Die verbleibenden verschanzten ukrainischen Soldaten in der Schwarzmeer-Stadt Mariupol befinden sich in einer verzweifelten Situation. Moskau hat sie nun aufgefordert zu kapitulieren. Die Ukrainer haben sich im Stahlwerk Asowstal zurückgezogen. Offenbar geht ihnen die Munition aus. Bisher haben die Ukrainer das Ultimatum verstreichen lassen.
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- Russisches Ultimatum in Mariupol abgelehnt
- Absschuss eines westlichen Transportflugzeugs?
- Achter russischer General getötet
- Ankunft neuer amerikanischer Waffen
- Ukrainische Munitionsfabrik angegriffen
Keine Anzeichen für eine Kapitulation
Moskau hat die ukrainischen Kämpfer in Mariupol nun aufgefordert, sich zu ergeben. Sie befänden sich «in einer katastrophalen Lage», heisst es im russischen Verteidigungsministerium. Bis Ostersonntag früh sollten sie ihre Waffen niederlegen.
Die Ukraine hat offenbar das russische Ultimatum abgelehnt. Bis zum Sonntagabend (Ortszeit) gab es keine Anzeichen, dass sich die ukrainischen Truppen ergeben würden.
Generaloberst Michail Misinzew vom russischen Verteidigungsministerium hatte versprochen, bei einer Kapitulation das Leben der ukrainischen Kämpfer zu schonen. Wer sich ergeben hat, könne ohne Waffen und Munition das Stahlwerk verlassen. Die Normen der Genfer Konventionen über die Behandlung von Kriegsgefangenen würden eingehalten.
«Die einzige Chance, ihr Leben zu retten, besteht darin, freiwillig die Waffen niederzulegen und sich zu ergeben», sagte Generalmajor Igor Konaschenkow, ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass.
Laut russischen Angaben befindet sich die Stadt fast vollständig in russischer Hand.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj hatte am Samstag erklärt, wenn die Eingeschlossenen getötet würden, werde er die Friedensverhandlungen mit den Russen abbrechen. Selenskyj gab am Samstagabend zu, dass die Ukrainer nur einen kleinen Teil der Stadt kontrollierten und einer russischen Übermacht gegenüberstünden.
Unter den ukrainischen Verteidigern befinden sich Kräfte des ultranationalistischen paramilitärischen Regiments «Asow». Dieses Freiwilligenkorps untersteht dem ukrainischen Innenministerium und wird von den Russen besonders gehasst. Russland wirft dem Asow-Bataillon rechtsextreme Tendenzen vor. Die ukrainische Regierung befürchtet jetzt, dass sich russische Soldaten am Asow-Regiment rächen werden.
Der Fall von Mariupol wäre ein schwerer militärischer und psychologischer Schlag für die Ukraine. Russland wäre damit seinem Ziel einen Schritt näher, eine Landbrücke zwischen der Krim und der Ostukraine zu schaffen.
Der siebenwöchige Beschuss hat in Mariupol je nach Quelle zwischen 10’000 und 20’000 Tote gefordert. Selenskyj sprach am Samstagabend von «Zehntausenden» Toten. «Diejenigen, die nicht geflohen sind, leiden unter schwerem Nahrungs- und Wassermangel, und ein Grossteil von Mariupol liegt in Trümmern. Russland versucht absichtlich, alle Menschen dort zu vernichten», sagte Selenskyj in seiner Abendansprache am Samstag.
Mariupol hatte zu Beginn des Krieges etwa 440’000 Einwohner.
Erster grosser Sieg
Die Einnahme von Mariupol hätte für Russland nicht nur militärische und strategische Bedeutung. Nach einem zermürbenden Krieg mit vielen Rückschlägen wäre es der erste grosse Sieg der russischen Armee, die in den ersten Kriegswochen eklatante Schwächen zeigte.
Vor der Landung russischer Einheiten in Mariupol?
Russische Marine-Einheiten wollen offenbar demnächst vom Meer her in der Nähe von Mariupol landen. Bereits seien Angriffsoperationen durchgeführt, erklären ukrainische Quellen. Die ukrainischen Streitkräfte seien dabei, sich auf solche russische Landeoperationen vorzubereiten.
Abschuss eines westlichen Transportflugzeugs
Russland behauptet, seine Luftverteidigungseinheiten hätten ein ukrainisches Militärflugzeug abgeschossen, das angeblich eine von westlichen Ländern gesandte Waffenlieferung transportiert habe. Die Ukraine hat sich bisher nicht zu diesem Bericht geäussert. Der Angriff habe in der Nähe von Odessa im Südwesten der Ukraine stattgefunden, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf den Sprecher des Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor Konaschenkow.
Erneut ein russischer General getötet
Generalmajor Wladimir Frolow von der 8. Armee ist der achte russische General, der im Ukraine-Krieg getötet wurde. Dies gab der Gouverneur von St. Petersburg, Alexander Beglow, bekannt. Wo und wann Frolow starb, ist nicht bekannt. Er wurde am Samstag in St. Petersburg beerdigt.
Die BBC schreibt: «Es ist ungewöhnlich, dass sich solch hochrangige Offiziere in Gefahr begeben, indem sie sich so nahe ans Schlachtfeld begeben. Westliche Quellen glauben, dass sie dies getan haben, um eine gewisse Kontrolle über die Operationen zu erlangen, die in einigen Gebieten stark ins Stocken geraten sind.»
Ukrainische Munitionsfabrik zerstört?
Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, erklärt, die russischen Streitkräfte hätten eine Munitionsfabrik in der Nähe von Kiew zerstört. Die Fabrik, die sich in der Nähe der Stadt Browary befunden habe, sei durch Präzisionsraketen angegriffen worden. Browary befindet sich am östlichen Stadtrand von Kiew. In der Gegend waren mehrere Explosionen zu hören.
Ankunft weiterer US-Waffen
In der Ukraine treffen weitere amerikanische Waffen ein. Dies bestätigt ein Beamter des Weissen Hauses gegenüber CNN. Präsident Biden hatte Anfang der Woche der Ukraine erneut Waffen im Wert von 800 Millionen Dollar zugesagt. Die neuen Waffen sei dazu da, «den erwarteten umfassenden russischen Angriff in der Ostukraine» zu bekämpfen. Die USA haben der Ukraine bisher Militärmaterial im Wert von insgesamt mehr als 3 Milliarden Dollar geliefert oder versprochen.
Russische Verbände rüsten auf
Wie der britische Milistärgeheimdienst in seinem täglichen Update schreibt, verlagern die russischen Streitkräfte weiterhin militärisches Material aus Belarus in die Ostukraine, auch in die Nähe von Charkiw und Sewerdonezk. Die Ukraine und westliche Geheimdienste erwarten, dass die Russen in der Ostukraine bald eine Grossoffensive starten.
«Russische Kirche riskiert Glaubwürdigkeit»
Rowan Williams, der frühere Erzbischof von Canterbury, erklärte, die orthodoxen Kirchenführer In Russland würden «ihre gesamte moralische Glaubwürdigkeit riskieren», wenn sie nicht vor dem orthodoxen Osterfest in einer Woche auf einen Waffenstillstand drängen. Rowan Williams sagte in einem Interview mit der BBC, es sei «wirklich schrecklich, diese grossen Feste der Befreiung zu feiern, während so viele Menschenleben in Gefahr sind und so viel unsagbarer Schaden angerichtet wird.» Williams ist eben aus dem Südwesten der Ukraine zurückgekehrt, wo er mit Vertriebenen gesprochen hatte. Kyrill I., der Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche, ist eng mit Putin verbunden.
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