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United Kingdom

Grossbritannien verlässt die EU

24. Juni 2016 , aktualisiert 10.01 Uhr
Journal21
Kurz nach Bekanntgabe des Schlussergebnisses tritt Premierminister David Cameron (hier mit seiner Frau Samantha) in der Downing Street vor die Medien und gibt seinen Rücktritt bekannt. (Foto: Keystone/EPA/Will Oliver)
Kurz nach Bekanntgabe des Schlussergebnisses tritt Premierminister David Cameron (hier mit seiner Frau Samantha) in der Downing Street vor die Medien und gibt seinen Rücktritt bekannt. (Foto: Keystone/EPA/Will Oliver)
51,8 Prozent der Britinnen und Briten stimmen für einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Die EU-Gegner erklären den Abstimmungstag zum "Independence Day". David Cameron tritt zurück.

Am Freitag um 05.58 Uhr Schweizer Zeit prophezeite die BBC einen Austritt Grossbritanniens aus der EU.

Um 08.03 Uhr wurde das offizielle Schlussergebnis verkündet: 17'410'742 Britinnen und Briten stimmten für "Leave", 16'141'241 für "Remain".

Nur London, Manchester und Schottland votierten deutlich für einen Verbleib Grossbritanniens in der Europäischen Union. England, Wales und der Nordosten Nordirlands stimmten vorwiegend dagegen.

"Cameron muss zurücktreten"

Nigel Farage, der Vorsitzende der United Kingdom Independence Party (UKIP), rief Premierminister David Cameron zum "sofortigen Rücktritt" auf. Farage hat den gestrigen Abstimmungstag zum "Unabhängigkeitstag Grossbritanniens" erklärt. Seit 20 Jahren kämpft Farage für einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU.

Cameron hatte vor den letztjährigen Unterhauswahlen versprochen, eine Abstimmung über den Verbleib des Königreichs in der EU durchzuführen. Zweieinhalb Stunden nach Veröffentlichung des Schlussergebnisses gab David Cameron seinen Rücktritt bekannt.

Das britische Pfund fiel im Verlaufe der Nacht gegenüber dem Dollar auf den tiefsten Wert seit 1985. Die meisten Börsen reagieren mit Panik auf das Ergebnis. Auch im SMI werden erhebliche Kursverluste erwartet.

Neue Blamage für die britischen Meinungsforscher

Die Stimmbeteiligung war mit 71,8 Prozent höher als bei den Unterhauswahlen vor gut einem Jahr. Mehr als 30 Millionen Briten gingen an die Urnen.

Das Ergebnis kommt überraschend und bestätigt einmal mehr den schlechten Ruf der britischen Meinungsforscher. In den letzten Tagen vor der Abstimmung sahen die meisten Institute einen knappen Sieg der EU-Befürworter voraus, ebenso die Wirtschaft, die eigene Umfragen durchführte. Auch die Londoner Wettbüros setzten zu 85 Prozent auf einen Sieg der EU-Befürworter.

"We will win this war"

Noch um Mitternacht hatte Nigel Farage, der die Brexit-Kampagne anführte, dem Fernsehsender Sky erklärt: It "looks like Remain will edge it". Farage erklärte der Press Association, seine Einschätzung beruhe auf Angaben von "einiger meiner Freunde im Finanzdistrikt", die grossangelegte Umfragen durchgeführt hätten.

Farage fügte bei: "Der Geist der Euroskeptiker hat die Flasche verlassen." Vor seinen Anhängern rief er um Mitternacht aus: "Win or lose this battle, we will win this war, we will get this country back."

"Grossbritanniens Wiederauferstehung"

Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hatte sofort nach Schliessung der Stimmlokale um 23.00 Uhr Schweizer Zeit eine Online-Wählerbefragung bei 5'000 Briten veröffentlicht. Sie sah einen 52 Prozent-Sieg der EU-Befürworter voraus.

Diese Umfrage war umstritten, vor allem auch, weil mit einem sehr knappen Ergebnis gerechnet wurde. Allerdings hatte das gleiche Institut nach dem Schottland-Referendum sofort nach Schliessung der Abstimmungslokale eine ähnliche Umfrage veröffentlicht - und lag richtig. Bei den letztjährigen britischen Unterhauswahlen allerdings lag YouGov daneben.

Auch eine letzte Meinungsumfrage des Instituts Ipsos MORi für den Evening Standard sah eine 54 Prozent-Mehrheit der EU-Befürworter voraus. Der letzte Brexit Poll Tracker der Financial Times hatte einen 48:46-Vorsprung der EU-Befürworter errechnet. Auch die meisten europäischen Börsen rechneten am Donnerstag mit einem Sieg der EU-Befürworter.

Die EU-Befürworter hatten auch gegen die auflagenstarke britische Boulevardzeitung "The Sun" zu kämpfen. Das Blatt gehörte während des viermonatigen Abstimmungskampfes zu den schärfsten Gegnern der EU und trommelte täglich für einen Austritt des Landes aus der Europäischen Gemeinschaft. Den Abstimmungstag selbst feierte "The Sun" schon als "Unabhängigkeitstag" und sprach von "Grossbritanniens Wiederauferstehung".

46'503’464 Britinnen und Briten waren aufgerufen, folgende Frage zu beantworten: "Should the United Kingdom remain a member of the European Union or leave the European Union?" 

Eine Engländerin nach Abgabe ihrer Stimme vor einem Londoner Stimmlokal.
Eine Engländerin nach Abgabe ihrer Stimme vor einem Londoner Stimmlokal.

Wegen starker Gewitter in und um London sowie im Südosten Englands waren zahlreiche Züge ausgefallen. Pendler liefen Gefahr, nicht rechtzeitig abstimmen zu können. Im Südwesten Londons mussten zwei Abstimmungsbüros, die überflutet waren, an einen andern Ort verlegt werden. 

Im Vorfeld der Abstimmung erklärten Analysten, die Stimmbeteiligung könnte für den Ausgang entscheidend sein. Je höher sie sei, desto mehr rechnete man mit einem Verbleiben des Königreichs in der EU. Diese Vermutung wurde jetzt Lügen gestraft. In England lag die Stimmbeteiligung bei 72,9 Prozent, in Wales bei 71,7 Prozent, in Schottland bei 67,2 Prozent und in Nordirland bei 62,9 Prozent.

(J21/hh/BBC/Guardian/YouGov/AP

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