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Fall Brüderle

Frauen haben Brüste

29. Januar 2013
René Zeyer
Die Welle schwappt aus Deutschland in die Schweiz herüber: Männer sind Schweine. Wussten wir eigentlich schon. Nur Blondinen haben das noch nicht mitgekriegt.

Vor mehr als einem Jahr soll der frischgekürte Spitzenkandidat der deutschen FDP Rainer Brüderle eine junge Journalistin aus München visuell und verbal unziemlich angegangen sein. «Brüderles Blick wanderte auf meinen Busen. 'Sie können ein Dirndl auch ausfüllen'», soll der spitze Politiker spätabends am Bartresen zu der dort auf Spitzenquotes wartenden «stern»-Reporterin gesagt haben. Dann habe er ihre Hand geküsst. Ja pfuibä, wie hat er das denn gegen die erbitterte Gegenwehr der ihm doch sicherlich körperlich überlegenen Frau geschafft? Und bei der Verabschiedung nachts um eins sei er noch mit «seinem Gesicht nah auf mein Gesicht zugesteuert. Ich weiche zurück und halte die Hände nahe vor meinen Körper.» Kein Wunder, dass man ein Jahr braucht, um diesen Schock zu verarbeiten.

Die Begleitumstände

Handeln wir noch schnell ab, dass es Ausdruck tiefster Verlogenheit ist, wenn ausgerechnet der «stern», der keine Gelegenheit auslässt, einen nackten Busen aufs Titelblatt zu heben, mit einem Jahr Verspätung der Jungjournalistin mehrere Seiten einräumt, um sich über den «Herrenwitz», so der Titel des Artikels, Brüderle zu erregen. Pardon, zu echauffieren. Aber rechtzeitig zum Ende des «Dschungelcamp» hat der «stern» damit eine Welle losgetreten. Ein Twittersturm, Leserkommentare en masse, Günther Jauch lässt in seiner Parade-Talkshow der ARD unter anderem Alice Schwarzer und Hellmuth Karasek aufeinanderprallen. Damit ist der Neuigkeitswert der argumentativen Auseinandersetzung schon mal auf Null gesetzt. «Hat Deutschland ein Sexismus-Problem? Die Diskussion hat bei Millionen von Frauen und Männern einen Nerv getroffen», leitete Jauch seine Beteiligung an der Erregungsbewirtschaftung ein. Pardon, man verzeihe dem männlichen Autor diese Ausrutscher.

Die selbsterfüllende Prophezeiung

Leisten sich Männer, häufig begleitet von fortschreitendem Alter, gelegentlich klägliche verbale Flirtversuche? Aber ja. Ist es unziemlich, als Mann zu erkennen zu geben, dass man sich bewusst ist, dass es sich beim Gegenüber an der Bartheke um eine Frau handelt? Tja, das kommt darauf an. Worauf? Auf die Deutungshoheit. Wenn man man, pardon, frau, davon ausgeht, dass Männer Schweine sind, dann ist jede diese Tatsache reflektierende Bemerkung eine sexistische Sauerei. Dann gibt es keine Entschuldigung, unter keinen Umständen, wenn man den Satz für lustig hält: «Ich liebe die Frauenbewegung. Vor allem, wenn sie schön rhythmisch ist.» Das Problem ist nicht, dass man diesen Satz auch für selten blöd und unkomisch halten darf. Das Problem ist ein anderes.

Gemeint und empfunden

Nehmen wir ein umgekehrtes Beispiel. Ist der alte Mae-West-Scherz: «Ist das eine Pistole, die Sie da in der Tasche tragen – oder freuen Sie sich nur, mich zu sehen?» eine unziemliche Bemerkung oder erlaubt? Nehmen wir an, sie sei als Scherz gemeint. Wird aber vom Gegenüber als sexistische Anmache empfunden. Da ist es letztlich entscheidend, wer die Deutungshoheit über die Interpretation, die dahinterstehenden Motive und die angeblichen Absichten gewinnt. Und da massen sich Frauen an, per Definition das Recht zu haben, einen seiner Meinung nach harmlos flirtenden Mann als notgeiles Ferkel zu denunzieren. Solche Männer gibt es unbestreitbar. Genauso unbestreitbar gibt es auch Frauen, die ihre sekundären Geschlechtsmerkmale als strategische Waffen einsetzen. Von den primären ganz zu schweigen. Oder ist es nur ein weiterer Herrenwitz, dass manche weibliche Karrieren über Nacht einen bedeutenden Schub erhalten?

Was dabei rauskommt

Wie (fast) alles Übel kommt auch dieses aus den USA. Dort ist es schon länger kein Witz, sondern Realität, dass am Arbeitsplatz kein männlicher Mitarbeiter alleine und bei geschlossener Türe eine Besprechung mit einer Mitarbeiterin abhält. Ein Lift wird nicht betreten oder fluchtartig verlassen, sollte sich der allleinfahrende Mann plötzlich mit einer Mitfahrerin konfrontiert sehen. Bei der Einladung zu einem gemeinsamen Drink nach der Arbeit muss ein Eiertanz aufgeführt werden, dass es ein Wunder ist, dass so was überhaupt noch stattfindet. Komplimente über eine neue Frisur, einen modischen Schal sind tunlichst zu unterlassen. Selbst der Hinweis auf einen möglicherweise unangemessen kurzen Rock, Killerheels oder zu freizügige Einblicke ins Dekolleté wird Personalbetreuerinnen überlassen. Wobei der Mann immer Gefahr läuft, schon mit einem solchen Hinweis seine unkontrollierten Triebkräfte zu erkennen zu geben.

Und wo’s endet

Bei allen Einwänden, die wir gegen Islamismus in seiner fundamentalistischen Ausprägung auch haben mögen, wäre es da nicht eine denkbare Lösung, dass wir den Widerstand gegen Burkas oder Ganzkörperverhüllung aufgeben? Damit fiele zumindest für uns Männer die billige Entschuldigung weg, dass wir schliesslich auch nur Männer, daher Schweine und durch weibliche Reize provozierbar sind. Und wenn wir schon bei Entschuldigungen sind: Natürlich meinte ich das oben im Titel mit den Blondinen nicht so. Sollte nur ein dummer Scherz sein. Ehrenwort. Aber ich weiss, das nützt mir alles auch nichts.

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