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zürich

Rau und grau und wunderschön

30. Juli 2016
Annette Freitag
Das Landesmuseum Zürich: Ensemble aus Alt und Neu. Blick vom Neumühlequai im Januar. © Roman Keller
Das Landesmuseum Zürich: Ensemble aus Alt und Neu. Blick vom Neumühlequai im Januar. © Roman Keller
Was wurde geschnödet und gemäkelt, was wurde kleinmütig gemeckert und grossmäulig kritisiert, als vor ein paar Jahren das Projekt des Anbaus des Landesmuseums auf dem Zürcher Platzspitz präsentiert wurde.

Ein grober Klotz sei das, hiess es, rau und grau, hässlich und so ganz ohne Türmchen und hübsche bauliche Accessoires. Und jetzt?

Rau und grau ist es immer noch. Aber was für ein Wurf! Was für eine geniale Lösung. Richtig stolz kann man sein auf den neuen Trakt des alten Landesmuseums. So viel Platz auf relativ kleinem Raum. So viele überraschende Durchblicke, so viel Grandezza zwischen Betonwänden, die den urbanen Charme von Industriebauten verbreiten und den Ausstellungsstücken und Kunstwerken eine grandiose Bühne bieten.

Blick vom Gartenhof auf die Brücke mit Wasserspiel. © Schweizerisches Nationalmuseum.
Blick vom Gartenhof auf die Brücke mit Wasserspiel. © Schweizerisches Nationalmuseum.

Denn darum geht es ja: Geschichte lebendig zu zeigen anhand von Bildern, Gegenständen, Videos und auch dank interaktiver Screens. «Geschichten erzählen» nennt dies Andreas Spillmann, der Direktor des Landesmuseums. Und tatsächlich, so wie Geschichte und Geschichten hier erzählt werden, hört man gerne zu.

Lesesaal der Bibliothek und des Studienzentrums mit Blick ins Freie. © Roman Keller
Lesesaal der Bibliothek und des Studienzentrums mit Blick ins Freie. © Roman Keller

Zu neuen Ufern

Erzählt wird gleich zum Auftakt von der Renaissance in Europa. Eine Zeit des Aufbruchs und des Austauschs. Auf der Basis des Wissens und der Erkenntnisse der Vergangenheit ist man zu neuen Ufern aufgebrochen. Dies auch im buchstäblichen Sinne. Christoph Kolumbus bestieg sein Schiff in der Annahme, im Osten anzukommen, und entdeckte so nebenbei Amerika. In der Kunst waren Universalgenies wie Leonardo da Vinci tätig, der Buchdruck eröffnete ganz neue Möglichkeiten, Wissen zu verbreiten, und in der Malerei tauchten die ersten «Selfies» auf. Künstler blickten in den Spiegel und malten die ersten Selbstporträts. Und überhaupt: Der Mensch als Individuum rückte viel stärker in den Mittelpunkt. So zeigt die Ausstellung auch berühmte Bilder wie das «Armada-Porträt» von Königin Elisabeth I. aus der National Portrait Gallery in London.

Albrecht Dürer (1471–1528), Porträt von Erasmus von Rotterdam, Nürnberg (Vorstudie dazu entstand in Brüssel), 1526. Kupferstich, 24,7 x 19,2 cm. Graphische Sammlung ETH Zürich, Inv.-Nr. 12877.
Albrecht Dürer (1471–1528), Porträt von Erasmus von Rotterdam, Nürnberg (Vorstudie dazu entstand in Brüssel), 1526. Kupferstich, 24,7 x 19,2 cm. Graphische Sammlung ETH Zürich, Inv.-Nr. 12877.

Die Schweiz ist dabei immer Teil von Europa und mittendrin. Über 300 Objekte aus ganz Europa und den USA dokumentieren die themenübergreifende Schau.

Jost Bürgi (1552–1632), Hilmmelsglobus, sogenannter Bürgiglobus, Kassel, 1594.
Messing, vergoldet, H 25,5 cm, Dm. Kugel 14,2 cm.
Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Inv.-Nr. LM-59000.1-2.
Jost Bürgi (1552–1632), Hilmmelsglobus, sogenannter Bürgiglobus, Kassel, 1594.
Messing, vergoldet, H 25,5 cm, Dm. Kugel 14,2 cm.
Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Inv.-Nr. LM-59000.1-2.

100'000 Jahre

Als Dauerausstellung konzipiert ist dagegen «Archäologie Schweiz». Hier wirft das Landesmuseum einen Blick zurück auf die Menschheitsgeschichte von 100'000 v.Chr. bis zur Ausbreitung des Christentums um 800 n.Chr. Wahrlich eine lange Zeit. Zu sehen sind neben Fundgegenständen aber auch grossformatige Zeichenfilme, die direkt auf die Wand projiziert werden und anschaulich darstellen, wie der Mensch seine Welt, die Tiere und Pflanzen domestiziert hat.

Auf einer Fläche von rund 500 Quadratmetern wird das reiche Erbe der Schweizer Archäologie vorgestellt. © Schweizerisches Nationalmuseum
Auf einer Fläche von rund 500 Quadratmetern wird das reiche Erbe der Schweizer Archäologie vorgestellt. © Schweizerisches Nationalmuseum

Und zwischendurch bietet der Neubau immer wieder den Blick durchs runde Bullauge hinaus in unsere Zeit. Zu sehen ist die historische Baumanlage am Platzspitz, die Limmat, der Himmel… auch dies alles höchst malerisch.

Neu ist auch der Eingangsbereich, der jetzt in den alten und in den neuen Teil führt, dazu ein Restaurant, Bistro und Bar und schliesslich ein Museums-Shop mit einem qualitativ hochstehenden und attraktiven Sortiment.

111 Millionen Franken

Vier Jahre ist an dem neuen 111 Millionen Franken teuren Trakt gebaut worden. Die veranschlagten Kosten seien nicht einmal ganz erreicht worden, erklärt Andreas Spillmann mit Genugtuung.

Wie es sich für ein Landesmuseum gehört, wird es am Nationalfeiertag, dem 1. August eröffnet. Beziehungsweise schon ein paar Stunden früher, denn ausnahmsweise hat dann der Tag 26 Stunden… das heisst: Die grosse Eröffnungsfeier beginnt am Sonntag um 18 Uhr und dauert bis zum Montagabend. Geboten wird in dieser langen Nacht fast alles… und wer will, kann die ganze Nacht durchmachen. Langweilig wird’s bestimmt nicht. Weder bei der Eröffnung, noch später im Museums-Alltag, der total entstaubt wurde und in der Neuzeit angekommen ist.

Das Landesmuseum Zürich: Ensemble aus Alt und Neu. Blick vom Neumühlequai im Juli. © Schweizerisches Nationalmuseum. Foto: Gabriel Ammon, aura.ch
Das Landesmuseum Zürich: Ensemble aus Alt und Neu. Blick vom Neumühlequai im Juli. © Schweizerisches Nationalmuseum. Foto: Gabriel Ammon, aura.ch

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