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Zeitgeist

Heimweh nach St. Pauli

27. Februar 2013
Helmut Scheben
Am Limmatquai in Zürich soll ein Hafenkran aufgestellt werden. Dafür im Hamburger Hafen vielleicht ein Skilift, in Helsinki ein Palmenstrand und in Saudiarabien eine Schlittschuh-Halle. Es lebe Disney-Land mit seinen Metastasen!

Keine Frage, Hafenkräne sind etwas Phantastisches. Mit ihrer eindrücklichen Silhouette sind sie Symbole der grossen Hafenstädte mit ihrer wechselvollen Geschichte. Hafenkräne schmecken nach Ozean, nach Kabeljau, nach dem Völkergemisch und der Weltoffenheit der grossen Seefahrer-Länder.

Vielleicht evoziert so ein Kran auch ein wenig Liverpool und Yellow Submarine oder La Boca und die Tangos von Buenos Aires. Hafenkräne sind Romantik schlechthin. Aber man sollte sie vielleicht besser dort lassen, wo der kulturelle und historische Kontext stimmt.

Wann kommt das Meer zurück?

Zürich liegt nicht am Meer, hier wurden nie riesige Frachtschiffe entladen, und eine Schifflände am Bellevue ist nicht der Hafen von Rotterdam. Stimmt alles nicht, sagen die Hafenkran-Fans: Vor 16 Millionen Jahren gab es hier in Zürich mal ein Meer, und im Mittelalter wurden Zürisee-Schiffe mit einem kleinen Hebekran entladen. Einverstanden, könnte man sagen, dann warten wir doch noch ein Weilchen – es müssen ja nicht 16 Millionen Jahre sein.Vielleicht gibt es in 200 Jahren mit der Klimaerwärmung auch wieder in Zürich ein Meer, und dann besorgen wir den Hafenkran.

Mir ist eigentlich gleichgültig, ob irgendwo in Zürich ein Hafenkran steht, nur kann ich mich bei diesem „Zürich transit maritim“ getauften Projekt nicht der ungemütlichen Vorstellung erwehren, dass hinter dem Hafenkran ein paar entsetzliche Kleinbürger hervorschauen. Da soll das Bedürfnis nach Geltung und Grösse befriedigt werden: Wir in Zürich sind auch ein wenig Rotterdam, Liverpool und New York. Wir haben auch einen Hafenkran, und weil wir einen Hafenkran haben, haben wir ein bisschen das Gefühl von Manhattan, Brooklyn, Ozean, Weite, Unendlichkeit der See. Freddy Quinn lässt grüssen.

Eine Art Disneyland

Das Projekt Hafenkran hat Berührungspunkte mit der Disneyland-Ideologie: Märchen werden wahr. Sie werden aus Plastik gebaut. Man schafft einen Vergnügungspark, in dem Objekte der Träume und der Sehnsüchte greifbares Material geworden sind. Man kann einen Sandstrand mit Palmen in Paris an der Seine bauen oder eine Halle mit Skipiste in einem Shopping Center Dubai. Man kann auch eine Skisprungschanze in Amsterdam bauen oder eine künstliche Welle zum Surfen auf der Limmat entstehen lassen. Man kann eine Bergbahn und eine Aussichtsplattform auf den Mount Everest bauen oder Hängebrücken an Orten, wo es keine braucht. Und so weiter.

Die Initianten des Hafenkran-Projektes sprechen von Kunst, von Verfremdung, von Phantasie. Man kann das nicht in Bausch und Bogen zurückweisen. Doch wenn Jean Tinguely eine eiserne Maschine namens „Heureka“ baut, dann ist das kreativ, es ist seine künstlerische Schöpfung. Einen Hafenkran von der Nordsee nach Zürich zu transportieren, ist nicht eben ein Muster von Kreativität.

Piräus ist und bleibt weit weg

In der Event&Fun-Gesellschaft haben so einige sich einiges einfallen lassen, um Geld zu verdienen. Aber im Fall des Zürcher Hafenkrans trägt das Projekt sich nicht einmal finanziell selbst, sondern die Zürcher Steuerzahler werden mit 600‘000 Franken zur Kasse gebeten.

Ich bin ein Mädchen von Piräus, ich liebe den Hafen, die Schiffe und das Meer, sangen Melina Mercouri und Lale Andersen. Aber die Zürcher Girls werden auch mit einem Hafenkran definitiv noch keine Mädchen von Piräus, - falls sie es denn überhaupt wollten.

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