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Zum Hinschied von Francis Reusser

Rebell mit aufklärerischer Mission

11. April 2020
Alex Bänninger
Francis Reusser im Oktober 1998 (Foto: Keystone/Patrick Aviolat)
Francis Reusser im Oktober 1998 (Foto: Keystone/Patrick Aviolat)
Lange krank, verstarb Francis Reusser 78-jährig in der Nacht auf den Karfreitag. Der Schweizer Film verliert einen kreativen und provozierenden Regisseur.

Unter den rasend schnell sprechenden Menschen war Francis Reusser ein Medaillengewinner. In Höchstgeschwindigkeit redend, legte er unterbrechungslos Marathondistanzen zurück, Satz für Satz glasklar, eindringlich, feurig als wäre nicht bei einem Gegenüber die Begeisterung für eine Erkenntnis oder ein Projekt zu wecken, sondern bei jedem Einzelnen an einer Massenveranstaltung. Diese Beschwörungen waren intellektuell messerscharf, mit aller Selbstverständlichkeit provozierend, anstrengend, aber nie unerträglich. Der zornige Francis Reusser zeigte auch eine Liebenswürdigkeit, obwohl ihm Konzilianz fremd war, keinen Zweifel offenlassend, von einer Gegenmeinung schwer überzeugbar zu sein.

„Goldener Leopard‟ und „César‟

Sein Lebensweg war der eines Linken, eines Rebellen bis hin zur Mitgliedschaft in einer maoistischen Bewegung. Francis Reusser, 1942 in Vevey geboren, nach dem Ableben seiner Eltern in einem Jugenderziehungsheim wohnend, absolvierte die École de photographie in Vevey, später eine Ausbildung bei Télévision Suisse Romande, wo er Fernsehmagazine realisierte und 1964 mit „Antoine et Cléopatre‟ seinen ersten Film, einen fiktionalen, realisierte. Ein gutes Dutzend sollte es bis zu seinem letzten im Jahr 2018 werden.

Für „Le Grand Soir‟ wurde er 1976 am Filmfestival von Locarno mit dem Goldenen Leoparden und am Festival de Hyères mit dem Grossen Preis ausgezeichnet. Den „César‟ für den besten französischsprachigen Film erhielt er 1985 mit „Derborance‟, der resonanzstarken Verfilmung des gleichnamigen Romans von Charles-Ferdinand Ramuz. Der Kanton Waadt ehrte den Regisseur vergangenen Jahres mit dem Grossen Kulturpreis.

Mut und Obsession

Francis Reussers Leidenschaft waren die Menschen in den Bergen, überhaupt in der Natur. Er drehte in der Schweiz der touristischen Schönheit, ihr niemals huldigend, sondern um vor ihrem Hintergrund eine Schweiz der Brüche und der Widersprüche kontrastreich sichtbar zu machen. Existenzielle Konflikte in der Idylle, parteinehmend für jene, die mit Behörden in Streit gerieten, sich gegen moralische und religiöse Zwänge wehrten, sich mit der eigenen Familie überwarfen oder an sich selber scheiterten.

Was der bohrend analysierende Blick auf Zerwürfnisse und Not als Ursachen erkannte, formulierte Francis Reusser als Appell, das Land offener, freier und sozial gerechter zu gestalten. Die Gefahr, dass daraus Pamphlete würden, bannte der Regisseur mit seiner Kunst, dramaturgisch gestalten und Schauspieler führen zu können. In der Erinnerung bleibt auch der Mut, Experimente zu wagen, kühne und überraschende, mit Obsession geplant, mit Sorgfalt realisiert.

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