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Sanktionen

Iran, Europa und die Schweiz: Was können wir tun?

17. Oktober 2022
Erich Gysling
Erich Gysling
Iran Proteste
Proteste in Iran am 17. Oktober 2022 (Foto: Keystone/EPA/Sedat Suna)

Die von der EU am Montag gegen das iranische Regime beschlossenen Sanktionen sind, salopp ausgedrückt, gut gemeint – aber bewirken werden sie nichts. Angehörige der Sittenpolizei, der garsh-e-ershad, sollen sanktioniert werden, das heisst, dass sie nicht mehr in die Europäische Union einreisen können und dass ihre allfälligen Vermögen in der EU eingefroren werden. Annalena Baerbock, deutsche Aussenministerin, drohte: «Wenn dieses Regime weiter auf seine Bevölkerung so einschlägt, wird es weitere Sanktionen geben.»

Nur: Wen treffen die eben verabschiedeten Sanktionen? Die Einsatz-Truppen der Sittenpolizei bestehen aus jeweils vier Soldaten aus irgendeiner militärischen Einheit und zwei in den Tschador gehüllte Frauen, erwählt wohl aus irgendwelchen Familien mit einem Hang zu religiöser Strenge. Dass sie Pläne haben sollten, nach Europa zu reisen, ist mehr als unwahrscheinlich.

Dann gelten die neuen Sanktionen aber wohl auch noch für Angehörige der oberen Kommando-Struktur bei der Armee oder den Revolutionswächtern, den paasdaran. Aber selbst auf dieser Ebene werden wohl kaum breit gefächerte Wünsche erkennbar, nach Europa zu emigrieren – je höher jemand in irgendeiner der verschiedenen Macht-Pyramiden Irans tätig ist, desto geringer wohl dessen Sehnsucht, das Land zu verlassen.

Ausgereiztes Mittel der Sanktionen

Also, was bleibt dem Westen, was bleibt auch der Schweiz, um die Anliegen von Frauen in Iran zu unterstützen, um dem Regime in Teheran zu signalisieren, dass Unterdrückung, Missachtung der Menschenrechte, international Folgen haben? Normalerweise (wenn es da überhaupt eine Art von Normalität gibt) werden in solchen Fällen Sanktionen verhängt, entweder von einzelnen Regierungen (die USA sind da fast immer an vorderster Front) oder von der Uno.

Das Problem mit Iran jedoch ist: Das Land ist bereits derart rigoros sanktioniert, dass anderen Regierungen, auch der unsrigen, nichts wirklich Sinnvolles mehr einfällt. Ignazio Cassis’ Spontan-Antwort auf eine erste Frage, was die Schweiz zu tun gedenke, ist (leider) nachvollziehbar: Sie hat fast alle Iran-Sanktionen der Uno und der EU «nachvollzogen», mit ein paar wenigen Ausnahmen, die sich auf beabsichtigte Lieferungen von Gütern im humanitären oder im Gesundheitsbereich bezogen. Soll man nun auch noch diese wenigen Transaktionen beenden? Handelte man so, würde man der ohnehin schon schwer geprüften Bevölkerung in Iran schaden.

Abgesehen von den wenigen getätigten Geschäften schrecken Schweizer Firmen schon deshalb auch nur vor dem Gedanken zurück, mit einem iranischen Unternehmen in Kontakt zu treten, weil jede mögliche Transaktion mit dem Verlust irgendwelcher «deals» mit einer Firma in den USA bestraft würde – noch nicht einmal aufgrund einer politischen Massnahme in den Vereinigten Staaten, sondern weil die US-amerikanischen Banken in ihrer eigenen Machtvollkommenheit drohten, allen ausländischen Firmen den USA-Markt zu versperren, die sich unterstehen würden, mit Iran in geschäftliche Verbindungen zu treten.

Moribunde Atomgespräche

Was bleibt also der Schweiz noch an Möglichkeiten? Den Botschafter oder dessen Stellvertreter ins EDA zitieren, ihn zur Rede stellen? Ja, möglich – nur ist der Verlauf eines solchen Gesprächs absehbar: Irans diplomatischer Repräsentant wird darauf hinweisen, dass jedes Land seine eigenen Gesetze habe, dass … Und so weiter. Resultat: folgenlos.

Dann könnte die Schweiz damit drohen, die Botschafterin in Teheran anzuweisen, keine «guten Dienste» mehr zu realisieren. Also den indirekten Kontakt (der grösstenteils eine Überreichung von diplomatischer Korrespondenz aus den USA und umgekehrt ist) zu beenden. Resultat: schädlich für alle, denn selbst das Übergeben von Schriftstücken der einen zur anderen Seite kann, mindestens in Einzelfällen, etwa dazu führen, dass willkürlich in einem iranischen Gefängnis festgehaltene Ausländerinnen und Ausländer frei kommen können.

Nächste Option, denkbar nicht für die Schweiz, aber für die Europäische Union: Man signalisiert den Iranern den Ausstieg aus den in Wien immer noch laufenden, allerdings schon moribunden Atomgesprächen. Resultat: negativ für alle, denn wenn diese Verhandlungsplattform aufgelöst wird, kann das iranische Regime ohne irgendwelche Restriktionen den (vom Westen befürchteten) Weg in Richtung Atombombe forcieren.

Wirkungslose Demonstrationen

Bleibt denn gar nichts an konstruktiven Möglichkeiten? Doch, nämlich diese: Westliche Technologie (Elon Musk hat es vorgemacht) kann in, wenn auch bescheidenem Rahmen dafür sorgen, dass Menschen in Iran via Internet Zugang zur Welt haben.

Zweitens: Die Regierungen in allen westlichen Ländern  können dafür sorgen, dass hier lebenden Iranerinnen und Iranern keine Ausweisung mehr droht.

Ausserdem:  Demonstrationen zugunsten der Frauen in Iran sind gewiss nicht schädlich – aber mehr sind sie, auch wenn einzelne Teilnehmerinnen sich ein paar Haarlocken abschneiden, leider nicht.

Oder können Sie sich vorstellen, dass die Ayatollahs oder nur schon die einfachen Geistlichen in Iran, die Mullahs, in Schockstarre verfallen, wenn sie solche Bilder aus Zürich, Bern oder einer Stadt in einem anderen europäischen Land sehen? Oder dass sie sich durch Slogans wie «die Mullahs müssen weg» irgendwie beeinflussen lassen? Ich vermute, dass Ayatollahs, Hojataleslams (das ist die hierarchische Zwischenstufe in der schiitischen Hierarchie) und Mullahs das Betrachten solcher Aufnahmen eher zum Lachen bringen würde – sofern sie, die meistens «Gestrengen», überhaupt lachen können.

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