Ein neues Länderranking misst die Chancen, globale Krisen schadlos zu überstehen. An der Spitze: die Schweiz. Das ist natürlich eine gute Nachricht für Beunruhigte. Trotzdem muss kritisch nachgefragt werden, um wessen Sicherheit es hier eigentlich geht.
Länderrankings sind hierzulande wohl deshalb beliebt, weil die Schweiz es auf solchen Listen immer wieder auf die vordersten Plätze oder gar an die Spitze schafft. So führt sie gegenwärtig das Ranking der innovativsten Länder im Global Innovation Index an. Auch bei Vergleichen der Lebensqualität ist die Schweiz top. Der diesen Aspekt bewertende Human Progress Index setzt sie aktuell auf den ersten Platz.
Allerdings gibt es auch Ranglisten, auf denen die Schweiz nicht zuoberst figuriert, so etwa bei Bildung, Gesundheit und Glücklichsein. Aber passable bis gute Plätze belegt sie in den meisten Disziplinen.
Das ohnehin schon schmeichelhafte Bild wird nochmals aufgehellt durch eine neu erstellte Nationenwertung, die Länder anhand zahlreicher Kriterien danach beurteilt, wie gut deren Bewohner im Fall einer globalen Krise geschützt sind. Und siehe da: Die Schweiz liegt erneut auf dem ersten Platz, und zwar mit deutlichem Abstand vor Dänemark, einem der ewigen Rivalen der Eidgenossen in den diversen internationalen Schönheitskonkurrenzen.
Schaut man jedoch genauer hin beim neuen Ranking, so wird deutlich, dass die Bewertungskriterien sich an den Sicherheitsbedürfnissen einer globalen Geldaristokratie orientieren. Erstellt hat die Rangliste die Beratungsfirma Henley & Partners, die Reichen und Superreichen dabei hilft, den für sie günstigsten Wohnsitz zu finden. Henley & Partners sieht eine weltweit anwachsende Migration von Reichen, wobei erstmals ein europäisches Land weltweit am meisten von ihnen verliert: Grossbritannien. Hauptprofiteurin der globalen Reichtumsmigration: die Schweiz.
Neben ihren Wanderungsdaten und -prognosen stützen sich die Berater der nach Sicherheit suchenden Geldelite auch auf Analysen der Firma Alphageo in Singapur. Diese vergleicht wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Besitzende in verschiedenen Ländern. Berücksichtigt werden wirtschaftliche Dynamik, politische Stabilität, Rechtssicherheit, aber auch die Exponiertheit gegenüber Klimarisiken – Faktoren also, die nicht nur das Wohlergehen der Reichsten beeinflussen. Das von Henley & Partners veröffentlichte Ranking dürfte also trotz der Interessenlage der Firma mindestens ein Stück weit auch für die Allgemeinheit relevant sein nach dem Motto: Geht’s in einem zivilisierten Land den zugewanderten Reichen gut, so lebt wahrscheinlich auch das Fussvolk einigermassen zufriedenstellend.
Die zahlreichen Spitzenplätze in Länderrankings stellen der Schweiz ein gutes Zeugnis aus. Es wäre allerdings zu prüfen, ob solche Ranglisten nicht generell eher die Sichtweise der globalen Profiteure spiegeln, die sich mit solchen Vergleichen ihre eigene Exzellenz attestieren.
Ein noch zu erfindender Ethik-Index könnte das schmeichelhafte Bild korrigieren. In einem solchen Ranking müsste es für die Schweiz Negativpunkte dafür geben, den Briten (und vielen anderen) die reichen Steuerzahler abzuwerben. Doch an einem solchen Ranking hat augenscheinlich niemand ein Interesse. Zudem gilt das Kritisieren angeblich «egoistischen» Verhaltens der Wirtschaft oder gar von Ländern als deplatzierter Moralismus. Nicht Moral bestimmt deren Verhalten, sondern Wettbewerb. Wirtschaftliche Vorteile auf Kosten anderer zu erzielen, ist nicht anrüchig. Unternehmen oder Nationen sind keine ethischen Individuen und können deshalb nicht «egoistisch» sein. Internationale Beziehungen sind von Interessen, nicht von Moralvorstellungen gesteuert. Und auch individuelle Vorteilssuche, etwa beim Steuerzahlen, ist breit akzeptierte Praxis.
Viele ziehen daraus den Schluss, Moral habe in Wirtschaft und Politik nichts zu suchen. Aber woher kommt dann das Unwohlsein angesichts einer Politik des uneingeschränkten Eigeninteresses? Was stört am Spitzenplatz der Schweiz als Magnet der globalen Reichtumsmigration? Es hat damit zu tun, dass eine solche kalte Politik das warme Herz des Beobachters tangiert. Moral lässt sich eben nicht aussperren. Sie weiss zwar nicht immer, was zu tun wäre, aber sie erkennt sehr wohl, wenn etwas nicht recht ist.