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Sprach-Akrobatik

Sich neu erfinden

5. Februar 2016
Urs Meier
Die Presse muss es, der Tourismus soll es, der Partei X steht es bevor, der Filmstar Y hat es gerade getan und Frau Z will es auch: total anders werden. Nichts soll bleiben. Im Ernst?

David Bowie hat sich immer wieder neu erfunden. Diese Redewendung fehlte in kaum einer Würdigung des Popstars. Sie ist vom Management-Speak in die Niederungen der Alltagssprache eingeflossen, wo die Floskel «sich neu erfinden» inflationär verwendet wird. Max hat sich nicht einen Bart wachsen lassen, sondern sich neu erfunden. Sofie will ihr neu erlangtes Single-Dasein auch nicht tiefer hängen.

Woher kommt die Redensart, und was meint sie eigentlich? Anders als das Rad, das man bekanntlich nicht «neu erfinden» muss oder wollen soll, meint die Wendung «sich neu erfinden» einen Neustart vom Nullpunkt aus. Das war eine zeitlang in der Managementlehre sehr en vogue: die Methode, Geschäfte oder Organisationen so zu betrachten, als gäbe es sie noch nicht, als könnte man sie am grünen Tisch als völlig neue Idee entwerfen. In der Praxis hat das gewiss kaum je funktioniert; die angeblich so radikalen Methoden bewirken allenfalls Kurskorrekturen, aber keinen Abbruch und Neuaufbau.

So breitspurig wie der Management-Speak ist auch der alltägliche modische Jargon. Unternehmen, ganze Branchen, Parteien, Kultureinrichtungen, Stars und Prominente, inzwischen auch die Frau und der Mann von der Strasse glauben «sich neu erfinden» zu sollen. Wenn überhaupt etwas, dann werden dabei kleinere Retuschen herausschauen. Ist ja auch besser so. Dem Erfinden als Volkssport wäre nicht über den Weg zu trauen. Besonders dann nicht, wenn es tatsächlich um das Erfinden seiner selbst gehen sollte.

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