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Gazakrieg

Qatar schmeisst den Bettel hin

10. November 2024
Erich Gysling
Erich Gysling
Gaza
9. November 2024: Binnenvertriebene Palästinenser inspizieren ihre beschädigten Unterkünfte nach einem israelischen Luftangriff auf das Gelände des Al-Aqsa-Märtyrer-Krankenhauses in Deir Al Balah im Zentrum des Gazastreifens. (Keystone/EPA, Mohammed Saber)

Das weltpolitisch rührige Emirat am Persischen Golf sieht für seine Bemühungen um eine Beendigung des Gazakriegs keine Erfolgschancen mehr. Israel lässt nicht ab von seinem Ziel, Hamas zu vernichten, und verbietet nun auch die Hilfsorganisation UNRWA.

Die Ankündigung Qatars, man beende jetzt die Vermittlungsarbeit für einen Waffenstillstand und die Freilassung der noch lebenden israelischen Geiseln im Gazastreifen, ist alarmierend. Sie bedeutet, dass die Bemühungen um ein Ende des bereits mehr als ein Jahr dauernden Konflikts gescheitert sind. Die Begründung der Regierung in Doha wird in einem Satz zusammengefasst: Sie erkenne weder bei Israel noch bei Hamas einen klaren Willen, der Tragödie ein Ende zu setzen. Sollte sich das ändern, fügte sie immerhin an, wäre sie jedoch bereit, sich wieder neu zu engagieren. Das ist allerdings ein schwaches Trostpflaster.

Unvereinbare Positionen

Tatsächlich sind die Vorstellungen beider Seiten unvereinbar: Hamas fordert als Preis für die Geiselfreilassung einen permanenten Waffenstillstand. Israels Regierungschef Netanjahu würde allenfalls eine auf Tage oder bestenfalls Wochen begrenzte Kampfpause zugestehen. Hamas verlangt, mit anderen Worten, eine Garantie für ihr Weiterbestehen. Netanjahu hingegen will sie vernichten. 

Dass dieses Ziel militärisch nicht erreichbar sei, versuchte Yoav Galant als Verteidigungsminister seinem Premier klar zu machen. Er wurde dafür mit der Entlassung aus dem Amt bestraft. Jetzt hat Netanjahu freie Hand, denn Galants Nachfolger, Israel Katz, ist für ihn ein Garant für null Widerspruch, Probleme auf dem Schlachtfeld des Gazastreifens hin oder her. Sukkurs für seine Strategie erhält er auch von den Rechtsaussen-Ministern Ben Gvir und Smotrich sowie vom harten Kern der Siedlerbewegung. Daniella Weiss, eine Galionsfigur der Siedler, jubelt sogar, die Palästinenser würden «verschwinden», und kündigte bereits den Bau jüdischer Siedlungen im Gazastreifen an.

Hunger als Waffe

Wie das Militär im kleinräumigen Kampfgebiet vorgeht, bezeichnet nicht irgendeine ausländische humanitäre Organisation, sondern jetzt auch die israelische Zeitung «Haaretz» unumwunden als ethnische Säuberung. Die Strategie folgt einem Plan, den Giora Eiland, ehemaliger Generalmajor der Armee, folgendermassen skizziert hat: Die palästinensische Bevölkerung soll, wenn nötig durch Hunger, zur Flucht aus dem Norden des Küstenstreifens gezwungen werden. Der Druck auf die 2,2-Millionen-Bevölkerung soll also kontinuierlich erhöht und die Zusammenpferchung in Zeltsiedlungen im südlichen Teil des Gebiets (Grösse vergleichbar jener des Kantons Schaffhausen) weiter intensiviert werden. 

Israels Regierung bestreitet zwar, dass sie diesen Plan realisieren wolle, aber die Tatsachen sprechen für sich: Immer weniger Lebensmittel und Medikamente erreichen den Gazastreifen. Im August und September waren es gemäss Angaben des Uno-Ernährungsprogramms täglich noch etwa 200 Lastwagen, im Oktober nur noch 58. Um eine Hungersnot abzuwenden, wären jedoch pro Tag rund 600 notwendig. 

Ungebrochener Widerstand der Palästinenser

Und was, wenn der in Trümmern liegende Norden (70 Prozent der Häuser der ehemals eine Million Bewohner zählenden Stadt Gaza sind zerstört oder schwerwiegend beschädigt) entvölkert ist? Wird Hamas dann erledigt sein? Die Erfahrung weist in eine andere Richtung: Auch wenn die Führung um Yahya Sinwar eliminiert worden ist, wächst eine neue Generation von zu allem, auch zu Terror Entschlossenen heran und hat sich teilweise bereits organisiert. So sehr, dass die israelische Armee den Küstenstreifen immer von Neuem bis zur ägyptischen Grenze bei Rafah im Süden durchpflügt, um den Widerstand zu brechen. 

Zu dem von Ex-Generalmajor Eiland skizzierten Plan (bisweilen «Plan der Generäle» genannt) passt das vom israelischen Parlament mit überwältigender Mehrheit verfügte Verbot des Flüchtlings-Hilfswerks UNRWA, das in weniger als drei Monaten in Kraft treten soll. Es wird zu einer weiteren drastischen Verknappung der Hilfe für die Bevölkerung des Gazastreifens führen.  

Schweiz schert aus

Bei einem grossen Teil der Classe politique der Schweiz führt das übrigens nicht zu schlaflosen Nächten: Der Nationalrat hat ja mit 99 gegen 88 Stimmen entschieden, die finanzielle Unterstützung für UNRWA zu streichen. Die Schweiz, angebliche Hüterin der humanitären Tradition, befindet sich da einsam auf weiter Flur: Alle anderen europäischen Länder, die ihre Überweisungen an UNRWA vorübergehend sistiert haben, zahlen wieder die vollen Beiträge – aus Sorge um die humanitäre Notlage der 2,2 Millionen Menschen im Gaza-Streifen. 

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