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Rettungsschirme

Parlament ohne Verantwortung

29. September 2011
René Zeyer
Wie viele von den 523 Abgeordneten, die für eine Vergrösserung des Rettungsschirms EFSF stimmten, wussten, was sie taten? Und wer kann sich überhaupt vorstellen, wie viel Geld 211 Milliarden Euro sind? Mit diesem Betrag haftet nun Deutschland.

Die heutige Abstimmung im deutschen Parlament war wegen eines neuerlichen Wortbruchs der Regierung nötig geworden. Noch Anfang 2011 hatte der Finanzminister Schäuble markig verkündet, dass die immer milliardenschwerer werdenden Rettungsschirme für europäische Pleitestaaten wenigstens etwas Gutes hätten: Sie seien garantiert zeitlich begrenzte Notmassnahmen. Ach was, inzwischen ist das Monstrum Europäische Finanzstabilitätsfazilität (EFSF) eine ständige Einrichtung, bis es vom nächsten Monstrum ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) abgelöst wird. Für immer. Also für die überschaubare Zeitspanne, in der es den Euro in seiner aktuellen Form noch geben wird.

Geld wie Heu

Bevor aber Griechenland Pleite erklärt und die bereits künstlich beatmete Fehlgeburt Euro das Zeitliche segnet, hat das deutsche Parlament beschlossen, Bürgschaften in der gigantischen Höhe von 211 Milliarden Euro zu übernehmen. Wofür, wogegen? Das weiss kein Mensch genau. Aber eines ist sicher, das lernt jeder Wirtschaftsstudent im ersten Semester: Wer eine Bürgschaft übernimmt, muss ernsthaft damit rechnen, auch zur Kasse gebeten zu werden. Und hier wurde eine Bürgschaft für eine Aktiengesellschaft nach Luxemburgischem Recht übernommen, denn nichts anderes ist die EFSF, die über 780 Milliarden Euro gebieten soll. Was die genau mit diesem Geld und den Bürgschaften anstellt, ist dem Zugriff des deutschen Parlaments vollständig entzogen. Stattdessen können nun Troikas, EU-Kommissare, gar Gouverneursräte oder Gruppenchefs, was für ein Panoptikum putzig-perverser Titel, über Multimilliarden entscheiden.

Kollektiver Wahnsinn

Wir haben uns schon ausführlich zum Thema «die Zukunft des Euro» geäussert, deshalb zitieren wir doch einen Politiker, dem eine gewisse Sachkenntnis nicht abgesprochen werden kann. Es handelt sich um den Oxford-Absolventen und britischen Aussenminister William Hague. Hellsichtig sagte er schon 1998, die Euro-Zone sei «ein brennendes Haus ohne Ausgang». Das überhebliche Gelächter bei Eurokraten, das diese Aussage provozierte, ist inzwischen verstummt. Nun legte Hague in einem kürzlich veröffentlichten Interview noch nach: «Es war Wahnsinn, dieses System zu schaffen, jahrhundertelang wird darüber als eine Art historisches Monument kollektiven Wahnsinns geschrieben werden.» Dem ist, leider, nichts hinzuzufügen.

Bleibt noch Hoffnung?

Eigentlich nicht, ausser, Holland entschliesst sich, diesem kollektiven neuen Wahnsinn nicht zuzustimmen, damit wäre die Einstimmigkeit unter den 17 Euroländern nicht gegeben, und die Eurokraten müssten sich einen anderen Wahnsinn ausdenken. Da sind sie sowieso schon gut unterwegs. Mit verkniffener Miene widersprach der deutsche Finanzminister Schäuble in der Debatte allen Gerüchten, dass natürlich auch die gerade bewilligten Gelder, wie immer zuvor, nicht ausreichen werden und neuerlich ein Nachschlag verlangt würde. «Jede Verdächtigung ist unanständig und unangemessen», ereiferte er sich. Der Countdown läuft ab jetzt, bis sich auch das als haltloses Geschwätz erweisen wird.

Es wird nachgelegt

Man soll, typischer Bankerfehler, nicht von der Vergangenheit auf die Zukunft schliessen. Aber bislang war jedes Mal, wenn es eine endgültige und definitive Obergrenze eines Rettungsschirms behauptet wurde, in einer Woche, einem Monat, längstens in drei Monaten alles wieder ganz anders. Angeblich zuvor «unvorhersehbare» Entwicklungen machten es neuerlich «alternativlos», schon verlochten Milliarden viele weitere hinterherzuschieben. Wer wagt eine Wette, dass es diesmal nicht so ist?

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