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Schweiz

Hilf- und orientierungslos vor Trumps Willkür

18. August 2025
Daniel Woker
Rolex-Reklame
Eine Rolex Leuchtschrift auf dem Dach eines Bieler Hochhauses, fotografiert am 11. August 2025, dem Tag, als Trump der Schweiz Zölle von 39 Prozent auferlegte. (Keystone, Christian Beutler)

Der Bundesrat ging und geht in die Knie, um Kaiser Donald im Weissen Haus zu besänftigen. Dazu scheint ihm auch eine Umkehr bisheriger Werte in Aussen- und Wirtschaftspolitik als adäquates Mittel. Gemeinsam mit Europa vorzugehen wäre besser.

Blankes Entsetzen war meine Reaktion angesichts eines Portraits von «Team Switzerland», so von Bundesrat Parmelin selbst bezeichnet, das ihn zusammen mit der Bundespräsidentin für die Verzweiflungsmission nach Washington vor dem Zollhammer umgab. Neben dem SVP-Mann waren da unter anderem zwei Mitinhaber der Zuger Finanzgruppe Partners Group zu sehen sowie der Mann hinter der Rohstoffhandelsfirma Mercuria. Gantner und Erni sind die Initianten und Geldgeber der Kompass-Initiative welche die Abstimmung über die Bilateralen III sabotieren will; Jaeggi ist der schweizerische Inbegriff für ein Business, das mit den traditionellen Werten und Tugenden unserer Wirtschaft wenig, dafür mit helvetischen Steuern viel zu tun hat. 

Zollhammer und schweizerische Resilienz

Dass der Zollhammer, auch wenn er noch abgeschwächt werden sollte, schweizerische KMU aus traditionell starken Teilen der Exportwirtschaft hart treffen wird, ist klar. Von Maschinen über Uhren bis zu Schokolade und Käse werden schweizerische Qualitätsprodukte in den USA für dortige Kunden zu teuer. Das wird sich erst ändern, wenn in den USA der MAGA-Wahn abflaut – was hoffentlich noch möglich ist, sofern nicht Trump für die nächsten Wahlen die Verfassung ausser Kraft setzt. Immerhin ist das erklärte Ziel ein Marsch Richtung Autokratie. Wie sagte Trump doch während seines Wahlkampfes im letzten Jahr? «Wählt mich, damit ihr nie mehr wählen müsst.»

Die vom Zollhammer betroffenen Unternehmen werden sich anders behaupten müssen. Dass sie über die nötige Resilienz verfügen, haben sie gegenüber starkem Franken, Covid und anderen Katastrophen bereits mehrmals bewiesen. Die offizielle Schweiz, Sitzstaat der WTO (Welthandelsorganisation), könnte sich der wachsenden Bewegung in Richtung einer «WTO der Willigen» anschliessen, also jenen Staaten, die – unter Ausschluss der USA – Welthandel weiterhin als Win-Win-Setting und nicht als Nullsummenspiel sehen.

Politische Abkehr von der Realwirtschaft?

Als einen Ausdruck neuer Machtverhältnisse in der Wirtschaft der Schweiz umschreibt der grösste schweizerische Medienverbund den Hintergrund des Parmelin’schen Team Switzerland. Wirklich? Wenn schon die Finanzindustrie vertreten sein musste, dann doch auch jene ihrer Teile, die Arbeitsplätze schaffen, die Exportindustrie liquide halten und generell die schweizerische Volkswirtschaft stützen. All das tut die Partners Group nicht. Böse Gerüchte in schweizerischen Medien wollen wissen, dass Gantner als Mormone den Mormonen und US-Aussenminister Rubio am ehesten überzeugen würde. 

Wenn das stimmt, bewegen wir uns auf dem Niveau jener Armeeverbände, welche als Goodwillgeste gegenüber Trump soeben den Kauf von zwölf weiteren F-35 Kampfflugzeugen gefordert haben. Dem Erpresser soll also ein zusätzliches Lösegeld bezahlt und der Kontakt zu ihm durch einen Mittelsmann hergestellt werden, und zwar ausgerechnet in Gestalt des bedingungslosen Ausführungsgehilfen, den Trump als Little Mario bezeichnet hat.

Der Rohstoffhandel bringt den Kantonen Genf und Zug sowie etwa auch der Zürcher Gemeinde Rüschlikon zwar Steuereinnahmen, fördert aber weder die Volkswirtschaft noch den Ruf der Schweiz. Arbeitsplätze schafft er praktisch keine. Der Schreibende besuchte berufshalber vor einiger Zeit den Hauptsitz eines solchen Unternehmens im Kanton Zug. Vereinzelte Personen verloren sich dort in einer luxuriösen, aber kleinen Büroetage. Der Händler Jaeggi soll den vom Bundesrat angestrebten Import von amerikanischem Gas möglich machen, was ihn als Mitglied von Team Switzerland qualifiziert.

Ist eine solchermassen verkehrte Welt der offiziellen Schweiz würdig? Die Schweiz sollte sich – Höhe der US-Zölle hin oder her – angesichts der laufenden Umwälzungen in der Weltordnung mit verlässlichen Partnern zusammentun. Und sie will den ersten Schritt dazu ja auch gehen mit einem für sie und die EU positiven Verhandlungspaket, das der gesamten schweizerischen Volkswirtschaft wirklichen Mehrwert bringen wird: die Bilateralen III.

Herausgeforderte, aber widerstandsfähige EU

Die Bilateralen III sind im Moment die einzige wirklich tragfähige Brücke, welche die Schweiz mit dem europäischen Binnenmarkt dauerhaft verbinden kann. Dieser ist das komplexe Unterfangen, 27 europäische Einzelmärkte zum gemeinsamen Wohl auf einer gemeinsamen Spur zu halten. Die EU hat ihre Widerstandskraft schon mehrmals bewiesen. Mit diesem bemerkenswerten Phänomen beschäftigt sich das neue Buch von Stephan Werhahn mit dem etwas sperrigen Titel «Europas Resilienz für Frieden, Freiheit und Wohlstand: Strategien und Lösungen über Generationen hinweg». Werhahn ist ein deutscher Unternehmer und Autor, Enkel von Konrad Adenauer und Spross der Industriellenfamilie Werhahn.

Werhahn sieht die im Moment dringendsten Aufgaben der Union bei der Migration, eingeschlossen den Schutz der EU-Aussengrenzen, und bei der Entwicklung über die wirtschaftlichen Aspekte des Binnenmarkts hinaus zum glaubwürdigen Verteidigungsbündnis. Wie wichtig das ist, hat das Zoll-Seilziehn mit Trump bewiesen, wo Ursula von der Leyen die europäische Marktmacht nicht ausspielen konnte, da die sicherheitspolitische Flanke der EU ungeschützt ist, solange sich Europa nicht ohne die USA gegen Putin verteidigen kann. Wie der Gipfel in Alaska eben gezeigt hat, kann die EU Selenskyj deshalb auch keinen wirklichen Schutz vor einem Putin-Trump-Diktat bieten. 

Die Migration erscheint bei Werhahn als zweites unmittelbares Problem, da diese wie kein anderes Gegenwartsthema den Aufstieg der nationalkonservativen Rechten und Putin-Versteher in europäischen Schlüsselländern ermöglicht hat. Sollten AfD und Cie. an die Macht kommen, wäre das Schicksal unseres Kontinentes besiegelt. Grosse Teile Europas würden zum Ziel russischer Aggression und zum Putin’schen Hinterhof. 

Wer nur für ein einziges Europabuch Zeit hat, sollte den Werhan zur Hand nehmen. Es ist ebenso wichtig für die Zukunft wie das magistrale Werk von Mario Draghi zu EU-Wirtschaftsvisionen und erst noch leichter lesbar. 

Die Schweiz im politischen Trott

Die beschriebene Verzweiflungsmission von Team Switzerland nach Washington wäre allenfalls zu vermeiden gewesen, hätte sich der Bundesrat und ein guter Teil der Politiker schon vor Trumps Zoll-Irrsinn enger mit der EU abgesprochen. Falls sich die schweizerische Regierung und Verwaltung nach dem 1. April, Datum der ersten Zoll-Erpressung durch Trump, informell mit der EU-Kommission und EU-Mitgliedern darüber ausgetauscht hat, wie man dem Bully im Weissen Haus die Stirne bieten kann, ist davon nichts in den Medien erschienen. Was vermuten lässt, dass solche Kontakte nicht stattgefunden haben.

Lieber scheint man in Bern den bewährten Trott eingeschlagen zu haben, der die Abstimmung über die Bilateralen III weiterhin erst 2028 vorsieht, unter dem Eindruck des Zollhammers und des massiven Drucks vernünftiger politischer Kreise allenfalls 2027. Die Abstimmung könnte ohne weiteres bereits 2026 abgehalten werden und damit vor den Volksentscheiden über die ausschliesslich auf die Zerstörung der bilateralen Beziehungen der Schweiz mit der EU abzielenden SVP-Initiativen «Pro Putin» (Neutralitätsinitiative) und «Kündigung der Personenfreizügigkeit» (Initiative gegen die Zehn-Millionen Schweiz), «Austritt aus Schengen» (Grenzschutz-Initiative). 

Im Raum steht auch die Forderung der Aktion «Kompass» nach obligatorischem Referendum für die Bilateralen III, womit die europhoben Zuger «Partner» unter dem Vorwand des Schutzes kleiner Kantone dafür sorgen wollen, dass ein Appenzeller über dieselbe Stimmkraft verfügt wie Dutzende von Zürcherinnen. Die Bilateralen III sind für die schweizerische Wirtschaft auf Dauer ungleich wichtiger als arbiträre Zollsätze auf dem zwar wichtigen, aber keineswegs ausschlaggebenden Exportmarkt USA.

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