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Film

Hoselupf oder wie man ein Böser wird

21. März 2011
Esther Fischer-Homberger
Mit diesem Artikel begrüssen wir Frau Prof. Dr. Fischer-Homberger. Sie ist Psychotherapeutin und Medizinhistorikerin und wird künftig regelmässig für "Journal 21" schreiben. Von Esther Fischer-Homberger Ein Film über unser bäuerliches Erbe. Als Avatar sei Beat Schlatter von Regisseur This Lüscher vorgeschickt worden, die alte Schweizer Welt des Schwingens zu erkunden. Dies tut der kluge Komiker mit Neugier, Liebe und Humor. Ein sehens- und empfehlenswerter Film für SchweizerInnen, die sich für den Hoselupf-Sport nicht interessieren.

Seine Produzenten hätten sich geirrt, wenn sie geglaubt hätten, er könne sich innerhalb von dreiviertel Jahren zum ebenbürtigen Gegner eines 16-Jährigen hochtrainieren, sagte Beat Schlatter am Radio – sie seien aber gegenüber seiner Bitte um einen halb so alten Rivalen hart geblieben. So hat Schlatter die Anfangsgründe des Schwingens erlernt, ist beim Eidgenössischen Schwingerfest 2010 gegen den 16-jährigen Martin Äschlimann in den Sägemehlring gestiegen – und hat in Ehren verloren.

Das Schwingen ist ein, wenn nicht der Schweizerische Nationalsport, alt wie die ‘Lucha Canaria’ und das isländische ‘Glima’. Seit dem dreizehnten Jahrhundert nachweisbar, ist es im 19. Jahrhundert im Zug der Konstituierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft neu belebt worden. Es erfordert starke und geschickte Männer, Männer, wie es sie im Rahmen einer bäuerlichen Kultur braucht.

Werte der schwingenden Bergler

Beim Schwingen kommt drauf an, den Gegner auf den Rücken zu legen. Diesem Zweck dienten in frühen Zeiten einige wenige Schwünge, heute sind es sehr viel mehr, das aktuelle Lehrbuch des Eidgenössischen Schwingerverbands führt rund hundert auf. Beat Schlatter beherrscht immerhin fünfe, und dank seiner Spezialität, dem „Gammen links“, konnte er im Kampf gegen Äschlimann wenigstens für kurze Zeit auf den Füssen bleiben.

Für Aussenstehende sichtbar ist vom Schwingen nur männliche Massigkeit, sägemehlverklebter Schweiß, eine Halsmuskulatur, welche den Kopf als Annex des Körpers erscheinen lässt, und ein Kampfkostüm in Form von weit offenen, potenzbetonenden kurzen Hosen, die über die herkömmlichen langen gezogen werden – was alles gebildeten StädterInnen unfein und der Beachtung unwürdig vorkommen kann.

Umso mehr ist es dem Filmer und seinem Protagonisten zu verdanken, daß sie einem Schweizer Kinopublikum einige von den Werten der schwingenden Bergler vor Augen führen – Werte, welche nicht kotiert sind und auch an der Bildungsbörse wenig gelten. Es gibt zum Beispiel keine Vollzeitschwinger – ehrbare Schwinger trainieren in der Freizeit, die ihnen neben ihrem Beruf bleibt, der Schwingerkönig gewinnt neben der Ehre einen Muni. Jeder Kampf endet damit, daß der Sieger seinem Gegner das Sägemehl vom Rücken klopft. Und die Jahresgebühr für den Schwingerklub Zürich beträgt 25 Schweizerfranken, nicht mal zwei Kinoeintritte.

Keinesfalls soll man die Schwingerszene idealisieren: mit Bedenken blickt der ehemalige Schwingerkönig Karl Meli, Gründer des Schwingermuseums Winterthur, auf manche neueren Entwicklungen. Aber Beat Schlatter hat da Freude und Freunde gefunden, und wer Lüschers Film sieht, begreift ihn gut.

Sie wählen wohl mehrheitlich SVP und besonders feministisch sind sie auch nicht

Die Schwinger versuchen auf ihre Art, die Heimat und ihre Geschichte, die sie unter den Tritten des Geldes und der Flut einer globalisierten Massenkultur zu verlieren fürchten, im Schwingen lebendig zu erhalten.

Sie wählen wohl mehrheitlich SVP, und besonders feministisch sind sie auch nicht, wenngleich es seit 1992 auch ein Frauenschwingen gibt. Aber sie kämpfen im Sägemehl unter anderem für Werte, die zu pflegen und zu respektieren auch ihren parteipolitischen GegnerInnen wohl ansteht und die abzuwerten oder zu ignorieren die Schwinger kränkt und für populistische Verheißungen anfällig macht.

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