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Syrien/Iran

Frühlingserwachen bei der Uno

27. September 2013 , Genf
Pierre Simonitsch
Der russische Aussenminister Sergej Lawrow stimmt in der Nacht zum Samstag im Uno-Sicherheitsrat für eine Uno-Resolution, die Syrien auffordert, alle chemischen Waffen zu vernichten. (Foto: Keystone/AP/Mary Altaffer)
Der russische Aussenminister Sergej Lawrow stimmt in der Nacht zum Samstag im Uno-Sicherheitsrat für eine Uno-Resolution, die Syrien auffordert, alle chemischen Waffen zu vernichten. (Foto: Keystone/AP/Mary Altaffer)

Vor zwei Wochen stand die Welt vor einem Krieg, jetzt liegen sich die Politiker und Diplomaten buchstäblich in den Armen.

Russen und Amerikaner einigten sich im Weltsicherheitsrat endlich auf eine Syrien-Resolution. Iran gelobt, „ernsthaft“ und „mit gutem Willen“ über sein umstrittenes Nuklearprogramm zu verhandeln.

Die fünf Vetomächte (USA, Russland, Frankreich, Grossbritannien, China) haben den übrigen zehn Mitgliedern des Sicherheitsrats in der Nacht zum Freitag einen gemeinsamen Resolutionsentwurf unterbreitet, dessen einstimmige Annahme nur mehr eine Formalität war. Der Entwurf beruht auf dem „Rahmenabkommen zur Beseitigung der syrischen chemischen Waffen“, das US-Aussenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege am 14. September in Genf abgeschlossen hatten. Dieses Abkommen enthält einen präzisen Zeitplan für die Offenlegung und „schleunige“ Vernichtung der syrischen C-Waffen unter internationaler Kontrolle. Der gesamte Prozess soll Mitte 2014 abgeschlossen sein.

Eine Differenz

Einen Punkt legten allerdings die USA und Russland unterschiedlich aus: Was nämlich geschehen soll, falls Syrien die vollständige Beseitigung seiner chemischen Kampfstoffe hintertreibt. Die USA verlangten, dass die UNO-Resolution unter Kapitel VII der Charta gestellt wird. Dieses Kapitel erlaubt abgestufte Zwangsmassnahmen, die von Wirtschaftssanktionen über eine Seeblockade bis zum Einsatz militärischer Mittel reichen.

Die Russen bestanden darauf, dass Sanktionen im Sinne des Kapitels VII erst dann aktuell würden, wenn die syrische Regierung oder Rebellengruppen gegen die Beschlüsse des Weltsicherheitsrats verstossen. Sie konnten sich auf den Wortlaut des Rahmenabkommens mit den USA stützen, in dem es heisst: „In the event of non-compliance, including unauthorized transfer, or any use of chemical weapons by anyone in Syria, the UN Secutity Council should impose measures under Chapter VII of the UN Charter.“

Der libysche Schatten

Diesem Argument mussten sich die Westmächte beugen. Aber auch Russland machte in New York Zugeständnisse. In einem Operativparagraphen der Resolution „beschliesst“ der Sicherheitsrat nunmehr, Syrien „Massnahmen unter Artikel VII der UNO-Charta aufzuerlegen“, falls Damaskus die aufgestellten Bedingungen nicht erfüllt. Dies bedeutet, dass seine Mitglieder dann handeln müssen.

Immerhin vermochten die Russen und die Chinesen einen Automatismus für Sanktionen oder einen internationalen Militäreinsatz gegen Syrien abzuwenden. Dafür wäre eine zweite Resolution erforderlich, gegen die sie erneut ihr Veto einlegen könnten. In den Augen der russischen Regierung hat der Westen die Erbsünde begangen, sie beim bewaffneten Eingreifen in Libyen über den Tisch zu ziehen. Was damals mit dem Segen Moskaus als „humanitäre Intervention“ beschlossen wurde, stellte sich als Regimewechsel und Ermordung Gaddafis heraus. So etwas wollen die Russen kein zweites Mal durchgehen lassen.

Zugang zu allen Giftgas-Installationen

Was immer man über das Säbelrasseln Obamas denken mag: Ohne die Drohungen Washingtons mit begrenzten Angriffen auf  syrische Ziele wäre die Einigung im Sicherheitsrat kaum zustande gekommen. Putin und al-Assad zogen in letzter Minute die Reissleine. Zwar hätte eine Bombardierung syrischer Militäranlagen den Bürgerkrieg nicht entschieden, aber die Regierungstruppen bedeutend geschwächt. Jetzt können sich alle als Sieger ausgeben.

Mit der Umsetzung der Syrien-Resolution betraut der Sicherheitsrat die Organisation des Verbots der Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag. Der Exekutivrat der OPCW hat für Freitag um 22 Uhr eine Dringlichkeitssitzung einberufen. Die Inspektoren der Organisation sollen „spätestens am 1. Oktober“ ihre Arbeiten vor Ort aufnehmen. Die OPCW verlangt nicht nur Zugang zu den schon von Damaskus aufgelisteten C-Waffen-Lagern, sondern auch zu allen anderen Orten, die mit Giftgas und ihrer Produktion in Verbindung gebracht werden.

Hoffnung im Atomstreit mit Iran

Laut der „Washington Post“ seien die chemischen Waffen Syriens leichter zu vernichten als ursprünglich angenommen wurde. Die Zeitung beruft sich auf vertrauliche Gutachten amerikanischer und russischer Regierungsbeamter. Der Grossteil der auf 1000 Tonnen geschätzten hochtoxischen Substanzen sei nämlich nicht in Munition abgefüllt und daher relativ einfach zu neutralisieren. Die Operation könne in neun Monaten beendet sein, wenn Damaskus mitspielt.

Auch im Atomstreit mit Iran keimt Hoffnung auf. Zum ersten Mal seit der islamischen Revolution von 1979 sassen sich am Donnerstag in New York die Aussenminister Irans und der USA gegenüber. John Kerry sagte nach der improvisierten Unterredung mit Mohammad Javad Zarif, die mit einem Händedruck endete: „Der ganz andere Ton aus Iran hat mich überrascht.“ Zarif und die Aussenminister der 5+1-Gruppe  (USA, Russland, Frankreich, Grossbritannien, China und Deutschland) vereinbarten „substantielle Gespräche“ am 15. und 16. Oktober in Genf. Der neue iranische Präsident Hassan Rohani hat das von seinem Vorgänger Ahmadinedschad geerbte Verhandlungsteam total ausgewechselt und angekündigt: „Meine Regierung ist bereit, jeden einzelnen Stein umzudrehen, um eine allseits annehmbare Lösung zu finden.“

Jetzt warten die Verhandlungspartner darauf, ob den Worten auch Taten folgen.

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