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Ende des Papst-Besuches in Grossbritannien

Gleichgültigkeit statt Anti-Klerikalismus

19. September 2010
Ulrich Meister
Der erste Staatsbesuch eines Papstes in Grossbritannien geht nicht als historisches Ereignis in die Annalen ein. Es herrschte im anglikanischen Grossbritannien mehr Gleichgültigkeit als Anti-Klerikalismus. Eine letzlich schwererwiegende Reaktion - wenn nicht die während den vier Tagen ausgeblendeten internen Problemen der Anglikaner so drückend wären.

Der Papst beendete am Sonntag seinen viertägigen Grossbritannien-Besuch (Foto: Keystone/AP/Sang Tan)
Der Papst beendete am Sonntag seinen viertägigen Grossbritannien-Besuch (Foto: Keystone/AP/Sang Tan)

Papst Benedikt XVI. hat am Sonntag, 19. September, in Birmingham vor Tausenden von Gläubigen und Zuschauern den Kardinal Newton (1801 - 1890) seliggesprochen, bevor er nach Rom zurückflog. Newton war ein anglikanischer oder vielleicht sogar mehr ein ökumenischer Konvertit. Der bekannteste Konvertit nach ihm, der frühere Premier Tony Blair, war sehr präsent während des Besuches. Oekumene und Konvertitentum sind ein Stachel im Fleisch der anglikanischen Kirche.

Drei Fakten sind bemerkenswert. Erstens handelte es sich um den ersten offiziellen Staatsbesuch eines Papstes seit dem Schisma, das Heinrich VIII. 1543 herbeigeführt hatte, um seine mehrfachen Ehen definitiv vom Veto des Vatikans zu befreien. Johannes Paul II. war 1982 nur zu einem Pastoralbesuch erschienen (nach Zeugen sei damals mehr Publikum zugegen gewesen).

Das bedeutet, dass das Verhältnis zwischen dem Vatikan einerseits und der anglikanischen Kirche sowie der britischen Regierung anderseits distanziert geblieben ist. Die anglikanische Kirche hat verständliche Berührungsängste, obwohl sie in England Staatskirche ist - mit dem Monarchen oder der Monarchin als "Oberhaupt" -und mit 40 Millionen Mitgliedern zehnmal mehr Anhänger hat als die Katholiken. Aber unter der Gleichültigkeit, mit der das offizielle England den Papst empfangen hat, verbergen sich uneingestandene Spannungen.

Pädophilie als theologischer Skandal

Zweitens hat der grosse Protest vom Samstagabend beim Hyde Park gegen den Papst mit Zehntausend Wütigen - Laizisten, Feministinnen, Abtreibungsbefürworter, Homosexuelle, Kondom-Verteidiger, Intellektuelle und Positivisten, deren Wiege in England/Schottland stand - vergessen lassen, dass diese ethischen Probleme die anglikanische Kirche genauso umtreiben wie die katholische - und beide sich im Rückstand zur gesellschaftlichen Entwicklung, man könnte auch sagen: Aufklärung, befinden. Nur gab es diesmal einen eklatanten Unterschied: die Pädophilie im katholischen Klerus, die man bei anglikanischen Pfarrern oder Pfarrerinnen (nach zehn Jahren Weihe-Erlaubnis immerhin schon ein Viertel) - meist verheiratet - oder der Durchschnittsbevölkerung nicht finden kann.

Benedikt XVI. hat die Erwartungen in England zu diesen "unsäglichen Verbrechen", wie er sie klar benannte, nicht erfüllt. Sprichwörtliche englische Toleranz reicht nicht aus, einen Mangel an Eingeständnis und vor allem Reaktionen, Sanktionen, einschliesslich juristischer, zu verdauen, zumal der Schock im katholischen Irland andauert. Es handelt sich auch um einen theologischen Skanda, nämlich zwischen Lehre und Praxis.

Die schüttere Einheit der Anglikaner

Drittens aber bleibt die anglikanische Staatskirche jetzt mit ihren internen Spannungen und ihrerseits mit einer Gefahr eines Schisma wieder allein. Die katholische Kirche hat, abgesehen von einigen Versuchen, keinen direkten Proselytismus betrieben, aber abtrünnigen Anglikanern wurde ein Sonderstatus versprochen - oder diese selbst baten darum - um nicht im offenbar besonders sündenanfälligen Protestantismus ausharren zu müssen. Wer den von Calvin nach Schottland - Edinburg, wo der Papst ankam - transportierten und dort vom Pfarrer Knox verbreiteten Puritanismus nachempfindet, kann nur den Kopf schütteln.

Das Verhältnis zur Sünde ist ein anderes, aber die anglikanische Weltkirche - von England, dem amerikanischen und afrikanischen Kontinent, wo sie weltweit die dritte christliche Konfession nach den Katholiken und Orthodoxen bildet -, zerreisst sich seit einigen Jahren jetzt schon zu den Fragen, ob eine Frau Pfarrerin, ein Homosexueller Pfarrer werden darf, vor allem aber, ob eine Frau oder ein Homosexueller die Bischofsweihe erhalten dürfe - nach katholischem Gemeinplatz alles "Glaubensverbrechen".

Das sind sie Spitzen des Eisbergs, unter denen der Kampf zwischen den "katholischen" und "reformierten" Clans der Anglikaner schwelt, die letztlich Alt-Lutheraner geblieben sind, aber sowohl mit der Eucharistie - ohne zuviel Marienverehrung - als auch mit den Evangelien und relativ direkter Gott-Verbundenheit auskommen können. Es fehlt ihnen eine klare Hierarchie, das heisst ein Papst, den sie nicht wollen, und die von den frei laufenden Evangelikern propagierte - relative - Beliebigkeit des Glaubens.

Der englische Primas, der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, ist ein liberaler Theologie im besten Sinn. Er hat die Kurie mehrmals getroffen - sich damit dem Verdacht des Nachgebens ausgesetzt -, er hat Toleranz gegenüber dem Islam, aber auch gegenüber der Scharia gepredigt - sich damit einem unbedachten Missverständnis ausgesetzt. Jetzt teilte er in London mit dem Papst die Sorge um zuviel Laizität, Säkulares und die gefährliche Relativierung religiöser und ethischer Werte - kurz, um den Niedergang der Sitten, was ein bekanntes Thema ist, das nicht nur Konfessionen beschäftigt. In drei bis vier Jahren wollen die Anglikaner einmal mehr über Einheit oder Schisma abstimmen.

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