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Drusen-Konflikt

Israels Pläne für den Nachbarn Syrien

17. Juli 2025
Erich Gysling
Erich Gysling
Syrisches Verteidigungsministerium nach israelischen Luftangriffen
Das durch israelische Luftangriffe am Mittwoch stark beschädigte Verteidigungsministerium in Damaskus. (Foto: Keystone/AP Photo/Ghaith Alsayed)

In der 60’000 Einwohner zählenden Drusen-Stadt Suweida im Süden Syriens herrscht wieder angespannte Ruhe – das geht aus Berichten vor Ort hervor. Die Einheiten der syrischen Armee und die mit ihr kooperierenden sunnitischen Milizen haben sich nach dem Gewaltausbruch mit 360 Todesopfern auf der Seite der Drusen zurückgezogen, die israelischen Kampfflugzeuge sind vom Himmel verschwunden. Doch wie lange, ist die Frage, wird der labile Zustand anhalten? 

Die Frage betrifft zwei Kräfte: die syrische Führung und die israelische Regierung. Ahmed al-Sharaa, dem interimistischen Präsidenten, ist es bis jetzt, sieben Monate nach der Machtergreifung, nicht gelungen, Kontrolle und Autorität über das ganze Land zu erlangen. Die Drusen (total rund drei Prozent der Bevölkerung, ca. 600’000 Menschen), versuchen, im Süden Syriens, um Suweida, eine autonome Region zu schaffen. Der Autorität al-Sharaas wollen sie sich nicht unterordnen. Sie beharren darauf, dass sie vom entmachteten Diktator, al-Assad, Rechte für die Selbstverwaltung erhalten haben, und darauf wollen sie jetzt, unter der neuen Regierung, nicht verzichten. 

Spannungen zwischen Drusen und Beduinen

Eine Drusen-Autonomie kollidiert allerdings nicht nur mit dem Macht-Anspruch der Zentralregierung in Damaskus, sondern auch mit der Lebensweise der rundherum lebenden Beduinen – die Weiderechte auch auf Ländereien im Besitz von (sesshaften) Drusen beanspruchen. Der Konflikt zwischen den beiden Gemeinschaften ist also vorprogrammiert und nicht primär religiös bedingt (die Beduinen sind muslimische Sunniten, die Drusen haben ihre eigene Glaubensrichtung) – aber die religiösen Differenzen werden im gegenwärtigen Spannungsfeld von verschiedenen Seiten als Grund für den Ausbruch von Gewalt und als Begründung für militärische Aktionen instrumentalisiert.

Israels expansive militärische Eingriffe 

Vor allem von Israel, dessen Regierung sich als Beschützer der Drusen profilieren möchte. Netanjahu rechtfertigte die Luftangriffe gegen syrische Regierungskräfte und mit ihnen verbündete Milizen im Konflikt um Suweida mit israelischer «Solidarität» mit den Drusen – aber war das nicht vielmehr ein Vorwand, um den israelischen Streitkräften in Syrien zusätzlichen Aktionsraum zu schaffen? Israel erweiterte seine Macht in Syrien ja bereits direkt nach dem Sturz des Assad-Regimes und der Machtergreifung durch al-Sharaa (8. Dezember 2024) mit der Besetzung von Territorien östlich der annektierten Golan-Höhen und bis in die Region vor Damaskus. 

Und jetzt erklärt Netanjahu sogar noch, er werde in der gesamten Region südlich von Damaskus keine Präsenz von syrischen Truppen (Regierungseinheiten oder mit ihnen kooperierenden Milizen) dulden. Etwa jede zweite Woche fliegt die israelische Luftwaffe seit dem vergangenen Dezember auch Angriffe gegen die militärische Infrastruktur Syriens kreuz und quer durch das Land. Das heisst: Israel verfolgt konsequent eine Strategie, die daraus hinausläuft, die Autorität al-Sharaas zu schwächen. 

Weshalb? Netanjahu gibt an, er befürchte, dass islamistische Kräfte sich auf syrischem Territorium, in Grenznähe zu den von Israel annektierten Golan-Höhen, ähnlich einnisten  könnten, wie in der Vergangenheit die Milizen der Hisbollah in Libanon. Das will er um jeden Preis verhindern. Offen ist die Frage, ob es ihm nicht um mehr geht: Um das Ziel, Syrien aufzuspalten, in eine Kernland-Region für die sunnitische Mehrheit und in marginalisierte Regionen für die Kurden im Nordosten, die Alawiten in der Küstenregion um Latakia und einen mehrheitlich von Drusen bewohnten Süden. Ein derart zerteiltes und geschwächtes Syrien wäre für Israel möglicherweise ein gefügiger Nachbar, ein Partner für eine Neuordnung des Nahen Ostens nach den Vorstellungen Netanjahus.

Mahnrufe an Netanjahu aus Washington 

Al-Sharaa reagierte bisher erstaunlich gefasst, und dies sogar noch, nachdem israelische Flugzeuge ein Ministerium mitten in Damaskus attackiert hatten. Er ist sichtlich um Deeskalation bemüht, verschliesst sich auch nicht «Ermutigungen» aus Washington, mit Israel in einen direkten Dialog zu treten. Er scheint dankbar zu sein, dass die US-Regierung sich um eine Vermittlung im Konflikt bemüht.

Die US-Aussenpolitik unter Donald Trump, die sich sonst mehrheitlich durch Improvisation und erratische Wendungen auszeichnet, zielt im Fall Syriens tatsächlich in eine andere, und, es mag erstaunen, konsequente Richtung: Aussenminister Rubio erklärte gegenüber Netanjahu klar und deutlich, die USA wünschten eine starke syrische Zentralregierung. Und forderte Israel auf, die Angriffe auf Ziele in Syrien zu beenden. Womit ein – allerdings labiler – Zustand von «Nicht-Krieg» zustande kam.

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