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US-Strategie

Scheidung von Europa?

7. Dezember 2025
Erich Gysling
Erich Gysling
Website Weisses Haus
Auf der Website des Weissen Hauses verkündet Trump, Amerika sei wieder da, aber – wie die ebenfalls dort vor zwei Tagen veröffentlichte Nationale Sicherheitsstrategie klarstellt – nur noch für sich selbst.

Die Trump-Regierung hat in einem 33-seitigen Papier ihre neue Sicherheitsstrategie veröffentlicht. Sie formuliert eine aussenpolitische Neuausrichtung der USA und liest sich wie ein Scheidungsdokument zwischen den Vereinigten Staaten und Europa.

«Bei allem, was wir tun, stellen wir Amerika an die erste Stelle», schreibt Donald Trump in diesem Paper. Er warnt nicht nur vor einer «zivilisatorischen Auslöschung» Europas durch Wokeismus und Immigration, sondern schildert sogar die aktuelle politische Situation in den Ländern der Europäischen Union als Bedrohung von US-amerikanischen Interessen. Es sei fraglich, ob die Europäer die Zusammenarbeit mit Amerika innerhalb der Nato noch richtig verständen. 

Keine Spur von Kritik am Aggressorregime Wladimir Putins, dafür aber Kritik an Deutschland wegen der angeblich starren Haltung gegenüber Moskau. Einen Hoffnungsschimmer für den «alten Kontinent» sieht Trump einzig im Erstarken von rechtspopulistischen Parteien wie Vox in Spanien, der AfD in Deutschland oder des Rassemblement National in Frankreich. Das Strategiepapier enthält auch klare Hinweise darauf, dass die USA solche Parteien unterstützen und in Europa Kurskorrekturen herbeiführen wollen. 

Empörung und Ratlosigkeit in Europa

Kein Wunder, dass die Publikation bei europäischen Politikern und Politikerinnen die Alarmglocken ertönen liess. Frankreichs Präsident Macron gab offen seiner Empörung Ausdruck. Deutschlands Regierung blieb vorsichtiger: Der deutsche Aussenminister Wadephul äusserte lediglich, er glaube nicht, «dass irgendjemand uns da Ratschläge geben muss». Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, wies die Vorwürfe aus Washington, in Europa herrschten verbreitet Zensur und die Unterdrückung der freien Meinung, zurück – die EU-Aussenbeauftragte, Kaja Kallas, rang dagegen um versöhnliche Töne: «Die USA sind immer noch unser grösster Verbündeter», sagte sie.

Die Europäer befinden sich gegenüber der US-Regierung schon seit Monaten im Dilemma: Soll man Donald Trump schmeicheln in der Hoffnung, ihn so bei Laune zu halten – oder sollte man ihm vielmehr mit klaren Argumenten entgegentreten? Die französische Tageszeitung «Le Monde» spitzte die verbreitete Ratlosigkeit so zu: «L’ère Trump, un cauchemar pour la diplomatie européenne, entre flagornerie et humiliations» (zwischen Speichelleckerei und Demütigungen). 

Selbst die wohlmeinendsten Europäer müssen erkennen, dass die «flagornerie» nur in jenen seltenen Fällen etwas Positives bewirkt, wenn Trump zufälligerweise gerade in jovialer Laune ist; meistens quittiert Trump Schmeicheleien nachträglich mit Spott. Nato-Generalsekretär Rutte etwa, der dem US-Präsidenten gerne nach dem Mund redet, musste bittere Erfahrungen machen – Trump spottete vor Pressevertretern offen über die kurz zuvor von Rutte erfahrenen Nettigkeiten.

Schwindende US-Unterstützung für die Ukraine

Also, was sollen die europäischen Politiker tun? Das vordinglichste Problem ist der Krieg in der Ukraine. Und da kann niemand mehr mit ausreichender Unterstützung durch die USA rechnen. Donald Trump bewilligt zwar den Verkauf amerikanischer Waffen für die Unterstützung der Ukraine, aber zahlen dürfen das die Europäer. 

Nun wollen die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Grossbritannien in der kommenden Woche, zusammen mit Präsident Selenskyj, in London beraten, wie man wenigstens vermeiden kann, dass die Ukraine einem Kriegsende in der Form einer Kapitulation zustimmen muss. «Aus einer Position der Stärke heraus» könne man wohl Präsident Selenskyj zumuten, einen sogenannten Frieden zu besiegeln, lautet der Tenor. 

Was das genau heisst, bleibt offen. Man wird die Ukraine wohl dazu drängen, massive Gebietsverluste in Kauf zu nehmen, das heisst, zu einem Dreiviertel-Staat zu schrumpfen. Und sich darauf zu verlassen, dass eine vage Sicherheitsgarantie durch die USA genügt, um eine weitere Aggression durch Putins Russland zu vermeiden.

Die Trump-Administration scheint das nicht zu kümmern. «America first» lautet, wie erwähnt, die Devise. Bis vor kurzem verstand die Aussenwelt das noch als eine eher unverbindliche Parole, aber jetzt, nach der Veröffentlichung der neuen Strategie-Doktrin, wissen alle: Das ist blutiger Ernst.

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