorod liegt 40 Kilometer hinter der ukrainisch-russischen Grenze. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, der Angriff sei den ukrainisch-russischen Gesprächen «nicht dienlich».
Die Ukraine dementiert, etwas mit dem Angriff zu tun zu haben. Olexij Danilow vom Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates sagt. «Aus irgendwelchen Gründen behauptet Russland, wir waren es. Nach den Informationen, die ich habe, entspricht das nicht der Wahrheit», erklärt er.
Neue Friedensverhandlungen
Am Freitag sind die Friedensverhandlungen zwischen einer ukrainischen und einer russischen Delegation via Video-Schalte weitergeführt worden. Die beiden Delegationen hatten sich am Dienstag in Istanbul persönlich getroffen. Über die Ergebnisse dieser Gespräche wurden verschiedene Versionen publik. Während der russische Delegationsleiter von Fortschritten sprach, sagte der Kreml-Sprecher, man sei sich in den wichtigen Punkten nicht näher gekommen. Auch der ukrainische Präsident Selenskyj sagte, die Verhandlungen hätten «ausser Worten» nichts gebracht. Der russische Aussenminister Sergej Lawrow sprach am Freitag von Fortschritten bei den Verhandlungen. Die Regierung in Moskau bereite zur Zeit eine Antwort auf ukrainische Vorschläge vor.
Russland verlegt Truppen von Georgien in die Ukraine
Laut dem Geheimdienst des britischen Verteidigungsministeriums hat Russland 1200 bis 2000 russische Soldaten aus Georgien abgezogen und sie in die Ukraine verlegt. Gemäss dem «latest defence intelligence update» sei dies ein Hinweis auf unerwartete russische Verluste.
Syrische Kämpfer auf dem Weg in die Ukraine
Hunderte von syrischen Kämpfern sind auf dem Weg zu den russischen Streitkräften in der Ukraine. So «bedanken» sie sich bei Moskau für die Unterstützung, die Putin dem syrischen Präsident Asad bei der Niederschlagung der Rebellen in Syrien gewährt hat.
Russische Soldaten verlassen Tschernobyl
Die russischen Einheiten, die wochenlang das stillgelegte Atomkraftwerk Tschernobyl belagerten, sind abgezogen worden. Zuvor erschienen Berichte, wonach einige russische Soldaten verstrahlt worden seien. Der Sprecher des Pentagon, John Kirby, sagte, der Abzug habe mit einer Neupositionierung der russischen Truppen zu tun – und nicht mit einem medizinischen Notfall.
«Selbstisolierung» Putins
Präsident Biden erklärte, Präsident Putin «scheint sich selbst zu isolieren». Es gebe Hinweise darauf, «dass er einige seiner Berater entlassen oder unter Hausarrest gestellt hat». Doch Biden fügte bei: «Ich möchte dem diesmal nicht zu viel Bedeutung beimessen, weil wir nicht so viele handfeste Beweise haben.»
Zuvor hatten der amerikanische und der britische Geheimdienst erklärt, Putin sei von seinen engsten Mitarbeitern allzu positiv über den Verlauf der russischen Militäraktion informiert worden. «Seine Mitarbeiter haben Angst, ihm die Wahrheit zu sagen», sagte ein amerikanischer Beamter.
Auf die Frage eines Journalisten, warum Putin sich nicht einfach im Internet mithilfe von Google informiere, sagte der Pentagon-Beamte: «Ich kann nichts über die Internetgewohnheiten von Herrn Putin sagen oder darüber, wonach er sucht oder nicht sucht.»
Ukrainische Erfolge bei Cherson?
Ukrainische Streitkräfte haben rund um die südukrainische Stadt Cherson elf Siedlungen zurückerobert. Cherson war die erste Stadt, die fast vollständig in die Hände der Russen fiel. Inzwischen ist es den Ukrainern offenbar gelungen, weite Teile der Stadt zurückzuerobern. Die Bevölkerung habe die ukrainischen Streitkräfte freudig begrüsst, heisst es in ukrainischen Medienberichten. Ein ukrainischer Beamter sagte, Russland plane, in der Region Cherson eine «Volksrepublik» zu errichten wie in Donezk und Luhansk.
Auch rund um Kiew und Tschernihiw haben die Ukrainer nach eigenen Angaben Terrain gutgemacht.
Biden gibt Ölreserven frei
Die USA werden wegen der steigenden Energiepreise bis zu 180 Millionen Barrel Öl aus einer strategischen Reserve freigeben. So sollen die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Krieges abgefedert werden. Die Regierung werde für die nächsten sechs Monate jeden Tag durchschnittlich eine Million Barrel Rohöl freigeben, erklärt die amerikanische Regierung. Das sei die «grösste Freigabe der Ölreserven in der Geschichte».
Italien enteignet Oligarchen
Italien hat Villen und Jachten von russischen Oligarchen im Wert von fast einer Milliarde Euro beschlagnahmt. Dies erklärte der italienische Aussenminister Luigi Di Maio in mehreren Zeitungsinterviews. «Wir halten uns strikt an unsere internationalen Verpflichtungen. Bis jetzt habe Italien Villen und Jachten «im Gesamtwert von rund 900 Millionen Euro beschlagnahmt. Wir waren schnell und konsequent und werden dies auch weiterhin sein», sagte Di Maio.
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Journal 21
Quellen: BBC, New York Times, Washington Post, Associated Press AP, European Pressphoto Agency EPA, ukrainische Nachrichtenagentur «UNIAN», «The Kyiv Independent», «RIA Nowosti», UNHCR, Nato