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Kommentar21

Mehr als heisse Luft

11. Mai 2015
Ignaz Staub
Ignaz Staub
Seit Watergate in den frühen 1970er Jahren signalisiert in Amerika die Wortendung „-gate“, dass ein Ereignis zu einem handfesten Skandal auswächst und von nationaler Bedeutung ist.

Bill Clintons Libido etwa bescherte der Nation 1998 „Monicagate“. Und seit Anfang Mai bewegt „Deflategate“ die USA – Auswuchs jener Mentalität, gemäss der Siegen im Sport nicht alles, sondern das Einzige ist.

„Deflategate“ dreht sich darum, dass die „New England Patriots“ vor dem Halbfinal der Meisterschaft im American Football aus Spielbällen Luft entweichen liessen und so ihrem Ballverteiler einen illegalen Vorteil verschafften, weil sich ein weicherer Football präziser werfen lässt als ein vollgepumpter. Die „Patriots“ gewannen den Halbfinal und siegten auch im Final, Super Bowl XLIX, zum vierten Mal in der Vereinsgeschichte.

Zwar erhärtet eine Untersuchung der National Football League (N.F.L.) den Betrugsverdacht  nicht zu hundert Prozent. Die 243-seitige Studie, von einer New Yorker Anwaltskanzlei mit Hilfe eines renommierten Physikers der Princeton University verfasst, kommt jedoch zum Schluss, dass der Druckverlust in den Bällen „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ auf gezielte Manipulation und nicht, wie Apologeten des verdächtigen Teams monieren, auf natürliche Ursachen zurückzuführen sei.

Spannend bleibt nun die Frage, ob die N.F.L., die nicht eben für ihre Zivilcourage bekannt ist, es wagt, Tom Brady, den Quarterback der „Patriots“, der von der Manipulation wohl wusste, ein Mitwirken aber entschieden dementiert, entsprechend hart zu bestrafen. Der 37-jährige, mit Supermodel Gisèle Bündchen verheiratet, gilt als Rollenvorbild und Werbeikone erster Güte – in einer Gesellschaft, in der, wie die „New York Times“ schreibt, „Ruhm und Reichtum Charakter und Seriosität regelmässig ausstechen“.  

Es ist ein Phänomen, von dem sich auch Amerikas sportverliebte Medien mitunter anstecken lassen. Sie tun sich in Sachen „Deflategate“ noch schwer, das Kind beim Namen zu nennen und von den „Patriots“ als „Betrügern und von Tom Brady als „Lügner“ zu sprechen – gemäss der Maxime, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Als gelte es, um jeden Preis die Illusion aufrecht zu erhalten, dass zumindest im Sport Ehrlichkeit noch zählt und für alle dieselben Regeln gelten.

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