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Sprach-Akrobatik

Gibt es noch Demut?

21. Juli 2017
Stephan Wehowsky
Das Wort wirkt wie aus der Zeit gefallen.

In ihrer ursprünglichen religiösen Form kommt Demut in unserer Zeit kaum noch vor – zumindest nicht im säkularen Westeuropa. Aber wir finden die Demut in anderer Gestalt.

Zur ursprünglichen christlich geprägten Bedeutung des Wortes Demut gibt es eine philosophische Anekdote. Der berühmte Theologe und Religionsphilosoph Friedrich Schleiermacher bezeichnete den christlichen Gottesglauben als das „Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit“ – also als eine demütige Geisteshaltung. Dann wäre, so spottete sein philosophischer Zeitgenosse Hegel, der Hund der beste Christ.

In diesem Sinne ist eine demütige Haltung minderwertig. Mut und Selbstbewusstsein werden in der Hoffnung geopfert, als Belohnung dafür vom Jenseits irgendein Gnadenbrot zu empfangen. Friedrich Nietzsche sah zudem in der Demut einen frommen Deckmantel „für feige Furchtsamkeit, dem Geschick mit Entschiedenheit entgegenzutreten“.

Das Wort „Demut“ kann aber auch das krasse Gegenteil davon bedeuten. Wer zum Beispiel einen Risikosport betreibt, muss gefährliche Situationen bestehen. „Da können Sie Demut lernen“, sagte einmal ein Risikosportler in Bezug auf überraschende Wetterumschwünge. Schneller als erwartet ändern sich alle Bedingungen, und die schönsten Berechnungen gelten nicht mehr.

Nur mit Mut und Können lässt sich eine Krise dieser Art bewältigen. Umgangssprachlich heisst es dann, dass jemand „über sich selbst hinaus gewachsen ist“. Aber der Ausgang war knapp, und wer eine solche Prüfung bestanden hat, zieht, wenn er klug ist, innerlich den Hut. Diese Art von Demut hat nichts mit innerer Verkümmerung zu tun, ganz im Gegenteil.

Wirklich grosse Künstler, Sportler, Wissenschaftler und Politiker wirken dann sympathisch, wenn sie diese Haltung vermitteln: Mut und Selbstvertrauen, aber auch das Wissen um Herausforderungen, die grösser sind als sie und sie in ihre Schranken weisen können.

Das Wort Demut kann also zwei völlig verschiedene Bedeutungen haben. Es kann eine Erniedrigung bedeuten, die sich Menschen selbst zufügen und die nicht achtenswert ist. Aber die Demut kann auch im Zeichen des Mutes und der Selbstbehauptung stehen und zugleich ein sehr gutes Mittel gegen den Hochmut sein, der bekanntlich vor dem Fall kommt.

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