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Made in China

Grufti und Konfuzius

7. Februar 2012 , Peking
Peter Achten
Jeweils am Anfang des Jahres sind Ferientage in der Schweiz angesagt, unterbrochen von Vorträgen über Chinas Stellung in der Welt und Chinas Zukunft im 21. Jahrhundert.

Kurzfassung: Bereits in den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich das wirtschaftliche und politische Schwergewicht vom atlantischen in den pazifischen Raum verlegt; nach dem britschen 19. und dem amerikanischen 20. Jahrhundert wird es ein mulitpolares 21. Jahrundert geben mit China-Indien und den USA im Zentrum; und überhaupt, auch in China wachsen – wie zuvor in Amerika und Grossbritannien – die Bäume nicht in den Himmel.

Der Jahresanfang als Schweizer Ferienziel empfiehlt sich aus Pekinger Sicht schon deshalb, weil es in der chinesischen Hauptstadt um diese Jahreszeit jeweils bitter kalt ist. Doch die Rechnung ging für einmal nicht auf. Die Meteorologen, oder besser: das Wetter hat sich anders entschieden. Auf dem Wetter-App grüsst Peking mit Temperaturen nur knapp unter dem Gefriergpunkt – verglichen etwa mit dem Engadin – schon fast als subtropische Gegend.

Der Vorzug der Bahn

Um von Vortrags- zu Vortrags- und von Ferien- zu Ferien-Ort zu gelangen, empfiehlt sich die Eisenbahn. Finde ich. Bequem, schnell und fast schon so pünktlich wie die chinesischen Staatsbahnen. Dass die SBB Ende Jahr (noch) teurer werden, habe ich auf der Fahrt von einem Ort zum andern nebenbei auch noch mitbekommen. Doch Qualität war eben schon immer etwas teuerer.

Einmal auf der Reise freilich war von Qualität mitnichten die Rede. Der Regionalzug Richtung Bündnerland war rappelvoll. Beim Einsteigen und Platz Besetzen wurde mit Ellbogen und allen verfügbaren harten Bandagen gekämpft. Dass die junge Generation dabei einen Vorteil hat, braucht nicht weiter erwähnt zu werden. Eine ältere Dame jedenfalls stand wie bestellt und nicht abgeholt am Eingang des Waggons. Alle Plätze besetzt - mit jungen, jüngeren und jüngsten Leuten vor allem. Auch nach zwei, drei Minuten machte niemand auch nur einen Wank.

Generation Wurscht

„Junger Mann“, sagte ich mit einem freundlichen Lächeln in Richtung der alten Dame zu einem vielleicht 18-Jährigen, „wäre es möglich, ihren Platz frei zu geben?“. Die Antwort kam schnell und abrupt: “Isch mer wurscht!, bsetzt isch bsetzt”. Aha. Zweiter Versuch etwas weiter vorne im Waggon Die Antwort kam noch schneller und abrupter: „Was hesch gsait, Du Grufti?" Da als Grufti immer noch wohl trainiert, nahm ich den jungen Mann am Kragen, hob ihn zur Brust und sagte: „Der Grufti verlangt den Platz für die alte Dame und eine Entschuldigung“. Und so geschah es.

Die Schweizer Generation Wurscht hat ganz offensichtlich den Respekt vor dem Alter verloren. Das wäre im konfuzianisch geprägten Ostasien völlig undenkbar. In der Pekinger Untergrundbahn oder im vollgestopften Bus geben junge Leute ganz selbstverständlich den Platz für die ältere Generation frei. Freundlich, hilfsbereit, lächelnd. Doch eigentlich bin ich ganz froh, dass mir das in der Schweiz noch nicht passiert ist. Sollten nämlich einst in einem Schweizer Tram oder in der SBB die jungen Leute freundlich, hilfsbereit und lächelnd den Sitzplatz räumen, wäre der Grufti-Status endgültig besiegelt.

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