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Syrien-Nahost

Im Luftraum über Syrien wird es eng

9. Oktober 2015
Pierre Simonitsch
Wer stärker bombt, gewinnt. Dies scheint das Motto eines halben Dutzends von Akteuren im Syrienkonflikt zu sein.

Der Krieg eskaliert, eine politische Lösung ist nicht ersichtlich. Gleichzeitig reden die engagierten Mächte miteinander. Vielleicht erleben wir im Moment das Schlussbouquet eines tödlichen Feuerwerks, das einen Ausgleich der Interessen ankündigt.

Für Moskau sind  alle Asad-Gegner  Terroristen

Die Momentaufnahme stimmt allerdings nicht zuversichtlich. Erstmals ist Russland direkt in den Krieg eingetreten. Russische Suchoi-Bomber, enorme Waffenplattformen, greifen die Stellungen des „Islamischen Staats“ (IS) und anderer von Moskau pauschal als „Terroristen“ bezeichnete Gegner des Assad-Regimes massiv an. Auf „Nebenschäden“ wird keine Rücksicht genommen.

Vertreter der russischen Generalität haben eine Verstärkung der Luftangriffe angekündigt. Auch die Beteiligung russischer „Freiwilliger“ an Bodenkämpfen wird nicht mehr ausgeschlossen. Die Moskauer Strategen wissen, dass die von den Islamisten überrannten Städte nur von Haus zu Haus zurückerobert werden können.

Teure Luftangriffe - bescheidene Wirkung

Vor solch verlustreichen Einsätzen schrecken die westlichen Mächte zurück. Die USA, Frankreich und Grossbritannien setzen weiterhin auf die Zerstörungskraft ihrer Kampfflugzeuge. Sie betrachten dabei Syrien und den Nordirak als eine zusammenhängende Kampfzone. So beherrschen schätzungsweise 5000 bis 10.000 IS-Kämpfer die irakische Millionenstadt Mosul. Mit Luftangriffen ist der IS dort nicht zu vertreiben. Die USA haben bereits zweistellige Milliardensummen für die Ausbildung und Bewaffnung lokaler Widerstandskämpfer ausgegeben, ohne eine schlagkräftige Truppe zu schaffen. Einzig die Kurden  bedrängten die Dschihadisten.

Die Europäische Union hat keine gemeinsame Aussenpolitik. Während Frankreich und Grossbritannien aus angeblich moralischen Gründen keine taktische Allianz mit Baschar Al-Asad eingehen wollen, hat sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel für ein zeitlich begrenztes Zusammenspiel mit dem syrischen Präsidenten ausgesprochen.

Türkei, Iran, Jordanien und Israel mischen mit

Auch die Regionalmächte mischen im syrischen Bürgerkrieg mit. Die Türkei hat sich der westlichen Militärallianz gegen den IS angeschlossen, bombardiert aber vorwiegend Stellungen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK). Der Iran gehört zu den treuesten Helfern Al-Asads. Teheran macht mittlerweile kein Geheimnis mehr daraus, dass iranische Militärs auf der Seite der syrischen Regierungstruppen und der libanesischen Hizbullah kämpfen. Die Klammer zwischen ihnen ist die gemeinsame schiitische Glaubensrichtung.

Kampfflugzeuge Jordaniens und der Vereinigten Arabische Emiraten nehmen an den von Washington angeführten Luftschlägen gegen den IS teil. Israel hat mehrfach Truppenbewegungen der libanesischen Hisbollah in Syrien angegriffen.

Russisch-amerikanische Militärgespräche

Der Himmel über Syrien und dem Nordirak wird langsam eng. Bezeichnend ist das wohl unbeabsichtigte Eindringen russischer Bomber in den türkischen Luftraum und ihr Abdrängen durch türkische Abfangjäger. Die USA und Russland führen „Militärgespräche“, um solche Zwischenfälle zu vermeiden. Die Kanäle zwischen Washington und Moskau bleiben also offen.

Keine Fortschritte sind indessen an der diplomatischen Front zu erkennen. Russlands Präsident Wladimir Putin schlug zwar auf der Uno-Generalversammlung die Schaffung einer „breiten Koalition gegen den Terror“ vor, der die syrischen Regierungstruppen angehören müssten. Barack Obama und François Hollande haben diese Bedingung umgehend als unannehmbar zurückgewiesen.

Putins und Obamas Perspektive

Das Dachorgan von 72 syrischen Oppositionsbewegungen wies letztes Wochenende sogar die vom Weltsicherheitsrat gebilligte Schaffung von vier Arbeitsgruppen zurück, die eine Übergangsregierung vorbereiten sollen. Die Unterzeichner dieser Stellungnahme, deren politisches und militärisches Gewicht fragwürdig ist, widersetzen sich der Teilnahme des Asad-Regimes an den Gesprächen.

Russlands Präsident Putin sieht in der Politik der USA das Streben nach weltweiter Dominanz und einer Revision der Rolle der Uno. Er verweist auf die Erfahrungen im Irak und in Libyen, wo die westlichen Militärinterventionen ein Chaos hinterliessen. Die bescheidene Flottenbasis in Tartus an der syrischen Mittelmeerküste ist für Russland nicht vital. Mehr geht es Putin wohl darum, zu beweisen, dass Russland alte Verbündete nicht im Stich lässt.

Die USA betreiben seit George W. Bush im Nahen und Mittleren Osten einen „Regimewechsel“ zu ihrem Vorteil. Wie weit auch Obama dieses Ziel verfolgt, ist nicht klar. Als Globalmacht fühlt sich Amerika aber von Russland herausgefordert. Obama ist auch den Vorwürfen seiner innenpolitischen Gegner ausgesetzt, die weltweiten Interessen der USA zu verscherbeln.

Französische und britische Prägungen

Die Haltung Frankreichs und Grossbritanniens ist stark von der kolonialen Vergangenheit geprägt. Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches teilten sich die beiden Staaten den  Nahen Osten. Die Briten bekamen den Irak, die Franzosen Syrien und den Libanon. Davon leiten sie noch heute eine Verantwortung für die Region ab.

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