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Macron – der machtlose Präsident

15. Juni 2025 , Paris
Hans Woller
Emmanuel Macron
Es bleibt nur der Schein. Macron am 10. Juni an der Ozean-Konferenz der Uno in Nizza. (Keystone/EPA/Christian Hartmann)

Frankreichs Präsident kann, ein Jahr nach der von ihm verfügten Auflösung des Parlaments und der Schlappe bei den Neuwahlen, zumindest innenpolitisch rein gar nichts mehr bewegen. Er tut nur noch so, als ob. Doch der Lack ist ab. 

Dass ein Präsident seine eigene Regierung ganz offen kritisiert, hat Frankreich in dieser Form noch nie erlebt. Emmanuel Macron aber hat es fertiggebracht. 

Einen «historischen Irrtum» nannte der Präsident vergangenes Wochenende die Beschlüsse im Umweltbereich der von ihm höchstselbst eingesetzten Regierung Bayrou, welche versucht, sich ohne klare Mehrheit, so lange es irgendwie geht, über Wasser zu halten und dies ohne jede Spur von einem echten Regierungsprogramm.

Rückschritt in der Umweltpolitik

Macrons Groll bezog sich darauf, dass selbige Regierung in den letzten Wochen in der Tat eine ganze Reihe von Umweltgesetzgebungen zurückgenommen bzw. gründlich amputiert und ausgetrocknet hat. 

Unter anderem wurde das Subventionsprogramm für Isolierungsarbeiten von Wohnungen und Häusern, welches ohnehin mehr als stotternd funktionierte, ganz eingestellt. Ausserdem sollen Bauern wieder Düngemittel verwenden dürfen, die schon seit 2018 verboten waren. Und Gelder für Umweltschutzorganisationen wurden drastisch gekürzt. 

Diese Beschlüsse stehen in der Tat im Widerspruch zu einem  Präsidenten, der es während seines Miniwahlkampfs 2022 gewagt hatte, den Satz in die Welt zu setzen: «Meine fünfjährige Amtszeit wird ökologisch sein oder gar nicht.» Doch auch wenn der Präsident jetzt medienwirksam seine eigene Regierung kritisiert: Selbst hat Macron trotz seiner grossspurigen Ankündigung in Sachen Umweltschutz in den drei Jahren seiner zweiten Amtszeit auf diesem Terrain praktisch nichts angestossen. Trotzdem erklärt er in Interviews eher pampig, man habe ihm in Sachen Umweltschutz keinerlei Lektionen zu erteilen. 

Die Beschlüsse seiner Regierung sind in der Tat ein Symbol gegen die Zeichen der Zeit. Sie sind für Macron aber vor allem peinlich, weil sie zu einem schlechten Zeitpunkt kommen. Schliesslich musste er diese Woche den grossen Umweltschützer geben und als Gastgeber der Uno-Konferenz zum Ozeanschutz in Nizza mit Teilnehmern aus über 100 Ländern fungieren. 

Es bleibt nur der Schein

Derartige Ereignisse und Veranstaltungen zu zelebrieren ist das, was dem Präsidenten seit seiner unverständlichen und katastrophalen Parlamentsauflösung vor einem Jahr noch geblieben ist: sich etwa im Glanz der Olympischen Spiele zu sonnen, internationalen Konferenzen vorzusitzen und den jährlichen internationalen Investitionsgipfel «Choose France» medienwirksam über die Bühne zu bringen. Oder aber den Champions-League-Sieger, Paris Saint-Germain, medienwirksam im Élyséepalast zu empfangen. 

Dies aber ging nach hinten los. Denn für jeden Fussballexperten war dieser Empfang schlicht ein Unding. Seit Macron Präsident ist, hat er bei jeder Gelegenheit betont, er sei ein leidenschaftlicher Fan von «Olympique Marseille», dem Erzfeind von Paris Saint-Germain. Und jedem Fussballfan ist klar, dass ein echter Fan von Marseille nun einmal in keinem Fall den ungeliebten Hauptstadt-Club zu sich einladen würde. 

Bliebe schliesslich noch die dem Präsidenten mehr oder weniger reservierte Aussen- und Sicherheitspolitik, in der Macron viel daran setzt, so zu tun, als könne Frankreich in der Weltpolitik noch Grundlegendes bewirken. 

Wirre Aussenpolitik

Doch selbst in der Aussenpolitik besitzt Macron, um es freundlich zu sagen, alles andere als ein glückliches Händchen. Nur zwei Beispiele. 

Russlands Präsident Putin hat ihn 14 Tage vor Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine an dem berühmten, sechs Meter langen, weissen Tisch im Kreml gnadenlos belogen und vorgeführt. Macrons Auftritt verpuffte und wirkte hinterher eher peinlich. 

Oder aber sein geradezu jenseitiger, realitätsferner Vorschlag Ende Oktober 2023, man solle doch in Gaza eine internationale Koalition gegen die Hamas auf die Beine stellen, wie man dies zur Bekämpfung des «Islamischen Staats» gemacht hatte. Im gesamten arabischen Raum und darüber hinaus hat er dafür nur Hohn und Spott geerntet und sich weltweit lächerlich gemacht. 

«Macrons aussenpolitische Improvisationen, seine Zweideutigkeiten und sein Lavieren beschädigen das Erbe der französischen Diplomatie», lautete jüngst eine Überschrift der Tageszeitung «Libération». Und auch gegenüber Trump und Putin schafft Macron nicht wesentlich mehr, als hie und da heftig zu gestikulieren.   

Sillstand   

Einfluss auf die Entscheidungen seiner eigenen Regierung hat er angesichts der Minderheit, die seine Partei und ihre Verbündeten im Parlament darstellen, so gut wie gar keinen mehr. Gleichzeitig fällt die Regierung, so hat man den Eindruck, so wenig Entscheidungen wie möglich, weil sie angesichts einer fehlenden Mehrheit fürchten muss, dass sie bei nächster Gelegenheit gestürzt wird. Die vorhergehende Regierung war bekanntlich keine 100 Tage im Amt geblieben. Ein Hauch von Unregierbarkeit weht durchs Land und nichts mehr ist mit «Jupiter im Élysée». 

Kürzlich hatte sich der Präsident wieder einmal ins Fernsehen eingeladen und da wurde es fast beklemmend. Geschlagene drei Stunden lang, von 20:30 bis 23:30 Uhr hat er geredet und geredet, aber im Grunde nichts zu sagen gehabt. Projekte, Reformen, konkrete Ankündigungen oder auch nur Vorschläge, was er denn in den verbleibenden zwei Jahren seiner Amtszeit zu tun und zu bewegen gedenke – absolute Fehlanzeige. Es blieb der Eindruck, als sei es dem Präsidenten nur noch darum gegangen, sich bei den Franzosen wieder einmal in Erinnerung zu rufen.   

Finanzen

Und zu guter Letzt fliegen dem Präsidenten nach insgesamt acht Jahren im Amt jetzt auch noch die Staatsfinanzen um die Ohren. Seit Macron 2017 an die Macht gekommen ist, stieg die Staatsverschuldung Frankreichs von 2,2 auf heute 3,3  Billionen Euro, gut 1’000 Milliarden mehr als bei seinem Amtsantritt. Die Gesamtschuld ist damit von 88% auf 113% des Bruttosozialprodukts geklettert. Für einen ehemaligen Banker, der unter Präsident Hollande auch kurzfristig Wirtschaftsminister gewesen war, nicht gerade ein Aushängeschild. 

Zur Zeit muss seine von ihm anderweitig kritisierte Regierung deswegen für den Haushalt 2026 plötzlich 40 Milliarden Euros finden, um einen Teil des Budgetlochs zu stopfen. 

Alles in allem herrscht so etwas wie Endzeitstimmung in Frankreichs politischer Landschaft. Das Schlimmste dabei: Dieser Zustand wird noch zwei Jahre, bis zur nächsten Präsidentschaftswahl, anhalten, weil es nun mal keine Anzeichen dafür gibt, dass sich an der Machtlosigkeit des  Präsidenten und an den ungewissen Mehrheitsverhältnissen im Parlament vor 2027 grundsätzlich etwas ändern wird.

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