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Zentralbanken

Milchmädchenrechnung

16. September 2012
René Zeyer
Zwei der drei bedeutendsten Notenbanken der Welt haben angekündigt, Geld im Mulitmilliardenpack zu verschenken. Wieder mal. Und damit das Tor zur Hölle weiter geöffnet.

Die Europäische Zentralbank (EZB) will und wird Staatsschuldpapiere «unbegrenzt» aufkaufen. Die US-Notenbank Fed wird jeden Monat 40 Milliarden Dollar drucken und die kurzfristigen Zinsen bis 2015 bei nahe Null halten. Es gibt also neues Geld, und erst noch faktisch umsonst. Himmlische Zustände, könnte man meinen. Das Paradies ist ausgebrochen, wo Milch, Honig und Geld umsonst fliessen. Halleluja.

Ein ganz besonderer Saft

Stellen wir uns vor, der Autofahrer zapft an der Tankstelle Benzin. An der Kasse wird er lächelnd durchgewinkt, Treibstoff ist gratis, manchmal gibt es sogar noch Wechselgeld zurück. Umso mehr, umso mehr er getankt hat. Jedem wirtschaftlichen Laien ist klar, dass da etwas nicht stimmen kann. An den Geldtankstellen EZB und Fed dürfen nun nur Banken sowie Staaten vorfahren und volltanken. Gratis. Und wozu? Damit sie mit dem Treibstoff die lahmende Wirtschaft in Schwung bringen. Absurd und krank, aber Realität.

Das Einmaleins

Treibstoff darf und kann nicht gratis sein. Erstens, weil die Ressource nicht unbeschränkt zur Verfügung steht. Zweitens, weil sie nur dann einer wertschöpfenden Verwendung zugeführt wird, wenn sie einen Preis hat. Und drittens, weil Treibstoff ja nicht überall auf der Welt gratis wäre, was zu Spekulation und Zerstörung von Märkten führen würde. Genau das gleiche gilt für Geld, wobei Geld eine noch viel zentralere, besondere Funktion in der gesamten Wirtschaft hat. Geld kann, im Gegensatz zu Treibstoff, tatsächlich gratis hergestellt werden. Genau damit verliert es aber seinen Wert, so einfach ist das.

Theorie und bewiesene Praxis

In der Theorie soll neues Gratis-Geld die Wirtschaft ankurbeln, neue Arbeitsstellen schaffen, Investitionen in der sogenannten Realwirtschaft ermöglichen. In der Praxis tut es das nicht. Obwohl Geld nicht erst seit diesen Entscheidungen der beiden Notenbanken gratis ist, leiden Europa und die USA unter rekordhohen Arbeitslosenzahlen, dümpeln am Rand einer Rezession vor sich hin. Stattdessen pumpt das Gratisgeld neue Blasen im Finanzkreislauf auf, befeuert den rotglühenden Kern des virtuellen Derivatecasinos, erfüllt den Traum jedes Spekulanten und Zockers: Selbst ein winziger Gewinn bringt Profit, denn das Spielgeld dafür ist ja umsonst.

Preis und Wert

Die einzige Auswirkung auf die reale Welt ist, dass sich die Preise von Aktien, Rohstoffen (nicht zuletzt auch Öl) erhöhen. Aber wohlgemerkt nicht der Wert. Eine Aktie kann dann im Wert steigen, wenn das dahinterstehende Unternehmen wertvoller wird, weil es besser geschäftet, neue Profite generiert, Wertschöpfung betreibt. Eine Aktie steigt im Preis, wenn mehr Geld vorhanden ist, mit dem sie gekauft werden kann. Nicht nur bei Aktien nennt man eine solche Entwicklung Blase. Und Blasen platzen, garantiert und amtlich. Hier soll bekämpft werden, was in Wirklichkeit befördert wird. Hier soll der Heroinsüchtige geheilt werden, indem man ihn mit Heroin überschwemmt.

Der Wert des Zinses

Der Zins als sinnvolle Risikoprämie, als Hürde, die sowohl den Gläubiger wie den Schuldner von verantwortungslosem Handeln abhält, ist faktisch abgeschafft. Die überwältigende Mehrheit von Kleinsparern bekommt keinen Ertrag mehr für ihre erarbeiteten Spargroschen. Sie machen entweder Verlust oder sind gezwungen, sich ebenfalls an risikoreichen Spekulationen zu beteiligen. Die Schweizer Pensionskassen können davon ein Lied singen. Das ins Gejammer der rasierten Rentenanwärter übergehen wird. Der Fachmann spricht hier von Fehlallokationen, eine sinnvolle und produktive Verteilung von vorhandenem Kapital wird verhindert.

Ausser Rand und Band

Der Staat, die Notenbank als Herrin des Geldes setzt somit alle Mechanismen ausser Kraft, die normalerweise durch Zins und beschränktes Vorhandensein von Geld eine einigermassen sinnvolle Verwendung garantieren. Wenn Kapital keinen Preis mehr hat, gibt es keinen regulierenden Markt mehr. Wenn der Staat den Markt manipuliert, was er als Herr des Geldes kann, dann müsste er ihn gleichzeitig regulieren – oder gleich ganz abschaffen. Das wäre aber, schluck, zentral gelenkte Finanzplanwirtschaft. Dass die auch nicht funktioniert, hat der Zusammenbruch des Ostblocks bewiesen.

Feuerwehr als Brandstifter

Quantitative Easing 1, 2 und 3, wie der Euphemismus beim Fed heisst, oder «Kampf gegen ungerechtfertigt hohe Zinsen für Staatsschuldpapiere», wie es die EZB nennt, öffnet das Tor zur Hölle. Es kann nicht mehr geschlossen werden. Hier wird, um im Bild zu bleiben, Öl ins Feuer gegossen. Hier wird Geld nicht gedruckt, sondern verbrannt. Am Ende wird das ganze Finanzsystem in Flammen aufgehen. Die Staatsfeuerwehr als Brandstifter. Und grosse Teile der sogenannten Finanzwissenschaft stehen als Claqueure bereit, um diese Verbrecher noch anzufeuern.

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