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Abhör-Skandal

Konsequenzen aus dem Lauschangriff gegen Merkel?

24. Oktober 2013
Reiner Bernstein
Nachdem die Bundesregierung im August die Spionageaffäre der NSA gegen deutsche Privatpersonen und Wirtschaftsunternehmen für beendet erklärt hatte, ist sie nunmehr auf die Barrikaden gegangen.

Es bedurfte erst des (in Washington nur halbherzig dementierten) Lauschangriffs auf die Bundeskanzlerin, der Angela Merkel zum Telefonat mit Barack Obama und Guido Westerwelle zur Einbestellung des US- Botschafters ins Auswärtige Amt trieb. Die Beweislage muss so überwältigend sein, dass die Spitzen der Bundesregierung nicht länger umhinkommen, sich einer Realität zu stellen, die aufmerksame Beobachter längst registriert haben.

Emanzipation von Washington

Zur üblichen Tagesordnung des „vertrauensvollen Einvernehmens zwischen den engsten Bündnispartnern“ kann die deutsche Politik nicht zurückkehren. Ansonsten bliebe an Merkel der unerträgliche Makel hängen, die Bundeskanzlerin gehöre zum Kreis verdächtiger Terroristen. Die Affäre verlangt also ein grundsätzliches Nachdenken auch der Sozialdemokratie, die in die Grosse Koalition streben will. Dabei wird es nicht nur um die Wahrung der gesamtdeutschen Glaubwürdigkeit gehen. Vielmehr kommt die deutsche Aussenpolitik nicht länger um die Rezeption von Arbeiten gewisser amerikanischer Wissenschaftler und Diplomaten herum, die der einstigen Weltmachtgeltung ihres Landes keine Zukunft einräumen. Die europäischen Hauptstädte sollten nicht die Letzten sein, die daraus Konsequenzen ziehen.

Gefragt ist die Emanzipation vom Washingtoner Politikbetrieb. Wurde in Berlin bisher das Lied von dessen einzigartiger Gestaltungskraft gesungen, so lässt sich nicht mehr übersehen, dass es damit längst vorbei ist. Jüngstes Beispiel bilden die Drohung der militärischen Machthaber in Ägypten, sich von dem Verbündeten abzukehren und dafür die Einstellung von Finanzhilfen in Kauf zu nehmen, sowie die heftige Kritik aus Saudi-Arabien – beileibe auch kein demokratischer Rechtsstaat, doch regelmäßig als treuer Verbündeter gefeiert – an der transatlantischen Nahost- und Mittelostdiplomatie.

Düsternis  in Nahost

Von Israel müssten die westlichen Aussenämter seit langem wissen, dass ihnen Benjamin Netanjahu auf der Nase herumtanzt, indem er die Preise einer auf politische Nachhaltigkeit bedachten Verständigung mit den Palästinensern, die in jedem Fall unterhalb der Schwelle eines vollen Friedensvertrags bleiben wird, immer weiter in die Höhe treibt. Dass Israel – wobei nur dessen Politik gemeint sein kann – unter die sieben politischen Partner mit prioritärer strategischer Relevanz gerechnet wird, verstellt den Blick auf die dortigen Demokratiedefizite („Palästina“ kommt bezeichnenderweise in keiner Sparte der differenzierten Auflistung vor, welche die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik gemeinsam mit dem „German Marshall Fund of the United States“ jüngst vorgelegt hat.)

Die territoriale Integrität Syriens steht am Abgrund. Daran wird auch die für Ende November geplante zweite Konferenz in Genf nichts ändern. Der Libanon wird sich den Umbrüchen im Nachbarland nicht entziehen können. Die Zukunft des Irak ist mehr als düster. In der Türkei werden die europäischen Angebote, die beitrittsoffenen Verhandlungen wieder aufzunehmen, mit deutlicher Zurückhaltung quittiert. Jordaniens Weg in die konstitutionelle Monarchie ist zum Stillstand gekommen, und das hunderttausendfache syrische Flüchtlingsproblem stellt die Herrschenden vor kaum lösbare Aufgaben.

Sisyphus-Arbeit  

Im Iran hingegen deuten sich erste Richtungsänderungen an, die weit über Jerusalemer Vorhaltungen hinausgehen, Hassan Rohani sei lediglich der altbekannte Kaiser in neuen Kleidern.

Wer auch immer ins Berliner Auswärtige Amt einzieht, steht vor der Sisyphus-Aufgabe, sich von vertrauten Schablonen zu trennen und auf die Ufer einer Diplomatie im europäischen Verbund zuzusteuern, die das Prädikat „wertvoll“ verdient. Dazu gehört der Abschied von jenen Illusionen, die ihre öffentliche Sympathie für Obama aus einem Antirassismus-Ethos speiste, statt im Präsidenten den Sachwalter bekannter nationaler Interessen zu erkennen.

 

                                         

 

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