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Nahost

Netanjahu bekennt sich zu «Gross-Israel»

18. August 2025
Erich Gysling
Erich Gysling
Bezalel Smotrich
Der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich zeigt eine Landkarte, auf der die Lage des neuen Siedlungsprojekts auf der Westbank zu sehen ist. (Keystone/AP Photo, Ohad Zwigenberg)

Israel plant im besetzten Westjordanland den Bau einer Siedlung, die, so äusserte der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich, die Idee eines eigenständigen Palästinenserstaats endgültig ins Reich der Illusionen verbannen würde. Und fast zeitgleich zu Smotrichs Präsentation der Baupläne sagte Premier Netanjahu, er fühle sich der Idee von «Erez Israel» in biblischem Sinne (sie beinhaltet ein Gross-Israel weit über die jetzigen Grenzen hinaus) «sehr verbunden». 

Die geplante Siedlung soll etwas mehr als 3’000 Einheiten umfassen, also Wohnraum für etwa 15’000 Israeli bieten. Kritisch aber ist nicht so sehr die Grösse des Projekts von rund zwölf Quadratkilometern, sondern dessen Lage: direkt anschliessend an ein Viertel des (annektierten) Ost-Jerusalem bis zur schon seit vielen Jahren bestehenden Siedlung Maale Adumim. Es geht in erster Linie darum, dass diese Siedlung (derzeit noch neutral E 1 genannt) den nördlich von Jerusalem gelegenen Teil des Westjordanlands, also in biblischem Sinn Judäa, vom südlichen (Samaria) trennen und das ganze Gebiet faktisch in zwei Teile aufspalten wird. In der Konsequenz, so hofft Bezalel Smotrich und fürchten die Palästinenser, würde die Schaffung eines in sich geschlossenen Palästinensergebiets verunmöglicht. 

Die geplante neue Siedlung wird sich auf jeden Fall zusätzlich massiv hemmend auf die Bewegungsmöglichkeiten der palästinensischen Bevölkerung in der Region auswirken. Wer beispielsweise von Bethlehem oder Hebron im südlichen Teil nach Ramallah fahren will, muss nicht nur zusätzliche Umwege in Kauf nehmen, sondern auch eine Vielzahl von Checkpoints. Eine Fahrt nur über etwa 60 Kilometer kann so leicht fünf Stunden und mehr erfordern. Und an jedem Checkpoint muss mit Schikanen gerechnet werden, möglicherweise sogar mit einem Verbot der Weiterfahrt. 

Politik mit der Bibel

Regierungen weltweit (mit der allerdings gewichtigen Ausnahme der USA) verurteilen die Besiedlung des palästinensischen Westjordanlands durch Israel als Verletzung von Völkerrecht. Dieses verbietet die Ansiedlung eigener Bevölkerung in besetztem Gebiet. Israel setzte sich über diese Bestimmung schon immer hinweg. Früher mit der Begründung, die jüdischen Siedlungen seien notwendig für die Sicherheit, die Verhinderung von terroristischen Anschlägen. Seit mehreren Jahren bevorzugen israelische Politiker eine andere Formulierung: Es handle sich nicht um «besetzte», sondern um «umstrittene» Territorien, sagen sie. Die jetzige Regierung geht noch weiter, der Ausdruck «umstritten» ist auch schon démodé. Nun sprechen Netanjahu und seine Minister nur noch von Judäa und Samaria und pochen zur Rechtfertigung für die Landnahme immer stärker auf biblische Texte . 

«Erez Israel» lautet das Schlüsselwort im Alten Testament in den Büchern Genesis und Deuteronomium. In der Genesis werden Israels Rechte auf ein Gebiet bis zum Nil einerseits, bis zum Euphrat anderseits beschrieben. Das Buch Deuteronomium zieht die Grenzen Israels nicht ganz so weit, aber auch gemäss diesem Text könnte Israel sich noch auf Gebiete in Libanon, Ägypten, Jordanien und Syrien ausdehnen. So oder so interpretiert: Wer sich auf die Bibel als Quelle für politische Ansprüche stützt, beansprucht auf jeden Fall ein Gross-Israel. Und für diese Idee also hat der Regierungschef Israels, Benjamin Netanjahu, nach eigenen Worten grosse Sympathie. 

Proteste eher im Westen als bei Arabern

Arabische Regierungen protestierten sowohl gegen die Pläne Israels, die Besiedlung des Westjordanlands mit dem Projekt E 1 weiter zu intensivieren, als auch gegen Netanjahus Äusserung zu «Erez Israel». Aber die Proteste aus gewissen Kreisen wirken nicht besonders glaubwürdig, denn die betreffenden Regierungen verstricken sich, wenn es um Israel geht, oft in Widersprüche. Vor zwei Wochen beispielsweise schloss Ägypten mit Israel einen Vertrag über die Lieferung von Erdgas über 35 Milliarden US-Dollar, Laufzeit bis 2040. Jordanien setzt die Zusammenarbeit mit Israel im Geheimdienstbereich unvermindert fort (weil das Königshaus in Amman sich vor islamistischen Terrorakten fürchtet). Saudi-Arabien schränkt seine Kontakte unterhalb der Ebene von diplomatischen Beziehungen nicht ein, weil es gemeinsame Interessen zwischen der saudischen Monarchie und der Regierung Netanjahus im Vorgehen gegen Hamas und (in Libanon) Hisbollah gibt. Die Führung der Arabischen Emirate schliesslich unterhält mit Israel, unbeeinflusst von Siedlungen und vom Gazakrieg, intensive wirtschaftliche Kontakte.

Die Proteste gegen das Vorgehen Israels im Gazastreifen und gegen die Siedlungspolitik sind im Westen eher lauter und klarer als in der arabischen Hemisphäre. Deutschland schränkt seine Waffenlieferungen an Israel ein, mehrere Regierungen (Frankreich, Kanada, Australien und möglicherweise bald auch Grossbritannien) wollen einen palästinensischen Staat anerkennen, auch wenn alle Politiker wissen, dass ein solcher Schritt nur symbolischen Wert hat. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen jedoch will es nicht bei Worten bewenden lassen, von denen sie weiss, dass sie an Netanjahu abprallen. Sie plant jetzt Sanktionen gegen Siedlerorganisationen oder sogar gegen Israels Regierung. 

US-Botschafter: Palästinenser umsiedeln

Die gegenläufige Tendenz verfolgen die USA. Die Trump-Administration spricht nicht mehr von Zweistaatenlösung, also der Schaffung eines palästinensischen Staats an der Seite Israels. Worauf die Amerikaner konkret abzielen, bleibt jedoch unklar – oder doch nicht? Der Botschafter der USA in Jerusalem, der Evangelikale Mike Huckabee, hat nämlich klare Vorstellungen: Er sagte offen, die Palästinenser (sofern es die überhaupt als ethnische Gruppe gäbe …) könnten in ein arabisches Land umgesiedelt werden, denn die arabischen Länder hätten 644 Mal mehr Platz als Israel, also müsste man einfach aus einem dieser Länder ein Stück herausschneiden und dort Palästinenser ansiedeln. Immerhin fügte er bei, er sage das als Privatperson, nicht in seiner Funktion als Botschafter der Vereinigten Staaten.

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